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Normannia-Affäre: Nach Hitlergruß-Foto Klage von Ex-MVV-Geschäftsführer zurückgezogen (Update)

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		Normannia-Affäre:  Nach Hitlergruß-Foto Klage von Ex-MVV-Geschäftsführer zurückgezogen (Update)

Heidelberg. (shy) Anfang Oktober hatte der Mannheimer Energieversorger MVV Energie AG den bisherigen Geschäftsführer eines Tochterunternehmens entlassen. Grund war ein Foto, das ihn neben einem anderen Mann zeigte, welcher im Haus der Burschenschaft Normannia die Hand zum Hitlergruß erhebt. Der Ex-Geschäftsführer hatte gegen die Kündigung allerdings geklagt.

Wie das Arbeitsgericht Mannheim nun mitteilte, hat er die Klage aber inzwischen zurückgenommen. Das Verfahren ist damit erledigt. Offen ist nach wie vor, wann die Staatsanwaltschaft Heidelberg ihre Ermittlungen in Sachen Normannia abschließt. Die Burschenschaft war Anfang September 2020 in den Blick der Öffentlichkeit gerückt, nachdem ein mutmaßlicher antisemitischer Übergriff öffentlich geworden war. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen mehrere Personen.

Update: Donnerstag, 28. Januar 2021, 20.22 Uhr


Abschluss der Ermittlungen im Fall Normannia erst im Februar

Heidelberg. (dpa) Im Fall eines möglichen antisemitischen Angriffs auf einen Studenten bei der Heidelberger Verbindung Normannia verzögert sich der eigentlich für Ende Januar anvisierte Abschluss der Ermittlungen. Wegen neuer Stellungnahmen einiger Verteidiger der zehn Beschuldigten würden die Untersuchungen frühestens Mitte Februar beendet, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg der Deutschen Presse-Agentur. Es müssten noch Zeugen gehört werden. Erst dann wird entschieden, ob sich der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung erhärtet und Anklage gegen die neun Männer und eine Frau erhoben wird.

Ende August 2020 hatte ein damals 25-Jähriger als Gast eine Party mit etwa 30 Feiernden im Haus der Normannia besucht. Dort soll er malträtiert worden sein. Er sei mit Gürteln geschlagen, mit Münzen beworfen und antisemitisch beleidigt worden, so die Staatsanwaltschaft Heidelberg. Das Mitglied der Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania in Heidelberg hatte den Angaben der Anklagebehörde zufolge zuvor berichtet, er habe jüdische Vorfahren. Nach seiner Misshandlung hatte er Anzeige erstattet.

Neben Mitgliedern der Normannia sind unter den zehn Verdächtigten auch die Burschenschaften Ghibellinia zu Prag (Saarbrücken), Germania (Köln) und Asciburgia (Mainz) vertreten. Aus der letztgenannten Verbindung stammt die einzige weibliche Beschuldigte.

Die Alten Herren der Normannia hatten sich im Blick auf den Fall von Antisemitismus distanziert. Die Studentengruppe, in der der Übergriff stattgefunden haben soll, wurde aufgelöst. Das Geschehen hatte Erschütterung in der Öffentlichkeit und eine Diskussion über Judenfeindlichkeit und rechtsextremes Gedankengut in Burschenschaften ausgelöst.

Update: Mittwoch, 20. Januar 2021, 8.35 Uhr


Falsche Mails stiften Verwirrung

Heidelberg. (shy) Eigentlich wollte sich die Burschenschaft Normannia im Rahmen eines Konvents neu sortieren – der fand aber nicht statt. Da der Vorsitzende der Alten Herren, Gunnar Heydrich, zurückgetreten ist, ist die Normannia quasi führungslos. Eine E-Mail, die angeblich aus den Kreisen der Alten Herren versendet wurde, behauptet nun allerdings etwas anderes. Demnach sei Thomas Mayer-Steudte neuer kommissarischer Vorsitzender. Man könne ihn über die AfD Krefeld kontaktieren, heißt es in der Mail weiter. Kurios: Mayer-Steudte widerspricht der Aussage. "Das stimmt nicht und ich bin auch nicht berechtigt, für die Normannia zu sprechen", sagt er auf RNZ-Nachfrage am Telefon.

Der Absender der E-Mail nutzt eine Protonmail-Adresse – dabei handelt es sich um einen E-Mail-Dienst, der die Nachrichten der Nutzer verschlüsselt. Laut Mayer-Steudte sei nicht bekannt, wer die Mails verschickt. Es ist nicht die erste E-Mail von diesem Absender, die die RNZ erreicht hat. Unter keiner der E-Mails stand ein Name. Rückfragen nach einem konkreten Ansprechpartner blieben unbeantwortet.

Update: Montag, 9. November 2020, 20.33 Uhr


Doch keine neue Aktivitas bei der Normannia

Heidelberg. (RNZ) Die Burschenschaft Normannia will nach eigener Aussage erst einmal keine neuen aktiven Mitglieder in ihr Haus am Schloss einziehen lassen. Das teilte die Altherrenschaft mit und reagierte damit auf einen RNZ-Bericht von Montag. "Stattdessen beabsichtigt die Altherrenschaft, alles in die Wege zu leiten, um die Zimmer auch zukünftig der allgemeinen Studentenschaft einschließlich der an der Ruperto Carola immatrikulierten ausländischen Studenten als Wohnraum zur Verfügung zu stellen", heißt es in der Mail.

Zudem betont die Altherrenschaft, dass sie bei ihrem Treffen keine Alten Herren "ausgeschlossen" habe, wie die RNZ vermutet hatte. Dass es jedoch Streit unter den Alten Herren gab, bestätigt die Altherrenschaft: "Richtig ist (...), dass die Trennung insofern stattgefunden hat, als Herr Markus P. im Zuge einer Diskussion in der Altherrenschaft seinen Austritt erklärt hat. Herr Christian Schaar ist ausgetreten, nachdem gegen ihn verbindungsintern heftige Vorwürfe erhoben wurden."

