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„Ein Mann des Klubs“ – Del Bosques leiser Abschied und lautes Vermächtnis

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Del Bosques Image passte nicht zu den Galácticos – Foto: JOSE JORDAN/AFP/Getty Images

Vicente del Bosque ist eine Legende, wie sie im modernen Fußball selten geworden ist: unaufgeregt, loyal, uneitel. Seine Karriere begann und endete fast vollständig bei Real Madrid. In Salamanca geboren, schloss sich der ruhige Mittelfeldspieler aus bürgerlichen Verhältnissen bereits früh der Jugendabteilung der Königlichen an. Nach Leihen zu Castellón und Córdoba etablierte sich Del Bosque Anfang der 1970er-Jahre als Stammkraft. El Palillo – den Zahnstocher – nannten seine Kollegen den großen, schmalen Mittelfeldspieler mit dem Schnurrbart, der in über 300 Pflichtspielen für die Blancos nie der Star war, sondern der unermüdliche Arbeiter hinter großen Namen wie Günter Netzer oder Santillana. Fünf spanische Meisterschaften und vier Pokalsiege stehen in der Bilanz des 18-fachen spanischen Nationalspielers – solide, aber unauffällig. Doch seine wahre Größe offenbarte sich später.

Vom Lückenfüller zum König der Königsklasse

Nach dem aktiven Karriereende 1984 stieg Del Bosque bei Real in der Nachwuchsarbeit ein – erst als Koordinator und Trainer der Castilla, später als Interimscoach der Profis, wenn mal wieder Not am Mann war. 1999 wurde aus der Übergangslösung plötzlich ein Erfolgstrainer: In nicht einmal vier Jahren gewann er mit den „Galaktischen“ zwei Champions-League-Titel, zwei Meisterschaften sowie mehrere Supercups. Roberto Carlos nannte ihn später „eher einen Freund als einen Trainer“ – Del Bosque verstand, was Stars wirklich brauchen: Vertrauen, Menschlichkeit und Augenmaß. „Mein Beitrag war es, eine gewisse Einfachheit beizubehalten, diese ganze Welt des Marketings zu entdramatisieren“, sagte er rückblickend, doch trotz seiner Erfolge wurde er 2003 trotz Meisterschaft und des CL-Halbfinals entlassen. Präsident Florentino Pérez suchte Glamour, man brauche einen Trainer, dessen Profil besser zum neuen Image passe. Was man allerdings erntete war eine unruhige und titellose Epoche.

Bitterer Abschied: „Es war sehr schmerzhaft für mich“

In den Medien wurde das Image vom altmodischen Großvatertypen immer wieder bekräftigt und so zog sich ein Faden durch Del Bosques Karriere, in der ihm seine Bodenständigkeit zum Nachteil ausgelegt wurde und man ihn gern unterschätzte. Die Art seiner Entlassung nach 36 Jahren im Klub empfand der Spanier als „unsinnig“ und „würdelos“. Noch in der Meisternacht 2003 wurde er vor die Tür gesetzt, angeblich wegen veralteter Methoden. In Wahrheit störte wohl seine Bescheidenheit das neue Marketingkonzept mit großen Namen wie Zinédine Zidane, Luís Figo, Ronaldo und Co. „Der Bruch hat sich angefühlt, als wäre er mit einem Bruder passiert. Es war sehr schmerzhaft für mich. Ich wollte nie eine Ehrung, aber wie ein Mann behandelt werden, der dem Klub immer treu war und es heute noch ist“, sagte er später. Dass er jene Ehrungen des Vereins bis heute ablehnt, zeigt, wie tief die Wunden sitzen. Auch andere Schlüsselspieler wie Fernando Hierro und Claude Makélélé verließen Real im selben Sommer, mit David Beckham kam dagegen der glamouröseste Galaktische – der Anfang einer sportlichen Dürrezeit.

Nationalheld mit Haltung – und Titeln

Nach einem kurzen Intermezzo an der Seitenlinie von Beşiktaş İstanbul standen dem heute 74-Jährigen die glorreichen Jahre allerdings noch bevor, denn was Real Madrid nicht mehr wollte, führte Spanien zur größten Stunde: Als Nachfolger von Europameister Luis Aragonés übernahm Del Bosque 2008 die Selección – und machte sie 2010 zum Weltmeister, 2012 zum (erneuten) Europameister. Sein Stil blieb der gleiche: leise Autorität, taktisches Feingefühl, Menschlichkeit. „Nach jedem Sieg denke ich an jene, die nicht spielten“, sagte er einmal – ein Trainer, der nicht nur aufstellt, sondern auch auffängt. Für seine Verdienste wurde er 2011 von König Juan Carlos sogar zum Marqués ernannt – ein Adelstitel, den er kaum nutzt, weil es nicht seinem Naturell entspricht. Dass der Nationalheld in einer schlichten Etagenwohnung eines Madrider Neubaugebietes lebt, ist dabei mehr als symbolisch.

„Ein Anführer wird bewundert, ein Chef wird gefürchtet“

Heute ist Vicente del Bosque nicht mehr an der Seitenlinie aktiv, aber sein Einfluss bleibt. Als Leiter der staatlichen Überwachungskommission zur Reform des spanischen Fußballverbandes RFEF soll er helfen, den durch Skandale beschädigten Ruf des nationalen Fußballs zu retten. Auch als Redner wird er geschätzt, nicht zuletzt wegen seiner Werte: Respekt, Moral, Verantwortung. „Ein Anführer wird bewundert, ein Chef wird gefürchtet. Es gibt Wichtigeres als zu siegen“, betont er stets. Seine Karriere ist der Beweis dafür – dass Haltung und Erfolg einander nicht ausschließen. Und dass wahre Größe manchmal im Schweigen liegt.

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