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Heidelberg: Weil Juden und Muslime mehr verbindet als der Nahostkonflikt

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		Heidelberg:  Weil Juden und Muslime mehr verbindet als der Nahostkonflikt

Von Helen Moayer Toroghy

Heidelberg. "Das hier benutzen wir für gemeinsame Aufnahmen, die sind im Moment aber leider nicht möglich", sagt Beyza Arslan und zeigt auf eines der Mikrofone. Im Dachgeschoss der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg hat die junge Frau ihren Arbeitsplatz, drei Mikrofone stehen dort nebeneinander im Regal. Nach dem Masterstudium hat sie sich auf das Projekt an der Hochschule beworben – jetzt ist sie fester Bestandteil des Podcasts "Mekka und Jerusalem".

Recherchen, Interviews und Audiobearbeitung: Das ist seit Anfang vergangenen Jahres der Kern ihrer täglichen Arbeit. Arslan ist eine von drei Hauptverantwortlichen des Podcasts, den die Hochschule für Jüdische Studien in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk, der Universität Heidelberg und der Goethe Universität Frankfurt produziert. Im Podcast werden die jüdisch-muslimischen Beziehungen möglichst facettenreich beleuchtet.

Beyza Arslan beschreibt sich als kontaktfreudige Person, die den Austausch mit Menschen genießt und braucht. Und so erlebt man die selbstbewusste junge Frau auch. Sie ist im hessischen Hanau geboren, lebte später in Heusenstamm und zog von dort für das Studium der Interkulturellen Kommunikation nach Heidelberg. Früh war ihr klar, dass sie etwas Geisteswissenschaftliches studieren wollte. Was genau, das habe sich aber eher zufällig ergeben. Als Studentin musste sie erst lernen, sich zurechtzufinden. Ihre Großeltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland, und auch ihre Eltern haben nicht studiert. Sie und ihre ältere Schwester waren in ihrer Kernfamilie die ersten, die den Schritt an die Universität wagten. Unterstützung und Rückenwind habe sie von ihrer Familie dabei immer bekommen. "Ich komme zwar aus einer Nicht-Akademiker-Familie, aber Bildung hat bei uns immer eine Rolle gespielt", erinnert sie sich. Die Wertschätzung aller Menschen ist ihr wichtig, schließlich sage ein Studium noch nichts über die sozialen Kompetenzen oder das Allgemeinwissen aus: "Viele Menschen messen andere an ihrem Uniabschluss – das finde ich nicht richtig", sagt sie.

Ihre aufgeschlossene und freundliche Art wird auch von ihren Kollegen geschätzt: "Sie ist innovativ, teamorientiert und hat ein ausgesprochenes Kommunikationstalent – Beyza einzustellen war ein Glücksgriff", sagt Frederek Musall, Professor für Jüdische Philosophie und Ideengeschichte. Er kann sich seine Kollegin in Zukunft auch in einem öffentlich-rechtlichen Format vorstellen.

An der Wand über ihrem Schreibtisch hängen bunte Postkarten von der Künstlerin Hatice Çevik. In ihrer Freizeit betätigt sich Beyza Arslan auch selbst künstlerisch mit moderner Kalligrafie. Außerdem liest sie gerne: "Ich setze mir jedes Jahr ein Lese-Ziel, letztes Jahr waren es 35 Bücher", erinnert sich die 25-jährige Podcasterin. Neben Romanen liest sie auch gerne gesellschaftspolitische Bücher. Besonders beeindruckt habe sie das Buch "Educated" von Tara Westover mit dem deutschen Titel: "Befreit. Wie Bildung mir die Welt erschloss". Das Buch behandelt den Bildungsweg einer Frau, die lange nicht zur Schule gehen durfte, es dann aber an Top-Universitäten wie Harvard schaffte.

"Das zeigt eben auch, dass nicht nur Menschen aus einem Akademiker-Umfeld studieren können", sagt Arslan. Sie beobachtet, dass viele junge Menschen, oft Frauen, nicht an ihre Fähigkeiten glauben: "Sie denken, sie seien nicht gut genug – aber eigentlich sind sie das, sie sind gut und kompetent genug", sagt Beyza und hofft auf noch mehr Sichtbarkeit starker Frauen in der Gesellschaft.

Am liebsten verreist sie nach New York: "Dort konnte ich das Gefühl von Anonymität sehr genießen, das mir in Deutschland manchmal fehlt", erzählt sie über ihr Auslandssemester. Denn wegen ihres Kopftuchs ist sie in Seminaren oder Vorlesungen oft aufgefallen. Das sei nicht immer leicht gewesen, erinnert sich die junge Frau mit den leuchtenden Augen.

"Mein größter Traum ist es, dass wir die gesellschaftliche Diversität nicht als Bedrohung wahrnehmen, sondern als Chance", sagt sie. Deshalb liegt ihr der Podcast auch so sehr am Herzen. "Die meisten Menschen verbinden mit jüdisch-muslimischen Beziehungen den Nahostkonflikt, wir versuchen, ein vollständigeres Bild zu zeigen." Deshalb verfolgt der Podcast das Ziel, Vorurteile zwischen und gegenüber beiden Gruppen aufzubrechen und ihre Diversität abzubilden. Die Themen reichen von Speisegeboten wie "koscher" und "halal" bis zu Sprache, Geschichte und vielem mehr.

Arslan findet, es bräuchte mehr solcher Formate an den Universitäten. Denn sie hätten das Potenzial, einem breiteren Publikum Wissenschaft zugänglich zu machen. Eine Gefahr in der Gesellschaft sieht sie nämlich darin, dass Studierte zunehmend in ihrer eigenen Welt leben und den Zugang zur "echten Welt" verlieren. "An den Universitäten passiert noch zu wenig", sagt sie.

Info: Den Podcast "Mekka und Jerusalem" gibt es im Internet unter: www.hfjs.eu/mekka_jerusalem/episoden.html. Folge Sieben des Podcasts erschien diese Woche und behandelt jüdisch-muslimische Verflechtungen in der Philosophiegeschichte. Der Podcast wird gefördert durch die Volkswagen-Stiftung.

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