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Heidelberg: "Fauler Pelz" ist die einzige Option für das Land (Update)

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Heidelberg. (hob) Erst im September 2021 hat das baden-württembergische Justizministerium das ehemalige Altstadt-Gefängnis "Fauler Pelz" wieder als möglichen Standort für den Maßregelvollzug ins Spiel gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt ging das zuständige Sozialministerium davon aus, dass die beiden denkmalgeschützten Gebäude in Landesbesitz bereits an die Uni Heidelberg vergeben seien. Mit dieser Äußerung überraschte Ministerialrätin Christina Rebmann am Mittwoch die Mitglieder im Sozialausschuss des Landtages. Die Oppositionsparteien von SPD und FDP hatten eine Aussprache zu diesem Streitthema beantragt.

Sozialminister Manne Lucha fehlte aufgrund einer Erkrankung. Und so war es die Aufgabe seiner Amtschefin Leonie Dirks, die Landtagsabgeordneten um Unterstützung im Rechtsstreit gegen die Stadt Heidelberg zu bitten. Denn das Baurechtsamt droht weiterhin, die Arbeiten wegen einer fehlenden Genehmigung per Verfügung einzustellen. Dirks hingegen wiederholte noch einmal die bekannten Argumente, warum die Nutzung des "Faulen Pelzes" aus Sicht der Landesregierung alternativlos ist: 100 psychisch kranke und suchtkranke Straftäter, die noch im Gefängnis untergebracht sind, warteten derzeit auf einen Platz im Maßregelvollzug. Die Gerichte hätten in den letzten Jahren immer mehr Straftäter in Entzugskliniken und Psychiatrien eingewiesen. Aufgrund der fehlenden Therapieplätze mussten im letzten Jahr 30 dieser Straftäter aus der Haft entlassen werden. Dirks: "Dieses Jahr waren es bereits sieben. Wenn wir nicht zügig neue Plätze schaffen, werden noch mehr auf freien Fuß kommen. Es besteht eine begründete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung."

Der "Faule Pelz" sei die einzige Option, um kurzfristig ausreichend Plätze im Maßregelvollzug zu schaffen, so Dirks weiter. Frühestens ab 2023 würden Erweiterungsbauten in Calw und Wiesloch zur Verfügung stehen. Bezüglich zwei komplett neuer Standorte gebe es bereits gute Gespräche mit den betroffenen Kommunen. Mittelfristig seien 287 Plätze in Planung. Bis zum Sommer 2025 werde aber das ehemalige Heidelberger Gefängnis als Interimslösung dringend gebraucht. 75 Suchtkranke sollen dort nach den Plänen des Landes in einem frühen Stadium ihrer Therapie untergebracht werden, direkt nach dem Gefängnisaufenthalt. "Für das ,Clearing’, das Kennenlernen der Patienten ist der ,Faule Pelz’ gut geeignet", sagte Matthias Wagner, Chefarzt der Forensischen Klinik in Calw, der auch für die neue Außenstelle in Heidelberg zuständig wäre. Wie viel Sicherung braucht der einzelne Patient? Ist er überhaupt für den Maßregelvollzug geeignet? Das sind die entscheidenden Fragen, die dort abgeklärt werden könnten. "Die Patienten werden für eine begrenzte Zeit von drei bis sechs Monaten dort untergebracht", so Wagner. Freigänge seien zu diesem Zeitpunkt der Therapie nicht geplant, daher bestehe auch kein Sicherheitsrisiko für die Altstadt.

Der Landtagsabgeordnete Florian Wahl (SPD) warf dem Ministerium hingegen mangelnde Kommunikation mit der Stadt und schlechtes Management vor. Der Mangel im Maßregelvollzug sei "doch nicht wie eine Naturkatastrophe vom Himmel gefallen". Außerdem plante das Ministerium ja ohnehin bis September 2021 ohne den "Faulen Pelz". Und Jochen Haußmann (FDP) fügte hinzu: "Statt auf einem unrealistischen und ohnehin zeitlich begrenzten Mondfahrtprojekt im ‚Faulen Pelz’ für immerhin elf Millionen Euro oder vermutlich deutlich mehr zu beharren und in einem monatelangen baurechtlichen Genehmigungsverfahren zu verharren, wäre es zielführender, mit der Stadt Heidelberg über andere Standorte zu sprechen und weitere Interimslösungen zu prüfen." Am 12. April wollen sich die Mitglieder des Sozialausschusses noch einmal ein Bild vor Ort machen bei einer Begehung im "Faulen Pelz".

