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Kreisimpfzentrum Sinsheim: Astra-Zeneca ist nicht jedermanns Sache

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		Kreisimpfzentrum Sinsheim:  Astra-Zeneca ist nicht jedermanns Sache

Von C. Barth und T. Kegel

Sinsheim. Die Seniorin Irmgard Hagmaier ist Asthmatikerin und zählt bei einer Infektion mit dem Sars-Cov 2-Virus zur Risikogruppe für schwere Verläufe. Die 79-Jährige hatte einen Impftermin im Sinsheimer Kreisimpfzentrum vereinbart, wo man ihr ausschließlich den Impfstoff des Herstellers Astra-Zeneca anbot. Aufgrund von dessen Vorgeschichte lehnte Hagmaier ab.

Zum Hintergrund: Der Vektorimpfstoff war wegen in der Summe zwar seltener, allerdings schwerer Nebenwirkungen und Todesfällen in die Schlagzeilen geraten. Bis 2. April waren in Deutschland laut Berichten des Paul-Ehrlich-Instituts 42 Verdachtsfälle einer Hirnvenenthrombose in Verbindung mit Astra-Zeneca gemeldet worden; in 23 Fällen zusätzlich ein Mangel an Blutplättchen. Inzwischen ist von 55 Thrombosefällen die Rede sowie von elf Todesfällen in Verbindung mit Astra-Zeneca. Nachdem überwiegend jüngere Menschen, darunter viele Frauen, betroffen waren, wurde die Impfung des Stoffs kurz ausgesetzt und dann beschlossen, das zunächst für Personen unter 60 Jahre vorgesehene Vakzin fortan nur noch Über-60-Jährigen zu verabreichen. Zwar kommen jüngste Studien zum Schluss, dass das Risikopotenzial der Corona-Impfstoffe vergleichbar und eher gering sei. Irmgard Hagmaier war dennoch besorgt.

Verständnis bei der Seniorenbeauftragten der Stadt Sinsheim: "Ich kann verstehen, wenn die Senioren verunsichert sind", sagt Dr. Maria Bitenc, zumal es darunter viele Personen mit Vorerkrankungen wie Thrombosen oder Schlaganfällen gebe. Bei der städtischen Impfaktion – mit 420 Terminen zu Beginn des Monats im Kreisimpfzentrum – hätten viele die Impfung abgelehnt; oft mit der Begründung, sich lieber vom Hausarzt impfen zu lassen. Zum Einsatz gekommen war bei der Aktion ausschließlich Astra-Zeneca. "Der zugeteilte Impfstoff hat dazu geführt, dass Personen, denen wir die Impfung angeboten haben, abgelehnt haben", sagt Bitenc. Die Seniorenbeauftragte spricht zwar von "einer Minderheit", andererseits von einem "erheblichen Prozentsatz".

Hinzu komme, dass viele Senioren mit modernen Medien nicht vertraut sind. Manchmal hätten "auch die Kinder ihren Eltern geraten, nicht zur Impfung mit dem Astra-Zeneca-Stoff zu gehen", glaubt Bitenc. Die Entscheidung zum Impfangebot müsse "jeder Mensch für sich selbst treffen". Bitenc begrüßt die Impfung beim Hausarzt: "Er kann gezielt auf Bedenken eingehen."

Wenig Auskunft geben kann Bitenc über Impfstoffe im Impfzentrum des Kreises: "Wir haben keine direkte Verbindung zum Impfzentrum." Bei Nachfragen könne sie nur auf Erfahrungen aus dem Alltagsgeschäft verweisen, etwa bei der Online-Buchung. Zwar erfahre man den Impfstoff erst, wenn die zwei Impftermine bestätigt werden – allerdings könne man anhand des zeitlichen Abstands zwischen Erst- und Zweittermin herausdeuten, ob die Wahl auf Astra-Zeneca oder einen anderen Impfstoff fällt. Bei ersterem lägen zwölf Wochen zwischen der ersten und zweiten Spritze; Biontech und Moderna würden in kürzerem Abstand gespritzt.