Update: Montag, 26. Oktober 2020, 20.15 Uhr


Die Heidelberger Burschenschaft Normannia versucht den Neustart

Heidelberg. (dns) Nach dem antisemitischen Übergriff im Haus der Burschenschaft Normannia hat deren Altherrenschaft ihr einen Neustart verordnet. In einer knappen Pressemitteilung teilte sie am Sonntag mit, dass sie sich für die Zukunft neue Leitlinien gebe. Dabei dürfte es sich um die "tiefgreifenden Einschnitte" handeln, die der Vorsitzende Gunnar Heydrich gegenüber der RNZ angekündigt hatte.

Sechs Leitlinien haben die Alten Herren beschlossen. Neben dem Bekenntnis zu einer "Synthese aus traditionellen und burschenschaftlichen Werten und Anforderungen einer modernen bürgerlichen Leistungsgesellschaft" schreiben sie unter anderem: "Die Mitglieder (...) setzen sich aktiv für den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat ein." Vor allem betonen sie jedoch, die Mitglieder seien sich "der Verbrechen des Nationalsozialismus bewusst und bekennen sich zu der daraus resultierenden besonderen Verantwortung Deutschlands für die Opfer des Nationalsozialismus".

Zudem lehnten sie jeden Extremismus ab – "gleichgültig ob von rechts oder von links". Die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Burschenschaft und einer vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung oder Partei beziehungsweise verfassungswidrigen Organisationen schließe sich aus. Das ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass sich in den letzten Jahren immer wieder Mitglieder der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften und beobachteten Identitären Bewegung im Normannenhaus trafen – unter anderem deshalb fordern aktuell zahlreiche Politiker, dass die Burschenschaft selbst beobachtet wird.

Um diesem Schritt oder gar der Auflösung der Burschenschaft zu entgehen, hat die Altherrenschaft offenbar mehrere Mitglieder ausgeschlossen. Wie sie erklärt, habe man sich von einigen Mitgliedern getrennt – darunter der Ex-Geschäftsführer der MVV-Tochtergesellschaft Regioplan, der sich neben einem Burschenschafter ablichten ließ, der den Hitlergruß zeigte, sowie Christian Schaar, der Vorsitzender der rechtsextremen "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen" war. Schon vor dem Treffen der Altherrenschaft sind einige Mitglieder ausgetreten, um sich von rechtsextremen Tendenzen zu distanzieren.

Der Beschluss der Leitlinien deutet darauf hin, dass die Burschenschaft in den nächsten Monaten neue Mitglieder in ihr Haus ziehen lassen will. Die alte Aktivitas wurde nach dem Übergriff aufgelöst.

Update: Sonntag, 25. Oktober 2020, 19.35 Uhr


SPD fordert Normannia auf, ihr Haus der Allgemeinheit zur Verfügung stellen

Das Verbindungshaus soll "ein öffentlicher Ort der Toleranz" werden. Die SPD Heidelberg beschloss einstimmig einen entsprechenden Initiativantrag.

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Die Ereignisse rund um die Burschenschaft Normannia beschäftigen auch die örtliche Politik. So hat die SPD Heidelberg bei ihrer jüngsten Jahreshauptversammlung einstimmig einen Initiativantrag beschlossen, der sich direkt an die Burschenschaft richtet. Sie fordert darin die Verantwortlichen der Normannia auf, die Aktivitäten im Haus einzustellen und das Gebäude der Heidelberger Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

So heißt es: "Aus dem Gebäude nahe des Schlosses soll ein öffentlicher Ort der Toleranz entstehen, der unsere offene Gesellschaft repräsentiert und das soziale Miteinander fördert." Eingebracht wurde der Antrag von dem Stadtrat und Kreisvorsitzenden Sören Michelsburg. Er sagt: "Rechtsradikale Burschenschaften passen nicht in das weltoffene Bild unserer Stadt. In Heidelberg gibt es viele wichtige und sozial notwendige Projekte, denen schlicht der Platz fehlt."

Auch Landtagskandidat Daniel Al-Kayal unterstützt den Antrag und würde ein Tätigwerden der Verantwortlichen begrüßen. Die Heidelberger Sozialdemokraten sind sich einig: Ein "Haus der Intoleranz und Ausgrenzung" könne zu einem Ort der Toleranz werden, wenn Verantwortung von den Betroffenen übernommen werde.

Aber so einfach ist das nicht. Einerseits spricht im Moment wenig dafür, dass diese Verantwortung übernommen wird. Denn: Wie die RNZ berichtete, waren den Alten Herren rechtsradikale, antisemitische und rassistische Vorfälle im Haus über Jahre nicht nur bekannt, sie wurden gezielt unter dem Deckel gehalten. Überdies wurden immer wieder Rechtsradikale ins Haus eingeladen. Sowohl der letzte als auch der aktuelle Vorsitzende des Altherrenvereins haben diese Tatsachen bestritten.

Andererseits gehört das Normannenhaus am Kurzen Buckel dem eingetragenen Verein "Studentenwohnheim Stückgarten". In dessen Satzung, die der RNZ vorliegt, heißt es: "Der Verein dient ausschließlich der Studentenhilfe. Er unterstützt das Studium und die Erziehungsarbeit an Studenten der Universität Heidelberg durch Bereitstellung und Unterhaltung eines Studentenwohnheims oder Aufenthaltsheimes". Hier stellt sich freilich die Frage, ob mit der Auflösung der Normannia-Aktivitas der Zweck des Vereins noch erfüllt ist – denn wo keine Studenten sind, braucht es auch keine Studentenhilfe.

Die Vereinsmitglieder sind verpflichtet, "Vereinsanteilscheine" zu erwerben. Das bedeutet, sie finanzieren damit auch das Haus. Mitglied ist nur, wer auch in der Burschenschaft ist. Denn die Vereinsmitgliedschaft erlischt durch Austritt oder Ausschluss aus der Normannia. Interessant ist, dass bei "Erlöschen der Mitgliedschaft das betreffende Mitglied keinen Rechtsanspruch auf Rückzahlung des Anteilscheins hat". Wer die Normannia verlässt, bekommt sein investiertes Geld also möglicherweise nicht zurück. In der Konsequenz könnte ein Austritt aus der Burschenschaft also auch einen finanziellen Verlust bedeuten – eine mögliche Erklärung für die Zögerlichkeit vieler Mitglieder, die Normannia zu verlassen.

Anders sieht es aus, wenn sich der Verein auflöst. Und das müsste er – laut Satzung –, wenn sich die Burschenschaft auflöst. In der Satzung heißt es dazu: "Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder Wegfall seines bisherigen Zwecks fällt das Vermögen des Vereins, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinsamen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an die Universität Heidelberg." Das Anwesen müsste demnach also im Fall der Auflösung verkauft und der Erlös entsprechend der Kapitalanteile an die Mitglieder ausgezahlt werden. Was übrig bliebe, bekäme die Universität.

Über eine Auflösung der Burschenschaft muss allerdings auf zwei Generalconventen entschieden werden. Laut dem Vorsitzenden Gunnar Heydrich soll Ende des Monats eine Mitgliederversammlung der Normannia stattfinden. Auf der Tagesordnung stünden "tiefgreifende Einschnitte". Näher äußerte sich Heydrich nicht. Ob die Mitgliederversammlung angesichts der Corona-Lage allerdings tatsächlich stattfinden kann, ist unklar. Sicher scheint indes, dass der Antrag der SPD ein frommer Wunsch bleiben wird.

Update: Freitag, 23. Oktober 2020, 21.21 Uhr


"Anlaufobjekt der extremen Rechten"

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Der Screenshot eines Instagram-Fotos, das auf der Seite der Akademischen Damenverbindung Regina Maria-Josepha zu Dresden erschienen war, bringt den ehemaligen Vorsitzenden der Burschenschaft Normannia, Egon Manz, weiter in Bedrängnis. Manz ist darauf in den Farben der Burschenschaft Salamandria Dresden zu sehen. Im Moment ist unklar, wann das Foto entstanden ist.

Gegenüber der RNZ hatte Manz behautet, er sei "seit mindestens sieben Jahren kein Mitglied der Salamandria mehr". Allerdings existiert auf Youtube ein Video vom "Burschentag 2016", das Manz ebenfalls in Salamandria-Farben zeigt. Laut Daniel Al-Kayal, Landtagskandidat der SPD Heidelberg, wird "die Burschenschaft Salamandria vom sächsischen Verfassungsschutz als Wohn- und Anlaufobjekt der extremen Rechten geführt".

Al-Kayal hat sich im Zusammenhang mit dem Foto in einem offenen Brief an den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl gewandt und fordert ihn darin auf, als Innenminister und oberster Dienstherr der Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz die Burschenschaften im deutschen Kooperationsverband Deutsche Burschenschaft (DB) sowie die mit der Normannia eng in Kontakt stehenden Burschenschaften vom Verfassungsschutz prüfen zu lassen.

Weiter schreibt er: "Auch Ihre eigene Verbindung, die Alte Leipziger Landsmannschaft Afrania zu Heidelberg, war an dem Abend der antisemitisch motivierten Gewalttat auf dem Haus der Normannia eingeladen und anwesend. Als oberster Dienstherr der baden-württembergischen Sicherheitsbehörden erwarten wir von Ihnen hierzu eine Stellungnahme und den Austritt aus dem Altherrenverband der Burschenschaft, um die Situation mit der notwendigen Distanz beobachten zu können."

Darüber hinaus fordert Al-Kayal eine transparente und vollständige Aufklärung der Vorfälle bei der Normannia sowie deren Verflechtungen mit den Sicherheitsbehörden im Land Baden-Württemberg.

Strobl ist überdies Landesvorsitzender CDU Baden-Württemberg. In dieser Eigenschaft fordert Al-Kayal ihn dazu auf, Stellung zum CDU-Kreisvorstandsmitglied und Mannheimer CDU-Vize Egon Manz zu beziehen. Manz hatte erst seinen Austritt aus der Normannia bekundet, nachdem die RNZ ihm nachgewiesen hatte, dass er bereits vor über einem Jahr von rechtsradikalen Umtrieben im Normannenhaus wusste und Hinweisen nicht nachgegangen war.

Update: Mittwoch, 21. Oktober 2020, 20 Uhr


Die Normannia hat immer alles intern geregelt

Von Sarah Hinney

Heidelberg. "Das war überhaupt das erste Mal, dass ich auf diesem Haus mit einem rechtsradikalen Vorfall konfrontiert war", hatte Egon Manz vor gut einer Woche, kurz vor seinem Austritt aus der Burschenschaft Normannia, gegenüber der RNZ behauptet. Der Mannheimer CDU-Vize und ehemalige Polizist meinte damit einen Vorfall im Jahr 2019: Damals soll sich ein studentisches Mitglied am Telefon mit "Heil Hitler" gemeldet haben. "Die Burschenschaft Normannia duldet keinen Antisemitismus in ihren Reihen oder durch Dritte auf ihrem Haus. Antisemitismus und gewalttätige Übergriffe sind mit dem burschenschaftlichen Gedanken nicht zu vereinbaren", schreibt Gunnar Heydrich, Vorsitzender des Altherrenverbands auf der Internetseite der Normannia.

Der RNZ liegt nun umfängliches authentisches Material aus den vergangenen zehn Jahren vor, das beweist, dass es in dieser Zeit weitere rechtsradikale Vorfälle im Normannenhaus gegeben hat. Manche führten dazu, dass Mitglieder die Burschenschaft verlassen haben. Bei der Polizei angezeigt wurde indes nie jemand. Die Vorfälle wurden in "Strafanträgen" festgehalten – über die dann burschenschaftsintern entschieden wurde. Säuberlich wurden Vorgänge, Diskussionen darüber und Entscheidungen in seitenlangen Protokollen beschrieben. In den Anwesenheitslisten finden sich genau die Namen der "Alten Herren" wieder, die auch heute noch – sofern nicht jüngst ausgetreten – eine Rolle in der Normannia spielen.

Dokumentiert sind wörtlich rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Äußerungen. Dokumentiert ist, wie ein damaliges Mitglied vor Jahren damit prahlte, "in Gegenwart eines dunkelhäutigen Bundeswehrkameraden geäußert zu haben, nicht neben einem Neger sitzen zu wollen". Dokumentiert sind "faschistische Grußformen durch Armheben, Rufen und in schriftlicher Form sowie das Tragen von wehrmachtsähnlicher Kleidung" und das Rufen von "Heil Hitler". Dokumentiert ist auch, dass im Normannenhaus "in mehreren Fällen" rechtsextreme Musik lief, inklusive abstoßend rassistischer und antisemitischer Textzeilen. Abgespielt wurde die Nazimusik im Keller des Normannenhauses. In einer Bar – bestehend aus Sandsäcken, dekoriert mit Stahlhelmen. Gäste habe man auch mal im "Führerstübchen" untergebracht, berichtet ein Ex-Normanne der RNZ und beschreibt seine Zeit in der Burschenschaft als "seelisches und soziales Gefängnis und paranoide Wahnwelt".

Die RNZ haben in den vergangenen Wochen zahllose Schriftstücke, Fotos und Chatprotokolle aus der älteren und jüngeren Vergangenheit von verschiedenen Seiten erreicht – die Namen der Informanten sind der Redaktion bekannt. Die Informationen zeichnen das Bild einer in sich geschlossenen Gemeinschaft, in der strenge Regeln herrschen und eine klare Struktur. Einer Gemeinschaft, in der zwar keineswegs politische Einigkeit herrscht – über eines aber ist man sich vollkommen einig: Von den rechtsradikalen Vorfällen darf nichts nach außen dringen.

Nachzulesen ist das etwa in einer protokollierten Diskussion darüber, ob rechtsradikale, rassistische und antisemitische Äußerungen ein Grund seien, einen Aktiven aus der Normannia auszuschließen, oder ob es sich nur um "spätpubertäre Eskapaden" handle. So heißt es dort auch wörtlich, "interne Informationen und Diskussionen dürften nicht in die Öffentlichkeit getragen werden". Der Bundesbruder sei "in gewissen Punkten schwierig", man solle ihm aber "Gelegenheit zur Entwicklung" geben.

"Die Burschenschaft sieht ihren Sinn in der Pflege der Freundschaft und Geselligkeit sowie der Aufgabe, zur politischen Bildung ihrer Mitglieder beizutragen", lautet Artikel 4 der Präambel der Satzung der Normannia Heidelberg. Ihr Wahlspruch: "Ehre, Freiheit, Vaterland". Zur politischen Bildung ihrer Mitglieder zählte die Normannia 2011 etwa einen Vortrag des rechtsextremen Bloggers Karl-Michael Merkle alias Michael Mannheimer. Merkle hatte auf einer Pegida-Demo in Karlsruhe 2015 Angela Merkel als den schlimmsten Kanzler, den Deutschland seit Adolf Hitler hatte, bezeichnet. Schon 2004 hatte die RNZ über ein geplantes Treffen bei der Normannia berichtet, das nach Protesten wieder abgesagt worden war. Als Redner angekündigt waren damals etwa Michael Nier und Karl Richter. Richter wurde 1995 wegen Volksverhetzung verurteilt. Nier war Europakandidat für die NPD. Aus Österreich sollte Gerhoch Reisegger anreisen – ein rechtsextremer Publizist und Verschwörungstheoretiker. Doch auch einer rechtsradikalen Gesinnung eigentlich unverdächtige Personen referierten im Haus: 2010 war der damalige Mannheimer Polizeipräsident Thomas Köber zu Gast und sprach über das Thema "Migrantenproblematik unter Sicherheitsaspekten". Laut Semesterbericht der Normannia war der Vortrag ein "Höhepunkt".

Der Vorsitzende Gunnar Heydrich hatte jüngst öffentlich geäußert, dass die Normannia keine "parteipolitischen Veranstaltungen im Anwesen dulde" und die rechtsextreme Identitäre Bewegung (IB) deshalb auch keine Stammtische dort abhalten durfte. Chatprotokolle beweisen, dass ein aktives studentisches Normannia-Mitglied selbst zu IB-Stammtischen auf dem Haus eingeladen hat.

Heydrich war am 29. August 2020 persönlich im Haus der Normannia dabei – an dem Abend, als dort ein Gast mit Gürteln geschlagen und antisemitisch beschimpft worden sein soll, nachdem er angegeben hatte, jüdische Vorfahren zu haben. Heydrich lehnt ein Gespräch mit der RNZ seit Wochen ab. Am Mittwoch erklärte er lediglich per E-Mail: "Ende diesen Monats findet unsere Mitgliederversammlung statt, bei der für uns tiefgreifende Einschnitte auf der Tagesordnung stehen."

Update: Freitag, 16. Oktober 2020, 19.30 Uhr


Jetzt verlässt auch der Ex-Chef-Volkswirt bei Union Investment die Normannia

Heidelberg. (shy) Nach Egon Manz hat nun ein weiterer "Alter Herr" der Normannia auf RNZ-Nachfrage seinen Austritt aus der Burschenschaft erklärt und darüber hinaus scharfe Kritik geäußert. David Milleker, langjähriger Chefvolkswirt bei Union Investment und heutiger Betriebsrat, war ebenfalls Empfänger der E-Mail, die nachweist, dass mehreren "Alten Herren" spätestens im Sommer 2019 bekannt war, dass sich unter anderem Rechtsradikale im Normannenhaus treffen. Milleker äußerte sich jetzt schriftlich: "Ich war zum fraglichen Zeitpunkt einfaches Mitglied und (zu?) sehr mit anderen Themen im Leben beschäftigt."

Selbstkritisch müsse er einräumen, sich seinerzeit mit der Erklärung seitens des damals amtierenden Vorsitzenden Egon Manz, "die Sache sei aufgeklärt", zufrieden gegeben zu haben – statt, wie in anderen Fällen, einen Strafantrag beziehungsweise Ausschlussverfahren selbst zu stellen und/oder zu unterstützen. "Die jüngsten Vorkommnisse, die mir zu Ohren gekommen sind, sind in allen Bestandteilen – politischer Extremismus, Antisemitismus, Gewaltdelikte und das Missachten von Gastfreundschaft – widerlich und abstoßend", so Milleker weiter.

Nichts davon habe bei einer akademischen Burschenschaft etwas zu suchen. "Die Burschenschaft Normannia wird aus meiner Sicht selbstkritisch prüfen müssen, ob die reine Trennung von der Aktivitas ausreicht oder noch weitergehende Schritte erforderlich sind, nachdem zuvor sämtliche Mechanismen der Selbstkontrolle komplett versagt zu haben scheinen", so Milleker abschließend.

Unterdessen hat sich auch die Aktivitas der Akademischen Damenverbindung Nausikaa zu Heidelberg am Montag auf Facebook von der Normannia distanziert. "Wir sind erschüttert über die Vorkommnisse, die seit dem 29. August 2020 zu Tage getreten sind", heißt es dort. "Jede Beleidigung, jeden tätlichen Angriff auf Menschen unserer Gesellschaft verurteilen wir aufs Schärfste." Und weiter: "Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft, Religion, sexuellen Identität oder anderer Diskriminierungsgründe Angriffen oder der Angst vor solchen ausgesetzt sein."

Als akademische Damenverbindungen fühle man sich Werten verpflichtet, die ein wertschätzendes Miteinander als Basis eines gegenseitigen Umgangs voraussetzen. Zu Studentenverbindungen, welche diese Werte durch ihr Handeln und ihre Äußerungen mit Füßen treten, habe man schon in der Vergangenheit jeden Kontakt vermieden und werde auch in Zukunft keinen pflegen. Damit ist die Nausikaa nicht allein. Nach RNZ-Informationen hat die Normannia schon seit Jahren bei mehreren Verbindungen Hausverbot.

Update: Mittwoch, 14. Oktober 2020, 21 Uhr


Ist die Normannia ein Prüffall für den Verfassungsschutz?

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Das Innenministerium in Baden-Württemberg hat die Verbindung zwischen der Burschenschaft Normannia Heidelberg und der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung" bestätigt. Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch hatte nach dem antisemitischen Übergriff Aufklärung in Sachen Normannia sowie über eventuelle Verbindungen zur rechtsradikalen Szene gefordert – und eine Anfrage im Landtag gestellt.

Die Antwort liegt der RNZ vor. Das Innenministerium schreibt: "Über einen Beschuldigten liegen staatsschutzrelevante Erkenntnisse vor. Er ist der ,Identitären Bewegung’ zugehörig und konnte bereits bei diversen Aktionen und Demonstrationen als Teilnehmer festgestellt werden." Auch seien den Sicherheitsbehörden des Landes Verbindungen zwischen der "Identitären Bewegung" und der Burschenschaft Normannia Heidelberg bekannt.

Die Brisanz des Übergriffs – bei der ein Student mit Gürteln geschlagen und antisemitisch beschimpft worden sein soll – war den Ermittlungsbehörden offenbar frühzeitig bewusst. Bereits am 31. August war das Ministerium durch das Polizeipräsidium Mannheim über die Vorkommnisse informiert worden – also zwei Tage nach der mutmaßlichen Tat. Die Öffentlichkeit hatte erst am 7. September davon erfahren.

Die zehn Beschuldigten gehören laut Ministerium den Burschenschaften Normannia Heidelberg, Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken und Germania Köln sowie dem Verein Deutscher Studenten (VdSt) Asciburgia Mainz an. Motiv für die Übergriffe sei "nicht zuletzt in der antisemitischen Gesinnung zumindest einzelner Beschuldigter in Interaktion mit gruppendynamischen Prozessen und Imponiergehabe zu sehen", heißt es weiter.

Für Boris Weirauch ist die Normannia jetzt ein Fall für den Verfassungsschutz: "Die Burschenschaft Normannia gibt seit Jahren Antisemiten und Rechtsextremisten eine Heimat. Dies wurde von den dortigen Führungspersonen offenkundig geduldet, wenn nicht gar unterstützt. Gerade vor diesem Hintergrund wirkt die ohnehin eher pflichtschuldige Distanzierung der Alten Herren der Normannia wenig glaubhaft", sagt Weirauch der RNZ. Der SPD-Mann fordert über die konkreten Ermittlungen des Staatsschutzes hinaus daher auch eine umfassende Prüfung der Verstrickungen der Normannia in rechtsextreme Kreise durch den Verfassungsschutz: "Was an Vorkommnissen rund um die Normannia in den letzten Wochen das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, lässt befürchten, dass die antisemitische Straftat Ende August nur die Spitze des Eisbergs war. Es muss jedem im Kreis der Normannia klar werden, dass das nicht ohne Folgen bleiben wird."

Im Schreiben des Innenministeriums heißt es weiter: Abgesehen vom aktuellen Ermittlungsverfahren lägen den Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse vor, wonach in der Vergangenheit weitere antisemitische oder rechtsextremistisch motivierte Vorkommnisse in den Räumlichkeiten der Normannia stattfanden. Das lässt Fragen offen, denn bereits vergangene Woche hatte die RNZ über ein Foto berichtet, das einen Burschenschaftler im Normannenhaus beim Hitlergruß zeigt. Am Dienstag hatte die RNZ ein Foto der Szene veröffentlicht.

Unterdessen hat sich auch SPD-Landtagskandidat Daniel Al-Kayal in einer Pressemitteilung geäußert: "Innenminister Strobl muss handeln und die in den antisemitischen Angriff verwickelten Burschenschaften untersuchen lassen. Als Mitglied der in den Vorfall verwickelten Burschenschaft Afrania muss Strobl sich entscheiden, ob er sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder seinem Lebensbund verpflichtet fühlt", so Al-Kayal.

Update: Dienstag, 13. Oktober 2020, 22 Uhr


Druck auf Normannia und Mannheimer CDU wächst

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Nicht nur der Druck auf die Burschenschaft Normannia wächst – auch der CDU Kreisverband Mannheim steht jetzt im Fokus. Nachdem die RNZ am Samstag veröffentlicht hatte, dass Egon Manz, stellvertretender Vorsitzender des CDU-Kreisverbands, bereits im August 2019 unter anderem darüber informiert war, dass sich Rechtsradikale im Normannenhaus in Heidelberg treffen, hatte der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Michael Blume, auf Twitter geschrieben: "Für mich ist es völlig unverständlich, wie jemand gleichzeitig in der früheren, weiterhin mit Antisemitismus durchsetzten NS-Kameradschaft Normannia Heidelberg und in einer demokratischen Partei Mitglied sein kann." Hier sei eine klare Entscheidung fällig, gegebenenfalls durch die CDU.

In einer Pressemitteilung hatte das auch die Mannheimer SPD gefordert. Die neuesten Enthüllungen rund um die sogenannte "Gürtelung" eines Studenten aus antisemitischen Motiven und die Entlassung eines "Altherren" als Geschäftsführer im MVV Konzern, nachdem ein Foto nebst einem Hitlergruß veröffentlicht wurde, stellen dabei scheinbar nur die Spitze des Eisberges einer jahrelangen Aneinanderreihung von rechtsradikalen und antisemitischen Vorfällen dar, so die stellvertretende Vorsitzende Isabel Cademartori.

Am späten Samstagabend hatte Manz der RNZ schriftlich seinen Austritt aus der Normannia erklärt. Am Sonntag schrieb der Mannheimer CDU-Vorsitzende Nikolas Löbel auf Twitter: "Herr Manz hat mir nach einem langen gemeinsamen Gespräch erklärt, dass er auf Grund der Vorkommnisse in der Normannia seine Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung beendet."

Eine weitere Erklärung der CDU folgte nicht. Der SPD Mannheim reicht das nicht. "Das ist erst auf massiven öffentlichen Druck geschehen und wenig glaubwürdig. Ich kann mir vorstellen, dass die CDU glaubt, die Sache sei damit erledigt. Spätestens jetzt muss sich die CDU Mannheim zur Rolle von CDU-Vize Egon Manz bei der rechtsradikalen Burschenschaft Normannia aber erklären", sagte Cademartori auf RNZ-Nachfrage am Montag.

Die RNZ hatte Manz vergangene Woche mit einer E-Mail konfrontiert, aus der hervorgeht, dass er und fünf weitere "Alte Herren" bereits vor über einem Jahr wussten, dass sich die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Identitäre Bewegung (IB) regelmäßig im Normannenhaus trifft, ein Aktivitas-Mitglied den Holocaust verleugnet und mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben soll. Manz hatte angegeben, er habe die Vorwürfe für einen "Racheakt gehalten", sei ihnen deshalb nicht nachgegangen.

Zu dem Foto, das vor einer guten Woche vom linken Mediennetzwerk Indymedia veröffentlicht wurde und insgesamt drei Personen zeigt – darunter einen Burschenschaftler im Normannenhaus beim Hitlergruß und den inzwischen entlassenen MVV-Regioplan-Geschäftsführer sitzend daneben – hatte Manz gegenüber der RNZ geäußert, dass dieser "Alte Herr" das mit dem Hitlergruß vermutlich nicht mitbekommen habe, weil er nach vorne schaue. Der RNZ liegen zwischenzeitlich allerdings mehrere Fotos aus dieser Situation im Normannenhaus vor, die beweisen, dass die Szene zumindest so lange gedauert hat, dass sich eine weitere Person mit ins Bild stellen konnte. Auf drei der Bilder hebt ein Mann den rechten Arm zum Hitlergruß und der Ex-MVV-Regioplan-Geschäftsführer daneben sitzend den rechten Arm mit Bierglas steil nach oben.

Update: Montag, 12. Oktober 2020, 21.59 Uhr


Heidelberg. (shy) Der ehemalige Mannheimer Kriminalhauptkommissar und stellvertretende Vorsitzende des Mannheimer Kreisverbandes der CDU, Egon Manz, hat die RNZ am späten Samstagabend per E-Mail darüber informiert, dass er seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Normannia Heidelberg mit sofortiger Wirkung beendet hat.

Hintergrund: die RNZ hatte in ihrer Samstagsausgabe berichtet, dass fünf "Alte Herren" der Normannia, darunter auch Manz, bereits 2019 darüber informiert waren, dass sich Rechtsradikale im Normannenhaus treffen. Gegenüber der RNZ gab Manz an, er sei dem nicht nachgegangen, weil er die Vorwürfe für einen "Racheakt" gehalten habe. Manz war 2019 Vorsitzender der Burschenschaft. 

Update: Sonntag, 11. Oktober 2020, 18.13 Uhr


Von Sarah Hinney

Heidelberg. Erst der mutmaßliche antisemitische Übergriff im Haus der Burschenschaft Normannia Ende August, dann das Foto, das einen Burschenschaftler im Normannenhaus beim Hitlergruß zeigt – nun ist gewiss, dass der Vorstand der Normannia bereits vor über einem Jahr darüber informiert war, dass sich Rechtsradikale unter den Mitgliedern der "Aktivitas" befanden.

Der RNZ liegt ein Schreiben eines ehemaligen Mitglieds vor, in dem es unter anderem heißt: "So ist unser Verbindungshaus seit geraumer Zeit Treffpunkt der örtlichen rechtsradikalen Szene." Ferner steht in der E-Mail, dass die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Identitäre Bewegung (IB) dort regelmäßige Stammtische durchführe und politische Aktionen plane. Ein Aktivitas-Mitglied soll zudem den Holocaust verleugnet und mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben. Das Schreiben wurde am 30. August 2019 an fünf "Alte Herren" der Normannia per E-Mail gesendet.

Unter anderem an den damaligen Normannia-Vorsitzenden Egon Manz, aber auch an David Milleker, langjähriger Chefvolkswirt bei Union Investment. Nachdem die RNZ Egon Manz am Donnerstag mit dem Schreiben konfrontiert hatte, fand am Freitagmorgen ein Gespräch mit dem ehemaligen Mannheimer Kriminalhauptkommissar und stellvertretenden Vorsitzenden des Mannheimer Kreisverbandes der CDU statt.

Manz erklärte, dass es zu den Vorwürfen 2019 interne Ermittlungen im Haus der Normannia gegeben habe. Diese hätten ergeben, dass es sich bei dem Schreiben "um einen Racheakt" eines anderen Normannen wegen Streitigkeiten innerhalb der Aktivitas gehandelt habe. Die Polizei sei daher nicht eingeschaltet worden. Der Autor der E-Mail habe das Haus später freiwillig verlassen, "um einem Rauswurf zuvorzukommen".

Wenige Wochen später habe es einen weiteren Vorfall gegeben. Ein Mitglied der Aktivitas habe sich am Telefon mit "Heil Hitler" gemeldet – auch dieser Mann habe daraufhin die Normannia verlassen müssen. "Danach war Ruhe und das war überhaupt das erste Mal, dass ich auf diesem Haus mit einem rechtsradikalen Vorfall konfrontiert war", so Manz. Dass ein Student der Heidelberger Verbindung Rupertia bereits am 1. Mai 2019 von mehreren Normannia-Mitgliedern in der Altstadt antisemitisch beschimpft und später so geschlagen worden sei, dass das Opfer dabei einen Zahn verloren habe, davon habe er nichts gewusst. Und dass ein Mitglied der Normannia in diesem Zusammenhang vom Amtsgericht Heidelberg am 22. Juni 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen wurde, habe er erst aus der RNZ erfahren.

Nachdem öffentlich wurde, dass ein Student der Verbindung Afrania mit Gürteln geschlagen und antisemitisch beleidigt worden sein soll, habe er die achtköpfige Aktivitas ohne weitere Untersuchung aufgelöst. Zwei der ehemaligen Aktiven wohnen allerdings bis heute in dem Haus, sie hätten noch einen Mietvertrag, so Manz. Einer von ihnen ist Mitglied der Identitären Bewegung. Das will Manz aber nicht gewusst haben. Auf die Frage, wie das sein könne, wo er doch ein Jahr zuvor darüber informiert wurde, antwortet er: "Das habe ich damals nicht überprüft, ich dachte ja, es wäre ein Racheakt."

Manz macht keinen Hehl daraus, dass es innerhalb der Burschenschaft inzwischen mächtig rumore. Rund 90 Alte Herren gebe es in der Normannia. Vier seien im Zuge der jüngsten Vorfälle bereits ausgetreten. "Viele sitzen auf gepackten Koffern – die warten die Gerichtsverhandlung ab", so Manz. Das Rumoren hat sich seit der Veröffentlichung des Fotos, das den inzwischen ehemaligen MVV-Regioplan-Geschäftsführer direkt neben einem Burschenschaftler zeigt, der den Arm zum Hitlergruß hebt, noch verstärkt. "Das so etwas auf dem Haus möglich war, ist eine Schande", betont Manz, vermutet aber gleichzeitig, dass der "Alte Herr" das mit dem Hitlergruß nicht mitbekommen habe, "er schaut ja nach vorne". Die MVV Energie AG hat den Mann Anfang der Woche entlassen, nachdem die RNZ das Unternehmen mit dem Foto konfrontiert hatte.

In Sachen Aktivitas gibt Manz zu: "Aus heutiger Sicht hätte man die schon vor einem Jahr auflösen müssen." Die Mannheimer CDU steht jedenfalls hinter ihrem stellvertretenden Vorsitzenden. Die RNZ-Nachfrage, inwieweit es für eine christlich-demokratische Partei vertretbar sei, in den eigenen Reihen Personen zu haben, die sich im Umfeld von Rechtsradikalen bewegen, weist die CDU die "Unterstellung" zurück. So teilt der Pressesprecher des CDU-Kreisverbandes Mannheim, Christian Hötting, unter anderem mit: "Egon Manz steht auf dem Boden des Grundgesetzes." Auch Manz sagt: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe alles getan, um das Problem der Normannia zu lösen."

Update: Freitag, 9. Oktober 2020, 14 Uhr


MVV entlässt Regioplan-Geschäftsführer

Der Mitarbeiter ist "Alter Herr" bei der Normannia. Ein Foto zeigt ihn neben einem Mann, der den Hitlergruß zeigt.

Heidelberg. (shy) Die MVV Energie AG hat den bisherigen Geschäftsführer des Tochterunternehmens MVV Regioplan entlassen. Das hat das Unternehmen am Dienstagnachmittag schriftlich mitgeteilt. Hintergrund ist ein Foto, das zuerst vom linken Mediennnetzwerk Indymedia veröffentlicht worden war. Es zeigt den Mitarbeiter des Mannheimer Energieversorgers MVV in den Räumen der Burschenschaft Normannia Heidelberg auf einem Stuhl sitzend, die rechte Hand mit einem Bierglas erhoben. Neben ihm sitzt ein Mitglied einer anderen Burschenschaft, das die rechte Hand zum Hitlergruß erhebt.

Nachdem die Rhein-Neckar-Zeitung die MVV Energie AG am Sonntag mit Text und Foto konfrontiert hatte, teilte ein Unternehmenssprecher am Montagvormittag mit, dass das Unternehmen den Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung bis zur Klärung des Vorgangs freigestellt hat.

Am Dienstag schrieb das Unternehmen: "Nach der gestern unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe erfolgten sofortigen Freistellung hat MVV nun heute die endgültige Trennung von dem Mitarbeiter vollzogen und den Arbeitsvertrag gekündigt. Gleichzeitig wurde er als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft abberufen."

Ein Unternehmenssprecher bekräftigte zur Begründung erneut, dass das Unternehmen keinerlei Nähe zu rechtsradikalen Positionen duldet. MVV stehe für Toleranz, Vielfalt und Gerechtigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft. 

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg teilte auf Nachfrage mit, dass bezüglich des Fotos die Ermittlungen aufgenommen worden sind. Das Zeigen eines Hitlergrußes ist in Deutschland strafbar. Insgesamt sind auf dem Bild drei Personen zu sehen. Der MVV-Mitarbeiter, der Burschenschaftler, der den Hitlergruß zeigt und eine weitere Person im Hintergrund, die einen Helm trägt. Bei dem Mann, der den Hitlergruß zeigt, handle es sich laut Indymedia um ein Burschenschaftsmitglied aus Köln. Unklar ist, wann das Foto aufgenommen wurde.

Update: Dienstag, 6. Oktober 2020, 15.03 Uhr


Von Sarah Hinney

Heidelberg. Fast war es ruhig geworden um die Burschenschaft Normannia Heidelberg. Bis das linke Mediennetzwerk Indymedia am Freitag im Rahmen eines ausführlichen Textes ein Foto veröffentlichte, das einen hochrangigen Mitarbeiter des Mannheimer Energieversorgers MVV zeigt: Markus P., der Geschäftsführer der MVV Regioplan. P. sitzt auf einem Stuhl, hebt die rechte Hand mit einem Bierglas steil nach oben. Neben ihm sitzt ein Mitglied einer anderen Burschenschaft, das die rechte Hand reckt, aber ohne Bierglas – zum Hitlergruß.

Nachdem die Rhein-Neckar-Zeitung die MVV Energie AG am Sonntag mit Text und Foto konfrontiert hatte, teilte ein Unternehmenssprecher am Montagvormittag mit, dass das Unternehmen Markus P. mit sofortiger Wirkung bis zur Klärung des Vorgangs freigestellt hat. Man dulde keinerlei Nähe zu rechtsradikalen Positionen. "MVV steht für Toleranz, Vielfalt und Gerechtigkeit, gleichzeitig für Null Toleranz gegenüber jeglicher Form von politischem Extremismus." Dass es sich auf dem Foto um den Mitarbeiter handele, daran bestehe kein Zweifel, so der MVV-Sprecher auf Nachfrage. P. selbst war am Montagmorgen nicht zu erreichen. "Er wird sich aber dazu äußern müssen", sagte der Sprecher weiter. Klar ist bereits jetzt, dass P. nicht zufällig bei der Normannia ist. Er trägt ein Burschenschaftsband auf dem Foto. Laut Indymedia ist P. ein "Alter Herr" der Normannia.

Die Heidelberger Burschenschaft war Anfang September in den Blick der Öffentlichkeit gerückt, nachdem ein mutmaßlicher antisemitischer Übergriff öffentlich geworden war. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Daraufhin war die "Aktivitas" – also die Gruppe der studentischen Mitglieder der Burschenschaft – aufgelöst worden.

Das jetzt veröffentlichte Foto ist ein weiterer Hinweis darauf, dass längst nicht alle Fragen im Umfeld der Burschenschaft geklärt sind. Das Zeigen des Hitlergrußes ist in Deutschland eine Straftat. Wann das Bild entstand, ist derzeit noch unklar.

Die Bezüge der Normannia zu Rechten und Rechtsradikalen sind hingegen eindeutig. Zu den "Alten Herren" der Burschenschaft gehört der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth. Er ist seit Sonntag AfD-Vorsitzender im Saarland. Auch die Veranstaltung der Nachwuchsorganisation "Junge Alternative Kurpfalz" (JA) im März 2018 im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei – bei der der rechtsextreme damalige AfD-Brandenburg-Chef Andreas Kalbitz als Redner geladen war – hat Bezüge zur Normannia. Organisiert wurde diese vom damaligen JA-Sprecher Kilian Steinmann, nach RNZ-Informationen ebenfalls ein Normanne. 

Update: Montag, 5. Oktober 2020, 23.55 Uhr


Zehn Polizisten ermitteln gegen acht Personen

Heidelberg. (shy) Der Innenausschuss des Landtags Baden-Württemberg hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch unter anderem mit den Ermittlungen zum antisemitischen Übergriff in den Räumen der Burschenschaft Normannia befasst. Wie der Ausschussvorsitzende Karl Klein (CDU) – laut einer Presseerklärung – mitteilte, wird derzeit durch das Polizeipräsidium Mannheim und die Staatsanwaltschaft Heidelberg ein Ermittlungsverfahren gegen acht Personen geführt. Diese stünden im Verdacht, einen 25-jährigen Mann körperlich misshandelt und antisemitisch beleidigt zu haben. Der Fall sei aufgrund seines Hintergrundes und seiner Bedeutung für die Polizei Baden-Württemberg alles andere als gewöhnlich. Das Polizeipräsidium Mannheim setze daher über zehn Ermittler ein, sagte Klein.

Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch fordert unterdessen umfassende Aufklärung. Wie bereits angekündigt, hat er eine Anfrage an den Landtag Baden-Württemberg gestellt. Konkret will Weirauch unter anderem wissen, wann und wie die Landesregierung Kenntnis von dem Vorfall erhalten hat und wegen welcher Straftatbestände gegen welche Personen ermittelt werde. Außerdem fordert Weirauch Informationen von Landesregierung, Polizei- und Justizbehörden sowie dem Verfassungsschutz über mögliche Erkenntnisse, ob zwischen den Personen – gegen die ermittelt wird – und der "Identitären Bewegung", der "Jungen Alternative", der AfD oder anderen rechtsextremen Gruppierungen Verbindungen bestehen. Ferner will er wissen, ob bereits vor dem Vorfall Verbindungen zwischen der Normannia und der rechtsextremen Szene bestanden, und ob die Räume der Burschenschaft als Treffpunkt der rechtsextremen Szene bekannt sind. 

Update: Freitag, 25. September 2020, 19.30 Uhr


Heidelberg. (shy) Drei Heidelberger Burschenschaften haben in einer gemeinsamen Presseerklärung ihre Solidarität mit dem Verbindungsstudenten erklärt, der Ende August im Haus der Burschenschaft Normannia antisemitisch beleidigt, mit Gürteln geschlagen und mit Münzen beworfen worden sein soll.

"Mit Abscheu und Betroffenheit haben wir, die Heidelberger Burschenschaften Allemannia, Frankonia und Vineta, den antisemitischen Vorfall zur Kenntnis genommen", heißt es in der Mitteilung. Antisemitische Beleidigungen und Demütigungen mit tätlichen Angriffen hätten sie in einer akademischen Verbindung nicht für möglich gehalten. Mit der sofortigen Auflösung der Aktivitas habe die betroffene Altherrenschaft das Mindestmaß der zwingend gebotenen Konsequenzen gezogen.

"Rassistische und insbesondere antisemitische Äußerungen, Angriffe sowie jede Art von Diskriminierung innerhalb unserer Verbindungen oder gegenüber Gästen und Dritten sind für uns absolut undenkbar", heißt es weiter. