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Heidelberg: Nur zwei Ärztinnen bieten Schwangerschaftsabbrüche aus sozialen Gründen an

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		Heidelberg:  Nur zwei Ärztinnen bieten Schwangerschaftsabbrüche aus sozialen Gründen an

Von Julia Lauer

Heidelberg. Mal liegt es an der nicht abgeschlossenen Ausbildung, dass Frauen das Kind, das in ihrem Körper heranwächst, nicht austragen wollen. Mal ist es eine instabile Partnerschaft, weshalb sie sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden. Wiederum andere haben bereits Kinder und betrachten ihre Familienplanung als längst abgeschlossen. "Bundesweit finden in Deutschland rund 100.000 Abbrüche jährlich statt, davon 9000 in Baden-Württemberg. Für Heidelberg sind mir keine Zahlen bekannt", berichtet die Sozialpädagogin Kirsten Schmitz, die bei Pro Familia unter anderem für die Schwangerschaftskonfliktberatung zuständig ist.

In den Räumlichkeiten über dem Einrichtungshaus "Depot" in der Heidelberger Hauptstraße berät sie mehrmals die Woche Frauen, die mit ihrer Schwangerschaft im Konflikt stehen. Mit rund 96 Prozent habe der Großteil der Abbrüche soziale Gründe, erzählt sie. Die Frauen kommen aus der Stadt wie auch aus dem Umland, und in vielen Fällen, erzählt Schmitz, hätten sie sich schon vor der Beratung entschieden: Sie wollen kein Kind und deshalb den Schein, den sie für den Abbruch der Schwangerschaft brauchen.

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche strafbar. Das regelt Paragraph 218 des Strafgesetzbuchs – seit genau 150 Jahren. Der Paragraph war Teil des Strafgesetzbuchs, das am 15. Mai 1871 erlassen wurde. All diejenigen, die an einem Schwangerschaftsabbruch beteiligt sind, riskieren seither Strafen. Zur Zeit von Kaiser Wilhelm drohten einer Frau für einen Abbruch bis zu fünf Jahre Zuchthaus. Und auch heute noch muss sie mit Strafen rechnen, mit bis zu einem Jahr Haft.

Straffreiheit sieht das Recht in Ausnahmefällen vor: wenn die Gesundheit der Frau auf dem Spiel steht oder die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt wie einer Vergewaltigung beruht. Doch auch, wenn die Frau das Kind aus anderen Gründen nicht möchte, ist ein straffreier Abbruch möglich – sofern seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind und sie mindestens drei Tage vor dem Eingriff ein Gespräch in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle geführt hat. In Heidelberg bieten Pro Familia, das Diakonische Werk, Donum Vitae und das Internationale Frauenzentrum diese Beratung an.

Im Gespräch geht es um die gesetzlichen Grundlagen, um die Ursachen des Konflikts, Thema ist auch immer, ob es Alternativen zum Abbruch geben kann. Im Mittelpunkt stehe immer die selbstbestimmte Entscheidung der Frau. "Wir führen das Gespräch, und ich stelle die Bescheinigung aus. Ich erfahre in der Regel nicht, wie sich die Frauen am Ende entscheiden", sagt Schmitz. In der Beratung erfahren die Schwangeren auch, wer den Eingriff vornimmt. Denn das herauszufinden, ist auch im Internetzeitalter gar nicht so einfach. Und das gilt sogar für eine Medizinstadt wie Heidelberg.

Heidelberger Krankenhäuser in christlicher Trägerschaft wie etwa das Sankt-Josefskrankenhaus in der Weststadt nehmen keine Abtreibungen vor. Aber auch das Universitätsklinikum, das zu den größten medizinischen Zentren Deutschlands zählt, bietet keine Schwangerschaftsabbrüche an – zumindest nicht nach der Beratungsregelung.

"Am Universitätsklinikum Heidelberg werden Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, eine für die Schwangere dringend lebensgefährliche Situation abzuwenden – dies stellt im Alltag eine äußerst seltene Situation dar", teilt eine Sprecherin mit. Auch in Fällen, in denen das ungeborene Kind eine sehr schwere, tödliche Krankheit habe, könne ein Abbruch in Betracht gezogen werden – etwa bei sehr schweren Fällen von Trisomien, bei denen zum Beispiel ein Herzfehler hinzukommt, der ein eigenständiges Leben außerhalb des Mutterleibes verhindert. 2019 seien 37 Schwangerschaften am Uniklinikum abgebrochen worden.

Auch in den Fällen, in denen die Frauen die Schwangerschaft aus anderen Gründen beenden möchten, müssen sie außerhalb des Universitätsklinikums nach Unterstützung suchen. Denn das Klinikum bietet keine Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung an. Die Begründung: "Die Kolleginnen und Kollegen machen von ihrem individuellen Recht Gebrauch, sich gegen die Durchführung eines Eingriffs zu entscheiden." Die Klinikleitung, die bei Christof Sohn liegt, nehme dieses Recht wahr, und eine aktuelle anonyme Umfrage habe ergeben, dass dies auch weiterhin der Haltung der Ärzteschaft entspreche.

Es ist die Aufgabe der Länder, für Schwangerschaftsabbrüche nach der Konfliktberatung ein ausreichendes Angebot sicherzustellen. Das sieht das Schwangerschaftskonfliktgesetz vor. "Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine zentralistische Steuerung", erklärt ein Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums auf Anfrage der RNZ. Zur Sicherung und Verbesserung der Versorgungslage arbeite man mit den zuständigen Akteuren zusammen – insbesondere mit den Vertretungen der niedergelassenen Ärzte, der Krankenhäuser und der Universitätskliniken.

