Fußball
News melden
Nachrichten

"Mehr Demokratie": Zwei Angelbachtaler wurden für den Bürgerrat ausgelost

0 7

Von Friedemann Orths

Angelbachtal. Bekommt der Bundestag bald Rat aus der 5100-Einwohner-Gemeinde im Kraichgau? Wird in Berlin dann über Vorschläge von Brigitte Seckinger und Fabian Zimmer aus Eichtersheim abgestimmt? Wohl eher nicht, aber die beiden Angelbachtaler waren zwei von 160 Menschen, die zufällig ausgewählt wurden, beim Bürgerrat zum Thema "Deutschlands Rolle in der Welt" mitzumachen. Bei der Aktion, die vom Bundesverband "Mehr Demokratie" und der Initiative "Es geht LOS" unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen wurde, haben sich "ganz normale" Bürgerinnen und Bürger zu vorgegebenen Themen ausgetauscht und darüber diskutiert. Die Ergebnisse und Empfehlungen werden dem Bundestag am 19. März präsentiert.

"Das war anstrengend", resümiert Seckinger. Insgesamt rund 50 Stunden hat sie zwischen dem 13. Januar und dem 20. Februar gemeinsam mit Zimmer und den 158 anderen in kleineren und größeren Gruppen diskutiert, hat Vorträgen von Experten gelauscht und auch mal ein bisschen gestritten – an zehn Terminen, immer mittwochs und samstags. Die jüngste Teilnehmerin ist 17 Jahre alt, der Älteste 90. Diesem Mann sei es aber zu viel geworden, und er sei dann ausgeschieden, berichtet Seckinger. Die Rentnerin hat zwar mehr Zeit zur Verfügung als Berufstätige, dennoch ist sie froh, dass es jetzt vorbei ist.

Für Zimmer waren die Termine "eine willkommene Abwechslung". Der Meister für Bäderbetriebe ist wegen der Corona-Pandemie sowieso in Kurzarbeit. Aber da er erst vor wenigen Wochen Vater von Zwillingen geworden ist und eine Tochter im Schulalter hat, ist er froh, dass ihm seine Frau "den Rücken gestärkt hat", während er mittwochs von 18 bis 21 und samstags von 9 bis 17 Uhr vor dem Computer saß. Abends hat er manchmal während der Pause seine Kinder gefüttert.

Ein Wort, das die beiden, die sich erst über den Bürgerrat kennengelernt haben, aber immer wieder sagen, ist "stolz". Sie sind stolz, die "durchgetakteten" Termine, Vorträge und Diskussionen "von der ersten bis zur letzten Minute" durchgezogen zu haben. Am Anfang war ihr schon mulmig, erzählt Seckinger. Die 66-Jährige war nicht sicher, ob sie der Aufgabe überhaupt gewachsen sein würde. Sie hat sich dann alles aus der RNZ ausgeschnitten, was auch nur im Entferntesten mit dem Thema ihrer Arbeitsgruppe zu tun hatte. Ihre Tochter hat sie schließlich überzeugt. Die habe zu ihr gesagt: "Mama, du bist eine von 160, die da ausgelost wurden." Diese Chance wollte sich auch Zimmer nicht entgehen lassen. Auch darauf sind die beiden stolz: dass sie unter so vielen potenziellen Teilnehmern ausgelost wurden und "ihr" Angelbachtal vertreten durften.

Organisation höchstprofessionell

Insgesamt waren 57 Städte und Dörfer aus allen Bundesländern dabei, nur in Mecklenburg-Vorpommern hatte sich kein Freiwilliger gefunden. Seckinger weiß das alles so genau, weil sie sich penibel alles aufgeschrieben hat. Ihre Protokolle hat die ehemalige Bankangestellte in einem gelben Ordner abgeheftet, aus dem sie immer wieder zitiert: Da hat sie sich sogar mal mit Fans von Borussia Dortmund angelegt, hat mit ihnen über die Bundesliga-Duelle zwischen dem BVB und der TSG Hoffenheim geflachst – da habe sie der Moderator der Sitzung mal kurzzeitig stummgeschaltet, erzählt Seckinger und lacht.

Trotz der manchmal auch komplizierten Vorträge und Aufgabenstellungen haben sich Seckinger und Zimmer immer wohlgefühlt. Die Organisation der Aktion sei "höchstprofessionell" gewesen, sagt Zimmer. Der 33-Jährige kennt sich besser mit der Technik aus als Seckinger, aber wenn es irgendwo mal Probleme gab, habe man sofort technische Unterstützung bekommen. Sogar um Kinderbetreuung für Leute, die diese benötigt hätten, habe sich der Verein gekümmert. Es wurde dafür gesorgt, dass wirklich jeder teilnehmen konnte. Sogar Dolmetscher standen bereit, erzählt Seckinger.

Sie und Zimmer waren der Arbeitsgruppe "Nachhaltige Entwicklung" zugeteilt. Weitere Themenfelder waren "Wirtschaft und Handel", "Europäische Union", "Frieden und Sicherheit" sowie "Demokratie und Rechtstaatlichkeit". Zunächst gab es Vorträge von Wissenschaftlern, Experten oder auch einer Pastorin, in den Kleingruppen wurde dann gearbeitet. Und so sind am Ende 32 Empfehlungen herausgekommen. Man habe sich "wirklich auf die Sache konzentriert". "Wenn das im Bundestag auch so wäre", sagt Seckinger. Manche Vorträge seien schwierig zu verstehen gewesen, findet sie. Damit war sie nicht allein, aber man konnte immer Fragen stellen. Man hat sich "gut mitgenommen gefühlt". Und Spaß hat es beiden auch gemacht.

Bleibt nur noch die Frage, ob die ausgearbeiteten Leitlinien auch von "denen da oben" angenommen werden: Zimmer war "am Anfang sehr, sehr skeptisch". Aber dann habe man mit Politikern sprechen können, die sehr interessiert gewesen seien. "Ich denke schon, dass man sich das anschaut, aber dabei wird’s wohl bleiben", glaubt er trotzdem. Seckinger ergänzt: "Viele Politiker sind so arrogant, ich glaube das wird nix." Allerdings können beide deren Arbeit jetzt besser nachvollziehen. Oft sei das Wort "Zwickmühle" gefallen, in der sich die Beteiligten in der Politik befänden. "Was wir erarbeitet haben, ist ja nicht neu", weiß Zimmer. Und Seckinger fragt: "Wo soll das Geld herkommen?"

Aber beide interessieren sich jetzt mehr für Politik und hatten das Gefühl, gehört zu werden. Und sie sind sich einig: Sie würden es jederzeit wieder tun. Sie sind sich sicher: "Wir haben Angelbachtal würdig vertreten."

Загрузка...

Comments

Комментарии для сайта Cackle
Загрузка...

More news:

Read on Sportsweek.org:

Andere Sportarten

Sponsored