Update: Mittwoch, 23. März 2022, 20.15 Uhr


Land wappnet sich gegen möglichen Baustopp

Von Theo Westermann

Stuttgart/Heidelberg. Ein Rechtsstreit erscheint unausweichlich: Im weiter ungelösten Konflikt der Landesregierung mit der Stadt Heidelberg, was eine Übergangslösung im leerstehenden einstigen Frauengefängnis "Fauler Pelz" in Heidelberg für den überlasteten Maßregelvollzug im Land angeht, hat das Landeskabinett nach Informationen unserer Redaktion am Dienstagmorgen die bisherigen Planungen bekräftigt und sich juristisch für den Fall einer weiteren Zuspitzung gerüstet. Sollte das Projekt platzen, befürchtet die Landesregierung angesichts der drohenden Entlassung verurteilter Straftäter wegen fehlender Therapieplätze massive Sicherheitsprobleme. Trotz massiver Proteste der Stadt, die das Gebäude für Zwecke der Universität nutzen will, sollen die derzeit laufenden Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten in dem leerstehenden Gebäude fortgesetzt werden. Außerdem sieht der Beschluss des Kabinetts vor, rechtliche Möglichkeiten für einen Fortgang der Arbeiten zu prüfen, sollte es zu einer Einstellungsverfügung der Sanierungsarbeiten in der Landesimmobilie durch die Stadt kommen. 

Heidelberg hatte in den vergangenen Wochen damit gedroht, die Bauarbeiten einstellen zu lassen und auf den Denkmalschutz verwiesen.  Die Stadtverwaltung argumentiert, dass man angesichts der vorgesehenen Investitionssumme des Landes von 11 Millionen Euro erhebliche Eingriffe in einem Kulturdenkmal befürchte, dafür fehle die denkmalrechtliche Genehmigung. Auch nach einem Treffen auf Fachabteilungsebene Anfang März in Heidelberg steht diese Drohung weiter im Raum. "Der angekündigte Erlass einer Baueinstellungsverfügung und Versiegelung des Gebäudes (…) ist mit Blick auf die bisherige Entwicklung jedoch weiterhin möglich und würde eine Verzögerung der beabsichtigten Instandsetzungsarbeiten und Inbetriebnahme bedeuten. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden," heißt es in der Kabinettsvorlage, die unserer Redaktion vorliegt. Und weiter. "Dies kann aber jederzeit erfolgen."  Sofern eine solche eingehe, will das Land  Widerspruch einzulegen, um die "aufschiebende Wirkung herzustellen und Verzögerungen zu vermeiden".

Im August 2022 sollen bereits die ersten Patienten in das einstige Frauengefängnis einziehen. Die Position des Landes ist, dass die die Bauarbeiten keinen Bauantrag erforderten. Es handele sich um eine reine Instandsetzung. Eine als Entgegenkommen gedachte Bauvoranfrage des Landes an die Stadt war von Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) Ende 2021  abgelehnt und daraufhin vom Land zurückgezogen worden.

Die Landesregierung will nun überprüfen, auf welcher Grundlage derartige Instandsetzungsarbeiten überhaupt genehmigungspflichtig seien, wenn sie im besonderen öffentlichen Interesse sind. Zuständige Behörde für eine Überprüfung dieser komplexen  Frage ist das Regierungspräsidium Karlsruhe, dieses ist bereits informiert. 

Die Lage im Maßregelvollzug ist kritisch, es drohen Entlassungen von verurteilten Straftätern, weil keine Therapieplätze bereitstehen. Um kurzfristig Entlastung zu schaffen, plant das Stuttgarter Sozialministerium, zuständig für den Maßregelvollzug, im "Faulen  Pelz" bis zu  100 Plätze, befristet bis 2025, wie Sozialminister Manfred  Lucha (Grüne) immer wieder beteuerte.  Die Landesregierung hatte auch angeboten, diese Befristung vertraglich gegenüber der Stadt abzusichern.