Abbrüche ja oder nein? Die Unikliniken des Landes gehen mit dieser Frage unterschiedlich um, wie Anfragen vor Ort ergeben. Auch das Universitätsklinikum Freiburg nimmt Abbrüche fast ausschließlich nach medizinischer Indikation vor. Die Unikliniken Tübingen und Mannheim aber nehmen sich auch der Abbrüche an, die in die Kategorie der sozialen Indikation fallen. "Das Universitätsklinikum Mannheim steht Schwangeren bei Abbrüchen wegen medizinischer Indikationen ebenso zur Seite wie bei Abbrüchen nach der Beratungsregelung", erklärt ein Sprecher. Anfragen erreichten die Frauenklinik auch über die Mannheimer Stadtgrenzen hinaus. Allerdings würden Abbrüche nach der Beratungsregelung meist von niedergelassenen Gynäkologen ambulant durchgeführt.

Nun ist Mannheim nah, und Gleiches gilt für Frauenarztpraxen in anderen Städten der Region, die einen operativen Abbruch anbieten. "Im Rhein-Neckar-Kreis ist die Versorgung im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland noch immer ganz gut", sagt Kirsten Schmitz. Gleichwohl habe sich die Versorgung in den vergangenen Jahren verschlechtert: Immer weniger Ärzte böten den Abbruch an. "Die Nähe zum Strafrecht und der kritische Blick der Gesellschaft sorgen dafür, dass das kein attraktives Arbeitsfeld ist."

Einen Richtwert, wonach auf eine bestimmte Einwohnerzahl ein Arzt kommen sollte, der Abbrüche anbietet, gibt es nicht. Bundesverfassungsgericht und Bundesgesetzgeber sähen vor, dass eine Einrichtung, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführt, binnen eines Tages erreichbar sein soll, heißt es beim Sozialministerium in Stuttgart. Das ist überall in Baden-Württemberg der Fall, im Umkreis von Heidelberg sowieso. Ist die Lage vor Ort also doch nicht so schlecht?

"Die Distanzen sind nicht weit, und in manchen Fällen ist es auch kein Problem, dorthin zu fahren", sagt Nora Bretschi, die Frauen mit Schwangerschaftskonflikten beim Diakonischen Werk in Heidelberg berät. Schwierig könne es werden, wenn man niemanden habe, der einen zu dem Eingriff begleitet; nach einem operativen Eingriff dürfe man zum Beispiel nicht Auto fahren, und nicht jede Frau fühle sich in der Lage, nach einem Abbruch der Schwangerschaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Je weiter die Reise, desto komplizierter wird es beispielsweise auch für Frauen, die bereits Kinder haben. Sie müssen erst einen Babysitter organisieren. "Dazu kommt: Ein Abbruch ist ohnehin oftmals eine Ausnahmesituation", fügt ihre Kollegin Elisa Perez hinzu.

Nicht alle wollen diese Versorgungslage hinnehmen. "Wir waren der Meinung, dass es nicht sein kann, dass Frauen nach Ludwigshafen, Bad Schönborn oder Mannheim fahren müssen", erzählt eine niedergelassene Gynäkologin am Telefon – zumal Heidelberg schließlich Universitätsstadt sei, in der viele junge Frauen leben. Nachdem ein Arzt, der operative Schwangerschaftsabbrüche in Heidelberg anbot, in Rente ging und seine Praxis schloss, habe es im Stadtgebiet keine Möglichkeit mehr zum Abbruch gegeben. "Wir fanden, dass das nicht geht."

Die Ärztin beschloss daraufhin, Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis anzubieten. "Seit dem vierten Quartal 2018", berichtet sie. Heute sind es zwei Gynäkologinnen im Stadtgebiet, die Abbrüche vornehmen – nicht in Form eines chirurgischen Eingriffs, dazu fehlen ihnen die Möglichkeiten, aber medikamentös. Der Ärztin will anonym bleiben. Auch auf der Homepage ihrer Praxis ist diese Leistung nicht erwähnt. Zwar erlaubt das Gesetz neuerdings Medizinern, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, darüber zu informieren. Aber die Abgrenzung zur Werbung bleibt schwierig, das Thema somit heikel.

Im Schnitt zwei Frauen zwischen 17 und Mitte 40 suchen sie jede Woche mit dem Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch auf, erzählt die Gynäkologin. Es gebe durchaus dramatische Fälle. "Aber wenn sich eine Frau für den Abbruch entschieden hat, überrede ich sie nicht. Es ist ihre Entscheidung."

Die Gynäkologin lässt sich den Beratungsschein vorlegen und überprüft per Ultraschall, dass die Fristen gewahrt sind. Dann gibt sie den Frauen eine weiße Tablette, Mifegyne. Die Tablette beendet die Schwangerschaft, der Embryo entwickelt sich nicht weiter und stirbt. Ein weiteres Medikament, Cytotec, löst dann die Abbruchblutung aus. Der Muttermund öffnet sich, die Schwangerschaft blutet ab.

"Auch in der Frühschwangerschaft ist das schmerzhaft", sagt die Ärztin. Manche Frauen hätten ihr zurückgemeldet, dass sie diesen Weg deshalb nicht noch einmal gehen würden. Ein Abschied erfordere sicher keine Schmerzen, meint die Ärztin, doch für manche Frauen könnten sie Teil des Abschieds sein. Die meisten Frauen seien jedoch dankbar, diesen Weg so gehen zu können.

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