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Corona-Zoff mit Bäcker: Erbacher Bürgermeister nach Drohungen unter "Polizeischutz"

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		Corona-Zoff mit Bäcker:  Erbacher Bürgermeister nach Drohungen unter

Von Alexander Albrecht

Erbach. "Es sind schon wieder welche da", sagt Peter Traub und blickt aus dem Fenster seines Büros. Vor dem Erbacher Rathaus haben sich an diesem Montagabend die ersten Demonstranten formiert, "Spaziergänger", wie sie sich selbst nennen. Querdenker, Impfkritiker und Menschen, denen die staatlichen Corona-Maßnahmen entschieden zu weit gehen. Traub, der Bürgermeister des Odenwaldstädtchens, geht von einem friedlichen Verlauf der Aktion aus. Dabei kennt der 65-Jährige auch die radikalen Auswüchse des Protests und sah sich mit heftigen Drohungen konfrontiert.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf in den beiden Geschäften mit angeschlossenen Cafés eines Bäckermeisters im Ort. Alexander Knierim habe sich vor Corona "völlig normal und unauffällig" verhalten, erinnert sich Traub. Was sich mit dem Ausbruch der Pandemie, Lockdowns und Schutzauflagen jedoch änderte. Zunächst beschwerten sich andere Erbacher Bäcker im Rathaus. Knierim würde sich im Gegensatz zu ihnen nicht an die Regeln halten, hieß es. Mehrere Besuche von Mitarbeitern des Gesundheitsamts des Odenwaldkreises ab Oktober 2021 bestätigten das. Knierim habe sich geweigert, ein Hygienekonzept vorzulegen, weder er noch sein Personal hätten Masken getragen, so Traub.

Hinweise der Behörde, dass man die Geschäfte gegebenenfalls schließen werde, ignorierte er. Mehr noch: Laut eines Bericht des "Spiegel" soll Knierim in einem Schreiben die Autorität der Polizei und des Gesundheitsamts angezweifelt und von ihnen verlangt haben, ihre Legitimation nachzuweisen. "Solche Aussagen kennt man eigentlich nur aus der Reichsbürgerszene", sagt Traub.

Knierim stellte auf RNZ-Anfrage eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen ihn in Aussicht – löste das Versprechen allerdings nicht ein. Das Gesundheitsamt machte dagegen seine Ankündigung damals wahr und schloss seine Geschäfte am 25. November. Rot-weiße Bänder flatterten an den Eingangstüren, Polizisten stellten sich vor die Gebäude. Noch am selben Abend machten Mitglieder und Aktivisten der Telegram-Gruppe "FREEodw" mobil und solidarisierten sich vor Ort mit dem Bäckermeister. Manche Teilnehmer betraten gar die Geschäfte. Am nächsten Tag brachten Behördenmitarbeiter Amtssiegel an. In den Telegram-Chats mischte sich auch Jörg L. ein und rief unverhohlen zu Drohungen und Einschüchterungen gegen Peter Traub und seine Familie auf. "Der darf keine ruhige Minute mehr haben", zitiert der "Spiegel" aus einer seiner Nachrichten. Die Gruppe schloss ihn aus.

Jörg L. ist kein Unbekannter. Kurz bevor er sein Mandat als Mitglied der AfD-Kreistagsfraktion aufgab, hetzte er in Sozialen Netzwerken gegen die Odenwälder SPD ("rote Ratten") und die Grünen ("Biomüll") und schrieb: "Nicht einmal die NPD ist mir rechts genug." Ein Gericht stellte das Verfahren gegen eine Geldstrafe von 300 Euro ein. Ob Jörg L. noch einmal so glimpflich davonkommt, ist fraglich.

Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Südhessen in Darmstadt bestätigt im Erbacher Fall Ermittlungen des Staatsschutzes gegen einen 60-Jährigen. Nach RNZ-Informationen handelt es sich um Jörg L. Die Recherchen sind nach Angaben der Sprecherin noch nicht abgeschlossen. Wenn das der Fall ist, gingen die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft zu, die über die weiteren juristischen Schritte entscheide.

Mit den Folgen der Drohungen müssen Peter Traub und seine Familie bis heute leben. Die Polizei fährt regelmäßig an ihrem Wohnhaus vorbei. "Es hat mich auch nicht kaltgelassen, als die Beamten bei mir zu Hause schauten, wie es um den Objektschutz bestellt ist", sagt der Bürgermeister. Angst habe er keine, "ich bin allerdings vorsichtiger geworden", so Traub. "Und ich wünsche mir noch mehr Solidarität für unsere Anliegen."

Traub hofft, dass Knierim zur Vernunft kommt. Immerhin legte der Bäckermeister Ende vergangenen Jahres innerhalb weniger Tage das geforderte Hygienekonzept vor. Bereits am 1. Dezember durfte er wieder seine Geschäfte öffnen. Der Rathauschef hat allerdings von einbrechenden Umsätzen erfahren. Und das gefällt ihm gar nicht. Als Bürgermeister einer 14.000-Einwohner-Stadt habe er kein Interesse daran, dass zwei Geschäfte "vor die Wand gefahren werden."

Traub spricht sich gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Diese würde die Gegner und Kritiker in ihrer Sicht bestärken, zwei Jahre lang von der Politik angelogen worden zu sein. Und Traub fürchtete eine Radikalisierung, wenn Querdenker Bußgelder nicht zahlten, ins Gefängnis wanderten und zu Märtyrern stilisiert würden.

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