Wie Borussia Dortmund schlagen kann
Alle Jahre wieder stellt sich beim Aufeinandertreffen der beiden Teams aus Mönchengladbach und Dortmund die leidige Frage nach der „echten“ Borussia. Eine Frage, die allerdings schon seit dem 1. August 1900 eindeutig beantwortet ist – neun Jahre vor der Gründung des BVB. Wem diese Daten noch nicht ausreichen, der möge das Internet befragen, indem er sich auf die Seite www.borussia.de begibt. Es kommt leider immer wieder vor, dass billige Plagiate erfolgreicher werden als das Original. An den Promenaden diverser Touristenregionen werden z. B. deutlich mehr gefälschte Rolex verkauft als tatsächliche Markenuhren. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, diese als besser oder gar echter anzusehen. Von daher steht außerhalb jeder Debatte, dass am kommenden Freitag die echte Borussia in Dortmund wird antreten müssen.
„Müssen“ ist hierbei das Stichwort. Denn diese Partie weckt i. d. R. wenig Vorfreude bei den mitreisenden Fans aus Mönchengladbach. Nicht nur, dass man in das am stärksten überbewertete Stadion der Republik mit den unsympathischsten Heimfans der Liga gezwängt wird. Dies ist verknüpft mit der nahezu sicheren Aussicht auf deprimierende 90 Minuten, an deren Ende regelmäßig eine Niederlage steht. Über die genaue Statistik der letzten Jahrzehnte schweigen wir uns an dieser Stelle aus Pietätsgründen aus. Wir verweisen stattdessen lieber auf die beiden letzten Auftritte im Signal-Iduna-Park, bei denen Borussia zumindest an einer Überraschung knabberte. Im November 2023 führte Borussia früh mit 2:0 und schien auf einem guten Weg, die Horrorbilanz zu durchbrechen. Ein Doppelschlag innerhalb von drei Minuten egalisierte danach die Partie, die am Ende mit 4:2 an den BVB ging. Ähnlich verlief es im April diesen Jahres nach einer 1:0-Führung, der erneut innerhalb von drei Minuten ein Doppelschlag folgte. Endstand: 3:2 für die Falschen.
Was kann die Mannschaft daraus für die Partie am kommenden Freitag lernen? Zunächst einmal, dass sie genauso mutig und forsch beginnen sollte wie in diesen beiden Partien, um den Teil mit der Führung zu reproduzieren. Der BVB ist derzeit anfällig und mit Blick auf die beiden letzten Unentschieden verunsichert. Die scharfe Kritik von Nils Schlotterbeck an seinen Teamkollegen hat in der Kabine für einige Unruhe gesorgt, aus der Borussia Kapital schlagen könnte. Ein Gegner mit solch hoher individueller Qualität erfordert allerdings höchste Konzentration über 90+X Spielminuten. Jede noch so kurze Schwächephase kann durch die Dortmunder Einzelspieler gnadenlos ausgenutzt werden. Tritt Borussia defensiv erneut so vogelwild auf wie in der vergangenen Woche, so könnte das Jahr mit einer frustrierend hohen Niederlage beendet werden. Die positive Stimmung, die noch vor einer Woche rund um den Borussia-Park geherrscht hat, wäre damit endgültig dahin und Borussia müsste mit einem Negativgefühl in die dreiwöchige Weihnachtspause. Knüpft die Mannschaft dagegen an die Leistungen der letzten drei Auswärtsspiele an, so wäre ein Erfolgserlebnis zum Jahresausklang keine Utopie.
Borussia wird, wie unter Polanski üblich, weiter sehr tief verteidigen. Im besten Fall werden sie es den Gastgebern damit schwer machen, ihr ohnehin schwächelndes Offensivspiel durchzuziehen. Die Rückkehr von Scally könnte den Defensivverbund wieder verstärken. Wer hätte vor einigen Wochen gedacht, einen solchen Satz jemals in einem Seitenwahl-Artikel lesen zu dürfen? Zuletzt hat sich der US-Amerikaner aber tatsächlich stabilisiert und scheint jetzt endlich den wesentlichen Schritt hin von einem fehleranfälligen Talent hin zu einem soliden Bundesliga-Verteidiger zu machen. Zugute kommt ihm dabei die Systemumstellung auf Dreierkette, da er mit Diks und Elvedi sehr gut harmoniert.
Dies galt bis vor einigen Wochen auch für Philipp Sander, der sich zunächst verletzte und bei seiner Rückkehr gegen Wolfsburg einen rabenschwarzen Tag erwischte. Dennoch spricht vieles dafür, den Ex-Kieler erneut in die Startelf zu berufen. Er könnte z. B. neben Engelhardt ins defensive Mittelfeld rutschen, wodurch Reitz eine etwas offensivere Position einnähme. Im offensiven Mittelfeld wird es davon abhängen, ob Florian Neuhaus bereits fit genug ist für die Startelf. Andernfalls bieten sich für Polanski mit Reyna, Stöger und Mohya gleich drei Alternativen. Mit Blick auf die bisherigen Saisonleistungen der beiden erstgenannten spricht vieles für die mutige Lösung mit dem Edeltalent. Ein Startelfdebüt in Dortmund wäre zwar keine einfache Aufgabe. Mohya hätte aber relativ wenig zu verlieren, da gerade gegen so einen Gegner die Erwartungen überschaubar blieben. Vielleicht bräuchte es gerade die Unbekümmertheit eines 16jährigen, der einfach nur Fußball spielen möchte, um in Dortmund bestehen zu können.
