Die Sorgen des Fanprojekts …
… hätten wir auch gern. Damit das niemand in den falschen Hals bekommt – natürlich ist es in der aktuellen Situation von Borussia Mönchengladbach und angesichts der Entwicklung der letzten Jahre absolut berechtigt, sich Sorgen um den Verein zu machen, berechtigt sind sogar große Sorgen. Wir als SEITENWAHL-Redaktion sind ja als griesgrämige Pessimisten bekannt und haben diese Entwicklung ab dem Amtsantritt von Roland Virkus vorhergesagt und seither laufend kommentiert.
Und trotzdem schreit das jüngst veröffentlichte Statement des Fanprojekts (https://fp-mg.de/wir-machen-uns-sorgen-um-borussia-moenchengladbach) in einem Punkt nach Erwiderung. Der Abschnitt zur angeblich beschlossenen Vermarktung des Stadionnamens zeugt von wenig Verständnis (um nicht zu sagen „Ahnungslosigkeit“) von den Abläufen bei Vertragsverhandlungen von und mit Wirtschaftsunternehmen und von wenig Realitätssinn im Hinblick auf die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit des Vereins. Das Fanprojekt beklagt, dass dazu „keinerlei Austausch mit der Basis, den Mitgliedern, den Fans geführt wurde.“ Weiter heißt es: „Dass ein so einschneidender Schritt in Bezug auf ein so elementares Bestandteil des Fanlebens ohne jegliche Kommunikation mit den Menschen, die den Borussia-Park mit Leben füllen, gegangen wird, kann nur irritieren. Dieser falsch in Gang gesetzte Prozess muss gestoppt werden, um mit allen Beteiligten im und um den Verein entscheidende Weichen für die Zukunft unserer Borussia zu stellen.“
Zuerst ist festzuhalten, dass die Behauptung, es habe zum Stadionnamen keinerlei Kommunikation gegeben, offensichtlich unzutreffend ist. Der Verein hat immer – seit Errichtung des Stadions vor ca. 20 Jahren – bekundet, dass der Stadionname vermarktet werden kann, wenn ein zum Verein passender Partner eine dem Verein passende Summe dafür bezahlt. Mehr kann man nicht tun, mehr durfte man vermutlich nicht tun.
Hier kommen nun die üblichen Abläufe solcher Projekte in Wirtschaftsunternehmen ins Spiel, die mir als mit solchen Transaktionen beruflich befasstem Juristen vertraut sind. Ein Teil dieser Abläufe ist fast immer (und in einem so öffentlichkeitswirksamen Fall wie dem Stadionnamen eines Bundesligisten mit Sicherheit nicht nur fast immer) die Vereinbarung strikter Geheimhaltung zwischen den verhandelnden Parteien und Beratern. Deshalb steht am Anfang des Prozesses ein Non-Disclosure-Agreement („NDA“), in dem sich alle Beteiligten verpflichten, sowohl die Existenz eines Projekts an sich als auch dessen Inhalte absolut vertraulich zu behandeln und nur mit solchen Personen zu teilen, die entweder namentlich genannt oder die unabdingbar erforderlich für die Bearbeitung des Projekts sind. Dazu gehören meist nur wenige involvierte Arbeitnehmer*innen, ganz bestimmt aber nicht ca. 10.000 organisierte Fans in der Kurve und schon gar nicht 50.000 Zuschauer*innen im Stadion. Erst nach Abschluss des NDA werden Informationen ausgetauscht, werden Unternehmensberatungen und/oder Marketingagenturen aktiv, wird eine Charakteristik des geeigneten Kandidaten erstellt (im Falle Borussia vermutlich: Kein Heppo, keine Rüstung, kein Tabak, kein schwarzgelbes oder rotweißes Logo, nicht aus Köln …????), daraus eine Longlist und später in Gesprächen mit dem Verein und den Kandidaten eine Shortlist erstellt. Erst dann beginnen konkrete Verhandlungen mit den Unternehmen auf der Shortlist, ab einem bestimmten Zeitpunkt exklusiv mit dem Favoriten, bevor das ganze dann vielleicht in einen Vertragsabschluss mündet, der dann am Ende noch von Gremien wie Aufsichtsräten und/oder Gesellschafterversammlungen auf beiden Seiten abgesegnet werden muss. Wir reden hier über Monate, vielleicht über ein Jahr.
Logisch, dass keiner der Kandidaten, mit denen man sich austauscht, seinen Namen während dieser Verhandlungen in der Zeitung lesen will. Wer nicht zum Zug kommt, möchte nicht erklären müssen, woran es gescheitert ist. Wer selbst abgesagt hat, möchte nicht erklären müssen, warum er nicht bereit oder in der Lage ist, Borussia als Sponsor zu unterstützen. Firmenintern sind das "Projekte, die es niemals gab!" Wer zum Zug kommt, möchte die Kommunikation in der eigenen Hand haben und nicht durch öffentlichen Druck interne Entscheidungen präjudizieren.
Auch logisch, dass die ganze schöne Vertraulichkeit zum Teufel ist, wenn man anfängt, einen solchen Prozess mit dem Fanprojekt zu diskutieren. Selbst wenn man nur mit einigen ausgewählten Köpfen der Szene reden würde – die Anzahl der da involvierten Personen ist so uferlos groß, dass ein Nicht-Durchsickern praktisch ausgeschlossen ist.
Sollte es daher tatsächlich eine Einigung mit einem Stadionsponsor geben, war der Verein gut beraten, diese in aller Stille und ohne weitere Kommunikation vorzubereiten. Die Forderung, ein solches Projekt zu stoppen, ist jedenfalls ziemlich absurd. Gegen das genannte Unternehmen gibt es auf den ersten Blick auch wenig zu sagen. Wenn der Name zutrifft, bleiben uns jedenfalls „Rheinmetall-Diskussionen“ erspart. Wobei die wahrscheinlich sowieso abgesagt hätten, weil ein Bundesligaverein, der einfach keine Defensive kann, für das Unternehmen nicht passend wäre.
Zum wirtschaftlichen Aspekt der Diskussion ist zu sagen, dass uns die vergangenen Transferperioden und dabei insbesondere das ebenso anhaltende wie ungeschickte Lamento, man könne erst investieren, wenn man Spieler verkauft oder von der Payroll bekommen habe, hinreichend gezeigt haben sollten, wie sparsam die wirtschaftliche Ausstattung von Borussia Mönchengladbach mittlerweile geworden ist. Die Ursachen – Corona, der sportliche Misserfolg, ablösefreie Abgänge, Fehleinkäufe – sind hinreichend benannt. Wer in dieser Situation einen langlaufenden Vertrag ablehnt, der dem Verein jährlich Zusatzeinnahmen im mittleren einstelligen Millionenbereich verschafft, stellt den Anspruch von Borussia Mönchengladbach auf Zugehörigkeit zur 1. Bundesliga in Frage. Man kann natürlich die Auffassung vertreten, dass es besser ist, im „Borussia-Park“ zweite Liga zu spielen als im „xy-Stadion im Borussia-Park“ Erstligist zu bleiben oder wieder zu werden. Ohne einem Ausverkauf des Vereins das Wort zu reden (es gibt sicher Dinge, bei denen ich auch auf die Barrikaden gehen würde) – wenn man Tradition über sportlichen Erfolg stellt, der nun mal auch das nötige Kleingeld erfordert, sollte man das auch so klar benennen. Ob das die Mehrheit der Anhängerschaft so sieht, darf man bezweifeln. Man frage mal nach in Lautern, auf Schalke oder bei der Hertha.