Suchtkranke Straftäter können nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch in eine Entziehungsanstalt kommen, diese sind aber mit den sogenannten "64ern" überlastet. Rund 120 Verurteilte warten in Baden-Württemberg zur Zeit auf einen Therapieplatz.  2010 waren noch 1.000 Personen im Maßregelvollzug im Land, aktuell sind es rund 1.300, bei eigentlich nur 997 Planbetten. 2020 kam es im Land zu sechs Entlassungen aus der regulären Haft, weil ein Platz im Maßregelvollzug nicht zur Verfügung stand, 2021 waren es bereits 29 Entlassungen. Mit Neubauplänen in Wiesloch, Schwäbisch Hall und Winnenden will das Land die Situation entschärfen, doch diese Plätze stehen voraussichtlich erst ab 2025 zur Verfügung.

 Update: Dienstag, 22. März 2022, 13.25 Uhr


Würzner: Ministerium muss sich an Regeln halten

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Schon aus rechtlicher Sicht sei eine kurzfristige Nutzung des "Faulen Pelzes" für einen Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter nicht möglich. In diesem Punkt beharrt die Stadtspitze auf ihrer Einschätzung. Daran hat auch ein Treffen von Vertretern des Baurechtsamts und des Landessozialministeriums im ehemaligen Altstadt-Gefängnis vergangene Woche nichts geändert. Unterstützung bekommt Oberbürgermeister Eckart Würzner in seiner ablehnenden Haltung von der FDP-Landtagsfraktion. Die Abgeordneten Julia Goll, Jochen Haußmann und Christian Jung waren am Montag im Rathaus, um mit ihm über das Thema zu sprechen.

75 Therapieplätze für Menschen, die aufgrund ihrer Suchterkrankung kriminell geworden sind, plant das Sozialministerium im "Faulen Pelz". Schon im Herbst könnten nach den bisherigen Plänen die ersten Straftäter einziehen. Die Nutzung für den Maßregelvollzug soll bis zum 30. Juni 2025 begrenzt sein. Die Not ist groß, denn aktuell fehlen im Land rund 100 Plätze. Wird die Lücke nicht geschlossen, könnten noch mehr suchtkranke Straftäter gegen ihre vorübergehende Unterbringung in einem Gefängnis klagen – und in Freiheit entlassen werden.

Die Pläne für den "Faulen Pelz" stoßen bei Würzner trotzdem auf "Unverständnis". Das ehemalige Gefängnis aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sei völlig ungeeignet, vor allem stünden die Gebäude aber aus planungsrechtlichen Gründen nicht kurzfristig zur Verfügung. Denn auch wenn das Land bereits im Besitz der Immobilie sei, müsse es einen Bauantrag stellen und auf eine Genehmigung warten. Und solch ein Verfahren koste Zeit, von einer schnellen Nutzung könne also keine Rede sein.

"Ein Maßregelvollzug muss doch anders aussehen als eine Strafanstalt", sagt die FDP-Landtagsabgeordnete Julia Goll, die selbst früher Richterin am Heidelberger Landgericht war. In den Augen ihres Fraktionskollegen Jochen Haußmann hat sich Sozialminister Manne Lucha "völlig verrannt". Da der "Faule Pelz" aktuell nicht zur Verfügung stehe, sei es doch zielführender, weitere Plätze in Modularbauweise an den bestehenden Psychiatrie-Standorten zu schaffen. Christian Jung, Mitglied im Petitionsausschuss des Landtags, bringt die Möglichkeit ins Spiel, dass einzelne Bürger gegen den Maßregelvollzug eine Petition einreichen könnten. Auch das werde die Inbetriebnahme verzögern.

"Das ist ein äußerst kompliziertes Sonderbauvorhaben in einem Kulturdenkmal, umgeben von Wohnbebauung", erläutert Baubürgermeister Jürgen Odszuck, warum er auf einen Bauantrag des Landes bestehen muss. Zugleich nennt er konkrete Beispiele: "Den Dachstuhl für Therapieräume zu nutzen, ist offenkundig genehmigungspflichtig." Baurechtsamtsleiter Jörg Hornung war bei der Begehung mit dem Sozialministerium im "Faulen Pelz dabei". In seinen Augen greife das Land in die historische Bausubstanz des denkmalgeschützten Gebäudes ein, da es den Boden neu machen und Leitungen verlegen wolle. Auch die vom Land vorgeschlagenen Rettungswege seien nicht ohne Weiteres möglich. Und wenn das Ministerium Teile des Gefängnisses für Büros nutzen wolle, müsse auch dafür ein Antrag auf Nutzungsänderung gestellt werden. Hornung und sein Amt haben das Land nun aufgefordert, alle erforderlichen Bauunterlagen zur Verfügung zu stellen. "Zudem haben wir eine regelmäßige Überwachung angeordnet", so Hornung. Sobald offensichtliche Bauarbeiten festgestellt würden, werde sein Amt diese einstellen. Trotzdem bleibe man mit dem Ministerium im Gespräch.

