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Corona in Heidelberg: "Oh Gott, jetzt ist der erste Patient wirklich da"

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		Corona in Heidelberg:

Von Julia Lauer

Heidelberg. In Deutschland wurde am 27. Januar 2020 die erste Person positiv auf Corona getestet, in Heidelberg kam das Virus einen Monat später an – am 27. Februar. An jenem Tag vor einem Jahr erhielt ein Mann ein positives Testergebnis. Uta Merle, Professorin für Innere Medizin am Uniklinikum, nahm ihn tags darauf stationär auf. Sie erinnert sich im RNZ-Gespräch.

Der erste Heidelberger Covid-Patient kam im vergangenen Jahr am Aschermittwoch aus Südtirol zurück. Sie hatten damals als Ärztin am Universitätsklinikum mit ihm zu tun. Was war das für eine Situation, Frau Professor Merle?

Das war so einprägsam, ich erinnere mich bis heute an den Namen des Patienten. Im ersten Moment dachten wir schon: Oh Gott, jetzt ist der erste Patient wirklich da. Damit war das, worauf wir uns wochenlang eingestellt hatten, tatsächlich Realität. Dem Patienten ging es zu diesem Zeitpunkt noch ganz gut, er kam sogar zu Fuß zu uns in die Klinik. Wir haben ihn stationär aufgenommen und natürlich sofort isoliert, später haben wir ihn auf die Intensivstation verlegt.

Wie ging es weiter mit ihm?

Wir gaben ihm Sauerstoff, mussten ihn aber nicht beatmen. Insgesamt hat er sich gut erholt. Nach zwei Wochen konnten wir ihn nach Hause entlassen.

Was wussten Sie damals über die Krankheit, als Sie ihn aufgenommen haben?

Wir wussten, dass es sich bei Covid-19 um eine Lungenerkrankung handelt und hatten von erhöhten Entzündungswerten gelesen. Aber vieles war damals noch nicht klar: wie die Krankheit typischerweise verläuft, worauf man achten muss. Wir sahen Patienten, die stabil waren, und plötzlich ging es ihnen schlechter. Uns fehlte zu Beginn die Sicherheit, die wir bei anderen Krankheiten haben.

Sie leiten die Abteilung für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum. Haben Sie es dort öfter mit Patienten mit unbekannten Krankheiten zu tun?

An ungewöhnliche Fälle sind wir gewöhnt, wir sind auch auf sie vorbereitet. Trotzdem mussten wir in diesem Fall viele Überlegungen anstellen: Wie schützen wir uns, was ziehen wir an? Brauchen wir diese Art Raumanzüge wie die Ärzte in China? Reichen unsere Schutzbrillen, um uns vor eventuellen Infektionen über die Augen zu schützen?

Wie war das für Sie, hatten Sie Angst?

Ich hatte Respekt, das muss ich schon sagen. Wir mussten trainieren für eine komplett neue Versorgung, zumal es sich bei Covid-Patienten zum Teil um Notfallpatienten handelt. Das ist erst recht herausfordernd. Ein behandelnder Arzt braucht beispielsweise dringend etwas, aber der andere kann es aufgrund der Schutzvorkehrungen nicht einfach in den Raum bringen – an solche Dinge muss man denken.

Würden Sie denn im Umgang mit dem ersten Patienten heute etwas anders machen?

Da er im Verlauf der Erkrankung eine Verschlechterung zeigte und Luftnot bekam, würden wir ihn nach wie vor stationär aufnehmen, aber eben erst zum Zeitpunkt der Verschlechterung und nicht wie damals schon aufgrund des beginnenden Auftretens von milden Symptomen. Inzwischen wissen wir, dass sich der Zustand von Patienten typischerweise sieben Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome verschlechtert, das war uns damals noch nicht bewusst.

Sie haben kurze Zeit später das Corona-Taxi mit auf den Weg gebracht, um die Patienten in häuslicher Quarantäne im Auge zu behalten. Sogar die "New York Times" hat darüber berichtet. War das eine Reaktion auf Patienten wie diesen?

Die Corona-Taxis halfen und helfen uns dabei, zu erkennen: Wann muss jemand ins Krankenhaus? Dass wir sie initiiert haben, geht sogar ganz unmittelbar auf diesen ersten Patienten zurück.

Gibt es denn bei Corona inzwischen so etwas wie Routine?

Plötzliche Verschlechterungen gibt es noch immer, aber inzwischen haben wir im Krankenhaus ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie man die Krankheit behandelt, wann man entlassen kann, sie ist für uns erwartbarer geworden.

Wie würden Sie den Erkenntnisgewinn der Wissenschaft insgesamt einschätzen innerhalb dieses Jahres, in dem Sie mit der Erkrankung befasst sind?

Es gibt unsäglich viele Publikationen. Wir haben vor allem gelernt, was nicht hilft. Die Studienlage zu Dexamethason ist aber robust. Das ist ein Cortisonpräparat, das wir bei allen Covid-Patienten, die eine Sauerstofftherapie benötigen, einsetzen. Mit allen verbesserten Maßnahmen wie zum Beispiel auch einer optimalen Beatmung hat sich auch das Überleben der Patienten am Heidelberger Klinikum verbessert: Die Sterblichkeit der beatmeten Patienten – und damit von Patienten mit einem gut vergleichbaren Schweregrad der Covid-Erkrankung – ging zwischen erster und zweiter Welle zurück.

Sie selbst haben zum Beispiel zum Zusammenhang von schweren Verläufen und dem Vitamin-D-Haushalt geforscht. Können wir uns mit Vitaminpillen schützen?

Die Untersuchung von 185 Patienten hat gezeigt, dass Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf häufig einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel hatten. Beides steht also in Zusammenhang, aber ob der niedrige Vitamin-D-Spiegel hier wirklich ursächlich ist, ist unklar. Ist der Verlauf schwer, weil der niedrige Vitamin-D-Spiegel hier wirklich ursächlich eine Rolle spielt? Oder ist der Verlauf schwer, weil der Patient gebrechlich ist, weshalb er auch nicht rausgehen kann und nur dadurch auch "zufälligerweise" einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel hat? Das muss man noch genauer erforschen.

Wie haben Sie das zurückliegende Jahr denn insgesamt erlebt?

Am Klinikum waren wir alle sehr beschäftigt, doch es herrschte viel Teamgeist vor und eine große Bereitschaft, das gemeinsam zu schaffen. Anders als viele andere Menschen hatten wir stets dabei vor Augen, was die Maßnahmen verhindern sollten.

Allein in der Stadtbevölkerung hat die Pandemie bisher 54 Menschenleben gefordert. Hatten Sie den Eindruck, es hätte schärferer Maßnahmen bedurft?

Bei einem noch strikteren Lockdown hätten sich vielleicht weniger Menschen infiziert, aber das zu bewerten überlasse ich anderen. Klar ist, dass die meisten Patienten an und nicht mit Covid-19 sterben. Nicht nur bei alten und kranken Menschen gibt es schwere Verläufe. Bei uns lagen plötzlich junge Pfleger aus dem Klinikum mit Covid auf der Station. Das zeigt, dass es jeden treffen kann. Auch eine dritte Welle halte ich für realistisch. Im Griff haben wir die Pandemie sicher erst, wenn genug Menschen geimpft sind.

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