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RNZ-Rathausrunde: Waldbrunn ist heute mehr als sein Kunstname

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		RNZ-Rathausrunde:  Waldbrunn ist heute mehr als sein Kunstname

Von Jürgen Hofherr

Waldbrunn. Höher als in Waldbrunn geht’s im gesamten Neckar-Odenwald-Kreis nicht hinaus. Denn hier ragt mit 626 Metern der Katzenbuckel als höchste Erhebung weit und breit heraus. Mit der Therme verfügt die Gemeinde auf dem Winterhauch über einen weiteren touristischen Leuchtturm. Für die Gemeinde mit ihren sechs Ortsteilen ist das Bad ein finanzieller Kraftakt. Herausforderungen gibt es in Waldbrunn aber natürlich noch weitere, wie der jüngst wiedergewählte Bürgermeister Markus Haas in der RNZ-Rathausrunde erläutert.

Herr Haas, vor knapp 50 Jahren wurde der "Kunstname" Waldbrunn aus der Taufe gehoben. Nötig wurde dieser Ortsname, da sich die damaligen Bürger(meister) nicht auf einen bereits bestehenden Ortsnamen einigen konnten/wollten. Wo steht man auf dem Winterhauch heute? Ist man näher zusammengerückt?

Jeder Ortsteil in Waldbrunn hat seinen eigenen Charme und seine eigene Mentalität. Aber ich finde auch, dass die Gemeinde Waldbrunn über die Jahre eine eigene Identität entwickelt hat. Waldbrunn ist heute sicherlich mehr als die Summe seiner Ortsteile. Vielleicht hat aber auch gerade dieser neue Kunstname mit dazu beigetragen, dass das Zusammenwachsen bei uns hier einfacher vonstatten ging als anderswo. Ein Name allein reicht für ein Zusammenwachsen dann aber auch nicht aus, er kann dabei nur unterstützen. Schlussendlich liegt es an den Menschen, wie sie ihre Gemeinde sehen. Zwar gibt es auch noch das Ortsteil-Bewusstsein. Das ist ja auch gut so, das braucht es auch (ich sage bewusst nicht Ortsteil-Denken). Aber man rückt und steht in Waldbrunn auch gern zusammen.

Haben Sie ein Beispiel?

Deutlich wird das etwa bei der Feuerwehr: Wir halten zum einen an den Abteilungswehren in den Ortsteilen fest, aber die Kameradinnen und Kameraden sehen sich auch als Waldbrunner Feuerwehr, bringen sie sich doch für den Schutz und die Sicherheit der ganzen Bürgerschaft ein.

Was kann die Gemeinde tun, was der Bürgermeister, um Waldbrunn noch weiter zu entwickeln?

Die Entwicklung einer Gemeinde ist immer ein Gemeinschaftsprojekt von Gemeinderat, Ortschaftsräten und Bürgerschaft. Der Bürgermeister allein kann da wenig tun, er kann moderieren und Ideengeber sein. Sicherlich gibt es in Zukunft eine ganze Reihe von Aufgaben, wie beispielsweise die Abwasserbeseitigung, Straßensanierungen, Sanierung des Bürgersaals und der Aussegnungshalle in Waldkatzenbach und vieles, vieles mehr, die wir sukzessive angehen müssen. Auch den Tourismusstandort gilt es auszubauen, so etwa mit Wohnmobilstellplätzen und einem neuen Betreiberkonzept für das Restaurant in der Therme oder der Katzenbuckelturm-Sanierung.

Kommen wir nun auf die erwähnten Herausforderungen auf dem Winterhauch: Wie sehen die aus?

Corona geht auch an uns nicht spurlos vorüber; von daher kann ich nur sagen, dass wir nach wie vor auf Sicht fahren, aber die Aufgaben natürlich nicht ausgehen. Die Rathaussanierung ist bis auf kleine Restarbeiten abgeschlossen, das Ende des Komplettausbaus der Talstraße ist auch abzusehen. Damit sind zwei größere Maßnahmen fast abgearbeitet. Das Vorhaben "Kindercampus" wollen wir jetzt in diesem Jahr beginnen. Kindergärten und Schule sind und waren für mich von Anfang an ein großes Thema. Wir wollen die Möglichkeiten für Familien anpassen und zeitgemäßer machen, so haben wir bis jetzt ja leider noch kein Ganztagesangebot. Das wird aber regelmäßig von jungen Familien nachgefragt.

Nach wie vor bestimmt Corona viele Belange unseres Lebens. Wie erleben Sie persönlich die Pandemie?

Ganz differenziert. Beruflich war und ist die Arbeit nicht weniger, sondern anders. Im Sommer fehlten mir dann schon die Veranstaltungen und Feste, das Zusammenkommen mit Menschen, der unbeschwerte Austausch untereinander, was ja Waldbrunn auch ausmacht. Dafür war ich dann viel mit dem Fahrrad in unserer herrlichen Gegend unterwegs und habe so auch ganz neue Erfahrungen gemacht.

Wie wirkt sich die Krise auf die Menschen in den Ortsteilen aus?

Wie überall sind auch bei uns die Kontakte soweit wie möglich zu reduzieren, das betrifft alle Menschen. Die Bürgerhäuser und Gaststätten sind geschlossen, das Vereinsleben ist überall eingestellt; die kommunikativen Elemente des Dorflebens fehlen derzeit leider. Wenn ich mit Bürgern spreche, kommen die meisten mit der derzeitigen Situation und den Beschränkungen klar. Vielmehr aber beschäftigt sie die Frage, wie es wirtschaftlich weitergeht. Kurzarbeit und Arbeitsplatzängste treiben manche Sorgenfalten ins Gesicht.

Und wie steht es um den kommunalen Haushalt und die Verwaltung?

Als Verwaltung mussten wir auch neue Wege gehen: Eigentlich sind wir ein offenes Rathaus, das heißt, der Bürger konnte jederzeit, auch ohne Anmeldung, zu uns kommen. Seit Corona geht das nur noch mit Anmeldung. Die Gemeinde ist solide aufgestellt, wir haben Rücklagen/Guthaben in Höhe von 3,6 Millionen Euro, denen Schulden in Höhe von 2,7 Mio. Euro im Kernhaushalt gegenüberstehen. Dazu kommt dann noch der Bereich der Wasserversorgung. Man kann sagen, wir sind faktisch schuldenfrei. Das wird 2021 aber nicht mehr so gut aussehen. 2020 – das eigentliche Coronajahr – haben wir noch verhältnismäßig gut überstanden. Die finanziellen Ausfälle kommen jetzt 2021. Auch fehlen uns Einnahmen, wie etwa die Badegebühren. Dagegen steigen die Kosten. Die Frage bleibt: Was kommt noch alles in diesem Jahr? Und wie die ganzen Hilfspakete, die geschnürt wurden, zurückgezahlt werden. Das wird spannend.

Sie nannten ja schon die Katzenbuckel-Therme, die für viele Menschen im ganzen Odenwald eine Attraktion ist ...

Wie so viele Einrichtungen musste auch die Katzenbuckel-Therme bereits im letzten März schließen. Im August haben wir dann wieder geöffnet, rechtzeitig zu den großen Ferien. Natürlich konnten wir nur unter Einschränkungen und mit Hygienekonzept öffnen. Wir haben uns für drei Schichten (drei Stunden / Schicht, maximal 100 Badegäste) entschieden. Es war natürlich eine Abwägung: Machen wir unter diesen Bedingungen überhaupt wieder auf, oder lassen wir einfach zu? Verwaltung, Gemeinderat und Thermen-Team haben sich schlussendlich für den mutigen Weg entschieden. Dieser Mut wurde auch belohnt. Die Therme wurde in dieser Zeit sehr gut angenommen, oftmals waren die Schichten ausgebucht. Umso bedauerlicher ist die erneute, nach wie vor anhaltende Schließung.

Waldbrunn verliert durch jeden Therme-Besucher rund sechs Euro und damit knapp 750.000 Euro im Jahr. Wünschen Sie sich hier eine bessere Unterstützung vonseiten der Nachbarn?

Mit der Therme haben wir schon ein Bad, das über Waldbrunn hinaus wirkt. Von den 110.000 bis 120.000 Besuchern im Jahr kommt der Großteil, etwa 80 Prozent, aus dem Umland. Bei dem Zuschussbedarf wäre eine Unterstützung durch Nachbarn natürlich schon schön, dient das Bad ja auch ganzjährig der gesamten Region. Im Moment geht es aber gerade in eine ganz andere Richtung. So wird ja in unmittelbarer Nachbarschaft in Eberbach sogar über einen Neubau eines Hallenbades ernsthaft nachgedacht – obwohl wir doch hier bei uns noch Kapazitäten frei haben. So stellt sich wohl leider weniger die Frage, ob uns andere unterstützen würden.

Muss Waldbrunn wegen der Pandemie beziehungsweise deren finanziellen Folgen auf Investitionen verzichten?

Die Gemeinde Waldbrunn fährt gegenwärtig auf Sicht. Den Rotstift haben wir nur mäßig angesetzt.

Welche großen Investitionen stehen der Kommune in den kommenden Jahren bevor, was lässt sich damit bewirken?

Durch bauliche Anpassungen des alten Schulgebäudes, verbunden mit der funktional-räumlichen Zusammenführung der Kindergärten, soll der "Kindercampus" entstehen. Neben der Schaffung zusätzlicher Betreuungsangebote in dieser neuen Einrichtung soll dieses gemeinsame Bildungshaus vor allem dazu beitragen, verbesserte Rahmenbedingungen für den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule zu schaffen. Darüber hinaus soll die Kooperation der beiden Einrichtungen Kindergarten und Schule auf kurzem Weg intensiviert werden, was dem Grundgedanken für die Kooperation von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen entspricht. Für jedes Kind ist dieser Übergang ein wichtiger Meilenstein.