"Grundsätzlich keine Wahl des Impfstoffs" bestehe bei einer Impfung in den Impfzentren, heißt es beim baden-württembergischen Ministerium für Soziales und Integration. Dies sei "von Anfang an so" gewesen und sei in der aktuellen Situation, in der "viel zu wenig" Impfstoff bereitstehe, "auch nicht anders möglich", wie Sprecherin Claudia Krüger schildert: Das Astra-Zeneca-Vakzin sei "ein zugelassener, sicherer und wirksamer Impfstoff". Die Ständige Impfkommission habe in deren aktualisierter Empfehlung "deutlich gemacht", dass bei Über-60-Jährigen der Nutzen einer solchen Impfung die Risiken weit übersteige. Die Behörde rate "jedem über 60, eine Impfung wahrzunehmen, wenn ein Termin buchbar ist". Dass in Sinsheim vor allem Termine mit Astra-Zeneca angeboten werden, liege daran, dass dieser Impfstoff verfügbar sei. Hier habe es "vor Kurzem eine sehr große Lieferung" gegeben, wodurch "Minderlieferungen im März ausgeglichen" worden seien. Das Biontech-Vakzin hingegen sei in den meisten Impfzentren knapp. Weil Zweitimpfungen unter 60-Jähriger, die zuvor mit Astra-Zeneca geimpft wurden, nun mit Vakzinen von Biontech und Moderna vorgenommen werden könnten, seien Impfzentren zurückhaltend mit der Terminvergabe für jene Impfstoffe.

Ein weniger einheitlicher Eindruck entsteht beim Blick auf die Impfaktionen in den umliegenden Gemeinden: In Angelbachtal wurden kürzlich zahlreiche Bürger ab dem Alter von 80 Jahren mit Biontech geimpft; in mehreren anderen Umlandgemeinden wurde Moderna verabreicht. Und auch in Sinsheim erhielten Senioren kurz nach Beginn der Impfungen Biontech.

Irmgard Hagmaier hat ihren Termin storniert und sich einen neuen im Zentralen Impfzentrum in Heidelberg zuteilen lassen. In der Terminbestätigung ist der Impfstoff genannt: Biontech. Damit gehört sie zu einer Reihe von Personen, die bei der Buchung von Impfterminen mehrgleisig fahren. Wer bereit sei, viel Zeit und Wissen in Online-Terminanfragen zu investieren, Termine in weiter entfernten Impfzentren in Kauf zu nehmen und Terminzusagen gewissenhaft ab- oder zusage, der könne durchaus auf den gewünschten Impfstoff hinwirken. So schildern es mehrere Quellen vertraulich, die in ähnlicher Weise vorgegangen waren und letztendlich mit dem Impfstoff ihrer Wahl versorgt worden seien.

Eine Zurückhaltung bei Astra-Zeneca will man beim Gesundheitsamt nicht erkennen: "Nach den Verwirrungen um den Impfstoff" des Herstellers hätten sich Befürchtungen, auf dem Vakzin sitzen zu bleiben, "nicht erfüllt", wie Gesundheitsdezernentin Doreen Kuss sagt. Kreisweit seien zwischen dem 5. und 11. April von 4650 geplanten Astra-Zeneca-Impfungen 3150 verabreicht worden. Bei 1500 seien die Termine entweder abgesagt worden, sagt Kuss, "oder es konnte nach Ablehnung einer Impfung mit Astra-Zeneca direkt auf einen anderen Impfstoff umgebucht werden". Kriterium hierzu sei "hauptsächlich das Alter" der Geimpften gewesen. Es habe auch Personen gegeben, die sich nach einer Aufklärung vor Ort "aus verschiedenen Gründen" für eine Umbuchung auf einen anderen Impfstoff entschieden hätten.

177.027 Impfungen hatte es zum vergangenen Wochenende im Kreis gegeben, von denen 96.122 in Heidelberg, 31.447 von Impfteams, 32.402 in Weinheim und 17.056 in Sinsheim verabreicht wurden. Im Kreisimpfzentrum Weinheim sind bis zu 1000 Impfungen pro Tag möglich, in Sinsheim bis zu 500 Impfungen pro Tag.

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