Die FDP will das Thema nun im Sozialausschuss kommende Woche auf die Tagesordnung bringen. Auch eine Besichtigung des "Faulen Pelzes" für die Landtagsabgeordneten sei geplant. Eine Ministeriumssprecherin betonte aber noch einmal auf Anfrage der RNZ: "An unserer Rechtsauffassung hat sich nichts geändert. Wir halten an unserem Ziel fest, den ,Faulen Pelz’ vorübergehend für den Maßregelvollzug zu nutzen und dafür die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen."

Update: Montag, 14. März 2022, 21.41 Uhr


Stadt Heidelberg und Land trafen sich vor Ort

Heidelberg. (hob) Der Streit um das ehemalige Gefängnis "Fauler Pelz" geht weiter. Das Landessozialministerium möchte daraus einen Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter machen, die Stadt lehnt dies ab – und droht, die Arbeiten per Verfügung einzustellen. Nun gab es ein Treffen vor Ort, "auf Arbeitsebene", wie es von beiden Seiten heißt. "Die Begehung hat aus Sicht der Stadt klar bestätigt, dass für die Arbeiten ein Bauantrag gestellt werden muss", betont ein Stadtsprecher. Eine Ministeriumssprecherin sprach von "offenen Fragen, die geklärt werden müssen." Man bleibe in Kontakt.

Update: Mittwoch, 9. März 2022, 19.40 Uhr


Stadt Heidelberg stellt Ultimatum ans Land

Heidelberg. (jus) Im Streit um die künftige Nutzung des ehemaligen Gefängnisses "Fauler Pelz" in der Altstadt stellt die Stadt Heidelberg dem Land Baden-Württemberg nun ein Ultimatum. Die Stadt fordert das Land auf, bis zum 3. März einen konkreten Maßnahmenplan mit allen geplanten Eingriffen im Innen- und Außenbereich vorzulegen und bis dahin alle Arbeiten einzustellen. Wie ein Sprecher der Stadt betonte, handelt es sich dabei um eine "bestimmte Aufforderung", jedoch noch um keine formelle Einstellungsverfügung. Diesen Schritt behalte man sich vor.

Der Streit um den "Faulen Pelz" geht damit in die nächste Runde. Während das baden-württembergische Sozialministerium einen Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter für das frühere Gefängnis vorsieht, ist die Stadt strikt gegen diese Pläne und will das Gebäude für universitäre Zwecke nutzen. Im Rahmen einer Pressekonferenz am Montag sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner, man gehe davon aus, dass für die vom Land geplante Nutzung umfassende Baumaßnahmen nötig seien.

"Das Gebäude wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut, eine Unterbringung darin ohne umfassende Sanierung möchte man doch wohl keinem kranken Menschen zumuten", sagte Würzner. Das Land habe aber bislang keinen Bauantrag gestellt. "Es braucht eine Baugenehmigung. Das ist geltendes Recht, das wir als Kommune umsetzen", so Würzner. Und er kündigte erneut an: "Wir stellen die Baumaßnahmen ein, wenn wir sehen, dass an dem Gebäude etwas gemacht wird."

Das Land hingegen spricht lediglich von kleinen Ausbesserungsarbeiten und hat der Stadt eine entsprechende Stellungnahme zukommen lassen. Doch diese reicht der Stadt nicht aus, da nach wie vor keine Planung inklusive detaillierter Maßnahmenbeschreibung vorliege. "Wir kriegen immer nur die Infos über die Presse und das Land, dass keine Baumaßnahmen stattfinden – aber wir brauchen halt die Pläne", sagte Würzner. Ohne diese Unterlagen sei keine fundierte Einschätzung aus bau- und denkmalfachlicher Sicht möglich. Zudem müssten aufgrund der historischen Bausubstanz des Gebäudes die Arbeiten durch wissenschaftliche Restauratoren begleitet werden.

Der Gemeinderat hat im Dezember 2021 einem Beschluss zugestimmt, den "Faulen Pelz" der Universität zur Verfügung zu stellen. Ein Maßregelvollzug steht aus Sicht der Stadt im klaren Widerspruch zur Planungshoheit der Kommune.

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