Die drei ??? und die hanseatische Herausforderung
Auswärtsstark trifft auf heimschwach – so kann man das sehen, wenn man als Anhänger von Borussia Mönchengladbach optimistisch an das Spiel bei Werder Bremen herangehen möchte. Die Bremer haben nur eins ihrer letzten fünf Heimspiele gewonnen, Borussia neun Punkte aus den letzten drei Auswärtsspielen geholt. Wie relevant die Frage „zuhause oder auswärts“ inzwischen ist, lässt sich freilich durchaus hinterfragen. Spieltage ganz ohne Heimsieg, Freak-Ergebnisse wie der Bremer Sieg in Leverkusen oder der Bochumer Erfolg bei den Bayern. Prognostizierbar ist in dieser Saison vieles bald noch weniger als gewohnt.
So erfreulich aus Gladbacher Sicht die drei letzten Auswärtsspiele waren, so ernüchternd waren die Heimniederlagen gegen Augsburg und Mainz. Fun Fact: Die Mannschaft, gegen die Bremen zuletzt zuhause gewinnen konnte war Mainz 05. Die Niederlage gegen Mainz schmerzt nicht so sehr, wie die gegen Augsburg, der Gegner stärker, die eigene Leistung angesichts vieler Ausfälle zumindest akzeptabel. Dennoch zeigen Spiele wie diese, dass Stabilität relativ ist. Borussia ist souveräner als in der Vorsaison aber noch weit weg von abgeklärt.
Die Personalsituation stellt sich vor der Reise nach Bremen besser dar, als erwartet. Sowohl Rocco Reitz als auch Franck Honorat könnten in den Kader zurückkehren. Die Integration der Langzeitverletzten ins Mannschaftstraining habe funktioniert, ob beide oder einer mit an die Weser fahren, will Trainer Gerardo Seoane kurzfristig entscheiden. Ko Itakura und Joe Scally sind nach abgesessener Gelbsperre wieder dabei. Seoane ließ allerdings ausdrücklich offen, ob Scally in die Startelf zurückkehrt und lobte die Leistung von Stefan Lainer gegen Mainz. Diese Personalie ist ebenso offen wie die Besetzung des offensiven Mittelfeldes. Seoane gab zu Protokoll, er erwarte ein Kampfspiel. So wird möglicherweise Kevin Stöger erneut den Vorzug vor Alassane Plea erhalten, wenngleich der Österreicher gegen Mainz einen gebrauchten Tag erwischt hatte und Plea nach seiner Einwechslung viel für den Spielfluss tat.
Im defensiven Mittelfeld dürfte sich personell nichts ändern. Rocco Reitz ist noch kein Kandidat für die Startaufstellung. Da Seoane den erwarteten kämpferischen Charakter des Spiels so betont, spricht alles für Philipp Sander auf der Sechs neben dem gesetzten Julian Weigl. Für Florian Neuhaus bleibt folglich abermals nur der Platz auf der Bank, den er sich in der vergangenen Saison in Bremen offenbar für alle Ewigkeit gesichert hat – als er gegen die Anweisung des Trainers einen Elfmeter schoss (und verwandelte). In der Defensive wird Marvin Friedrich den Platz für Ko Itakura räumen müssen, wenngleich er am vergangenen Freitagabend der beste Borusse war. Das war Lukas Ullrich definitiv nicht, und da Gerardo Seoane ein ausgewiesener Luca-Netz-Fan ist, ist ein Wechsel auf der Linksverteidigerposition durchaus denkbar. So gibt es drei offene Fragen was das Personal angeht, eine durchaus komfortable Situation, nachdem sich die Mannschaft gegen Mainz noch mehr oder weniger von allein aufgestellt hatte.
Werder Bremen muss am Samstag auf jeden Fall auf Mitchell Weiser verzichten, er ist gelbgesperrt. Marvin Ducksch dagegen könnte Borussia durchaus wieder ärgern, der Angreifer wird im Kader stehen, ob auch direkt auf dem Platz, lässt sein Trainer Ole Werner offen. Das gilt auch für Marco Friedl, der zuletzt wegen einer Knieverletzung pausieren musste. Innenverteidiger Nico Stark wird das Spiel gegen Borussia wohl verpassen, auch er laboriert an einer Knieverletzung und fehlte schon beim Werder-Sieg in Leverkusen.
SEITENWAHL-Prognose
Christian Spoo: Findet das Gladbacher Spiel wieder sein Ziel – also den Mann mit der Elf auf dem Rücken? Wenn ja, ist vieles möglich. Ich fürchte allerdings, so richtig aufblühen wird Tim Kleindienst erst wieder, wenn Honorat und Plea ihn einsetzen. Und weil das nicht geschehen wird, unterliegt Borussia in Bremen mit 0:1.
Michael Heinen: Die Zeiten, in denen auswärts in Bremen nichts zu holen war, sind zum Glück vorbei. Borussia erkämpft sich ein verdientes 1:1.
Claus-Dieter Mayer: Die Zeiten, in denen auswärts in Bremen nichts zu holen war, sind leider wieder da. Zum dritten Mal in Folge kann Borussia nicht im Weserstadion gewinnen, sondern verliert, sang- aber wegen des Nebelhorns nicht klanglos 3:0 in Bremen.
Mike Lukanz: Bremen hat in Leverkusen mächtig Selbstbewusstsein gesammelt, aber Borussia spielt auswärts überraschend stabil. Damit alle etwas Spektakel haben, erfreuen wir uns an einem kurzweiligen 2:2.
Volkhard Patten: Werder. Da wo alles möglich ist. Wo das Horn bläst. Wo der Gästeblock öfter umzieht als ein Student. Dieses Mal siegt Borussia 3:1 und kann die Fans wieder träumen lassen.
Michael Oehm: Irgendwie haben die letzten beiden Heimspiele den natürlichen seitenwahl-Pessimismus doch arg befeuert. Zusammen mit dem aus den Auswärtsspielen resultierendem Optimismus wird ein 1:1 daraus.
Uwe Pirl: Bremen ist schwach, sehr schwach – keine Gewinner-Mentalität! Gladbach? Viel besser, viel stärker. Wenn sie nicht gewinnen, dann ist das ein Desaster, das sage ich euch – ein totales Desaster! Meint ChatGPT, aufgefordert, einen Tipp im Trump-Duktus zu formulieren. Nun gut, sind wir etwas realistischer: Das 2:2 ist kein Desaster, sondern ein normales Bundesligaergebnis.
Kevin Schulte: Es wird nichts mit dem vierten Auswärtssieg in Folge. Das 1:1 in Bremen lässt die leisen Europa-Hoffnungen verstummen, eignet sich aber auch nicht für Fatalismus.