Daneben haben aber auch verschiedene wirtschaftliche Synergieeffekte die Gemeinde zu diesem Projekt bewogen. Hierzu zählen flexiblere Betreuungsmöglichkeiten einer kompakten Einrichtung, eine verbesserte Nutzung des bestehenden Raumangebots, eine Neugestaltung und Optimierung der Frei- und Sportflächen sowie eine Einbindung in die bestehende regenerative Versorgungsinfrastruktur durch Anschluss an den bestehenden Nahwärmeverbund mit der Holzhackschnitzelheizung in der benachbarten Therme. Derzeit wird auch ein Strukturgutachten zur Abwasserbeseitigung erarbeitet, um die Funktionsfähigkeit zu bewerten. Ein solch tiefgehendes Gutachten braucht jedoch Zeit. Wir können aber davon ausgehen, dass mittelfristig im Bereich der Abwasserbeseitigung eine weitere Mammutaufgabe auf die Gemeinde zukommt.

Können Freiwilligkeitsaufgaben weiterverfolgt werden? Wenn ja, welche?

Auch bei den Freiwilligkeitsleitungen sind keine Kürzungen geplant. Die Vereinsförderung läuft weiter, auch beim "Waldbrunn-Express", unserem Fahrdienst, wird es keine Einschränkungen geben.

Vor einiger Zeit gab es Kritik im Zusammenhang mit der Entwicklung von Baugebieten. Wie auch andere Gemeinden im Kreis, nutzt Waldbrunn den Paragrafen 13b Baugesetzbuch, der die Ausweisung von Baugebieten auf der sogenannten grünen Wiese ohne Bürgerbeteiligung beziehungsweise Umweltverträglichkeitsprüfung erlaubt. Was entgegnen Sie hier Kritikern?

Die Kritik hielt sich in Grenzen. Eine Bürgerbeteiligung findet in diesen Verfahren ebenso statt wie eine artenschutzrechtliche Prüfung. Der Bedarf und die Nachfrage nach Bauplätzen ist gegeben. Wir versuchen umgekehrt aber auch, die Innenentwicklung voranzutreiben. So beispielsweise in Waldkatzenbach mit dem Abriss von zwei Gebäuden und der Baureifmachung der Grundstücke.

Man investiert seit Jahren viel Geld in die Entwicklung von lebenswerten Dorfmittelpunkten, während immer mehr Häuser leer stehen und verfallen. Sollte man daher als Gemeinde des ländlichen Raums nicht vielmehr auf Innenentwicklung setzen und die Dörfer in ihrer Mitte lebendig halten?

Viel Leerstand gibt es doch gar nicht. Die Häuser, die zu einem regulären Preis angeboten werden, finden auch sehr schnell einen Käufer. Bei den Häusern, die länger leer stehen, wollen entweder die Eigentümer gar nicht verkaufen, oder die Preisvorstellungen sind unrealistisch. In diesen beiden Fällen kann eine Gemeinde wenig tun. Aber wie gesagt: Wir werben auch für Innenentwicklung, ganz besonders auch für das ELR-Programm und wo möglich versuchen wir auch als Gemeinde, innerörtliche Entwicklung voranzutreiben.

Trotz neuer Baugebiete sinkt die Einwohnerzahl Ihrer Gemeinde kontinuierlich. Wo wollen Sie ansetzen, um hier einen Stopp beziehungsweise eine Umkehr einzuläuten?

Das ist nicht ganz richtig. Die Einwohnerzahlen schwanken immer, mal mehr mal weniger. 2012 war der Tiefststand bei 4650 Einwohnern erreicht, seitdem stiegen die Zahlen wieder. 2019 waren wir bei 4815 Einwohnern, 2020 sind wir nun bei 4752.

Sie haben sich persönlich durch Medizinergespräche und auch durch den Bau eines Ärztehauses sowie mit dem Waldbrunn-Express sehr stark in Zukunftsfragen engagiert. Wo sehen Sie künftige Schwerpunkte?

Ganz aktuell natürlich beim Breitband-/Glasfaserausbau, da bietet sich mit der BBV gerade eine einmalige Chance. Aber auch bei der ärztlichen Versorgung will ich dranbleiben; vielleicht gelingt es ja doch, auch einen Facharzt, insbesondere den vielfach gewünschten Augenarzt, anzusiedeln.

Vonseiten des Landratsamts wird eine Umstrukturierung der Ruftaxilinien vorbereitet. Für Waldbrunner Nutzer wird das Angebot dadurch unattraktiv(er), da selbst zwischen den Ortsteilen Umstiege notwendig werden. Wie sehen Sie die Planungen?

Ich selbst war zu Beginn über die Änderungen auch nicht begeistert. Dem zukünftigen Umstieg in Strümpfelbrunn stehen aber ein Ausbau des Angebots in Taktung und Streckenführung gegenüber. Im Gemeinderat sind wir so verblieben, dass wir den Weg mitgehen, aber die Umstrukturierung dann in ein bis zwei Jahren evaluiert wird.

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