Offensiv wird es ansonsten erneut auf Borussias Standardstärke ankommen. Vier Treffer erzielte Borussia in dieser Saison bereits nach einem Eckball. Aus dem Spiel heraus dürften sich, insbesondere bei einem zu erwartenden Ausfall von Honorat, relativ wenige Torchancen ergeben. Am ehesten wären diese noch bei Kontern zu erwarten. Das Umschaltspiel hat sich unter Polanski stark verbessert und könnte gegen die Dortmunder zu einem wichtigen Faktor werden.
Die Westfalen werden bemüht sein, im letzten Heimspiel des Jahres gewohnt dominant aufzutreten, womit sie Borussias Spielstil grundsätzlich entgegenkommen. Ähnlich wie sein Gegenüber wird Niko Kovac froh sein über die bevorstehende Winterpause, gehen sie mit ihrem Kader doch ebenfalls arg auf dem Zahnfleisch. Sieben potenzielle Startspieler werden den Rheinmetall-Werbeträgern fehlen, u. a. Anton, Sabitzer, Bensebaini und Bellingham. Dennoch besteht bei den Westfalen kein Grund für ihre übliche Jammerei. Während Borussia bei den Einwechselungen überwiegend auf junge Talente setzen muss, kann Niko Kovac weiterhin Spieler wie Adeyemi, Svensson und Beier von der Bank bringen. Mit Duranville und Campbell stünden zudem zwei junge Spieler bereit, die zuletzt wegen vermeintlicher Lustlosigkeit aussortiert worden waren, gegen Gladbach aber wieder in den Kader zurückkehren könnten.
Die Dortmunder Stürmer Guirassy und Adeyemi liefern mit 5 bzw. 4 Ligatreffern bisher eine schwache Saison ab. Der deutsche Nationalspieler wurde daher zuletzt durch den Portugiesen Fabio Silva ersetzt, der bislang noch kein einziges Tor in der Bundesliga erzielt hat. Fans der Borussia wissen, was das für kommenden Freitag aller Voraussicht nach bedeutet. Kein anderer Verein in Deutschland ist so offen gegenüber Debüttreffern gegnerischer Spieler wie Borussia.
Doch fernab von diesen und allen weiteren Horrorstatistiken rund um diese Partie besteht kein Grund für übermäßige Schwarzmalerei. Borussia sollte noch ein letztes Mal in diesem Jahr eine engagierte Leistung abliefern und sich so vernünftig aus dem insgesamt sehr unerfreulich verlaufenen Jahr verabschieden. Wenn sie es schafft, defensiv so solide zu stehen, wie in den letzten Auswärtsspielen oder wie gegen den über dem BVB platzierten Klub aus Leipzig, wenn sie ihre Stärke bei den Standards und im Umschaltspiel beibehält und dann noch etwas Glück hat, dann könnte für Borussia sogar mehr drin sein als nur ein Achtungserfolg im Signal-Iduna-Park.
So könnten sie spielen
Borussia: Nicolas – Scally, Elvedi, Diks – Engelhardt, Sander – Castrop, Reitz, Neuhaus, Netz – Tabakovic
Dortmund: Kobel – Can, Süle, Schlotterbeck – Couto, Nmecha, Groß, Chukwuemeka, Ryerson - Silva, Guirassy
So tippt die Seitenwahl-Redaktion
Michael Heinen: „Ach, Scheiß auf meine Tippstatistik. Zum Jahresende werde ich einmal (über)mutig. Borussia geht erneut mit 2:0 in Führung und kassiert dieses Mal nur noch einen Gegentreffer. Frohe Weihnachten! Wer sich die positive Weihnachtsstimmung zumindest bis Freitag bewahren möchte, der lese jetzt lieber nicht weiter.“
Christian Spoo: „Warum fährt Borussia eigentlich nach Dortmund? Die haben da doch selbst eine. Um Punkte kann es auch nicht gehen, wenn die Kräfteverhältnisse so eindeutig sind, wie im Moment. Dortmund schießt Mönchengladbach ab, 6:1.“
Mike Lukanz: „Alle Zutaten sind vorhanden: Freitagabend. Letztes Spiel vor Weihnachten, auswärts in Dortmund, ein sehr bescheidenes Jahr wird beendet beim Gegner, der uns regelmäßig vorführt. Dazu die Gelegenheit, uns alle mit einem besch** Gefühl in die Weihnachtspause zu schicken. Und alles wird unsere Borussia bedienen & mit einem 0:5 das Jahr 2025 beenden.“
Claus-Dieter Mayer: „Gottseidank ist Niko Kovac eher ein Freund der Defensive und Marco Reus spielt nicht mehr in Dortmund, deshalb gibt es nur eine 0:3-Niederlage im Stadion Nattenberg (oder wie auch immer das heißt).“
Michael Oehm: „“Dortmund. Da sind wir früher mit 9 Mann hingefahren.“ Ungefähr so spielt Borussia aber auch heute, weshalb es einen ungefährdeten 4:0 Heimsieg zu bestaunen gibt.“

