Gemischte Gefühle
Deutlich spannender als manch anderes Duell an diesem Wochenende verlief am Samstagabend das Topspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt. Insbesondere dank einer herausragenden Leistung zu Spielbeginn verdiente sich die Fohlenelf einen Punkt gegen einen inzwischen qualitativ enteilten Gegner.
In der letzten Stunde verlief die Partie allerdings in etwa so wie es gegen die individuell deutlich stärker besetzten Hessen zu befürchten gewesen war. Bei aller Wertschätzung der Arbeit von Krösche und Co: Borussia ließ sich im eigenen Stadion viel zu stark zurückdrängen und konnte nicht mehr an die jüngsten Leistungen anknüpfen. Zum Teil entschuldigt werden kann dies durch die schwerwiegenden Ausfälle von Honorat, Plea, Elvedi, Reitz und Sander, die Borussia nicht gleichwertig kompensieren kann.
Die Anfangsphase belegt aber, dass es auch ohne sie geht. Die Art und Weise wie Borussia den Tabellendritten zunächst dominierte beeindruckte die Zuschauer ähnlich stark wie es die Mannschaft der zu diesem Zeitpunkt überaus unglückliche Ausgleichstreffer tat. 30 Minuten lang war die Eintracht überhaupt nicht zur Entfaltung oder gar zu Torchancen gekommen. In dieser Phase zeigte sich die lange vermisste „Handschrift“ die Gerardo Seoane seinem Team zu verpassen versucht.
Im defensiven Mittelfeld lag dies nicht zuletzt am starken Comeback von Florian Neuhaus, der nicht nur durch die Torvorbereitung überzeugte. In dieser Form ist es unerklärlich, warum der 10fache Nationalspieler zuletzt überhaupt keine Rolle bei Seoane spielte. Zur Wahrheit gehört aber auch: Hätte Borussia sich 2023 dazu entschieden, ihn ein Jahr vor dem damaligen Vertragsende zu verkaufen, wäre dies absolut nachvollziehbar gewesen. Zu schwach waren Neuhaus Leistungen in den vergangenen Jahren unter verschiedenen Trainern. Es blitzt zwar immer wieder sein technisches Genie auf, das er aber in seiner Karriere nie wirklich nachhaltig über längere Zeit unter Beweis stellen konnte.
Borussia ging damals einen anderen Weg, investierte nicht unerheblich viel Geld in eine Vertragsverlängerung und ernannte den Ex-Düsseldorfer zum Vize-Kapitän. Ein solch gewagtes Commitment zu einem leistungsschwankenden Spieler, der zuvor nicht gerade durch überragende Führungsqualitäten aufgefallen war, zeugt je nach Sichtweise von großem Mut oder Naivität. Nach fast zwei Jahren lässt sich festhalten, dass die Wette nicht aufgegangen ist. Daran ändert die starke Einzelpartie vom Samstag wenig, wenn ihr nicht in den kommenden Wochen und Monaten weitere konstante Hochleistungen folgen. Die Probleme, die Seoane offensichtlich bis zur vergangenen Woche gesehen hat, werden aller Voraussicht nach nicht über Nacht verschwunden sein. Von daher ist damit zu rechnen, dass Reitz und/oder Sander nach ihrer Genesung wieder den Vorzug vor Borussias Edelreservisten erhalten werden.
Ein Wechsel noch in dieser Transferperiode hätte grundsätzlich für beide Seiten Sinn gemacht. Ob dies allerdings in dieser Woche immer noch so gegolten hätte, darüber darf man streiten, denn Borussias Breite ist bei weitem nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren. Beim Verkauf eines Spielers wäre eine direkte Nachfolge nahezu alternativlos gewesen. Deshalb ist es insgesamt zu begrüßen, dass der vom Boulevard kolportierte Wechsel zu Besiktas Istanbul offensichtlich doch nicht stattfinden wird.
Im kommenden Sommer, wenn mit Jens Castrop eine weitere talentierte Alternative im zentralen Mittelfeld in den Borussia-Park wechselt, sieht die Situation anders aus. Nachdem der Verein die aktuelle Transferperiode unverständlicherweise ereignislos hat verstreichen lassen, sollte der Kader dann entscheidend weiterentwickelt werden. Neben Neuhaus und ggf. Elvedi, denen beide eine Luftveränderung guttun würde, sollte versucht werden, für Cvancara und Ngoumou einen möglichst zahlungskräftigen Abnehmer zu finden. Bei guten Angeboten sollte zudem über einen Verkauf von Netz und Scally ernsthaft nachgedacht werden, auch wenn sich der US-Amerikaner in den letzten Wochen ein wenig stabilisiert hat.
Nach erfolgreichen vier Punkten aus den vermeintlich aussichtslosen Partien gegen Stuttgart und Frankfurt muss die Mannschaft nun versuchen, den guten Trend der letzten Wochen gegen vermeintlich leichtere Gegner fort- und sich so in der oberen Tabellenhälfte festsetzen. Mit Union Berlin und dem FC Augsburg warten allerdings zwei unbequeme Mannschaften, gegen die Borussia in den vergangenen Jahren oft nicht so gut aussah. In diesen Partien wird sich zeigen, wie weit die Mannschaft schon in dieser Saison ist. Werden dann noch im Sommer die oben genannten Spieler durch talentierte Alternativen ausgetauscht und schaffen zusätzlich ein bis zwei Talente den Sprung in den Profikader, so wäre tatsächlich so etwas wie eine Entwicklung erkennbar, die Hoffnung auf eine wieder bessere Zukunft geben könnte.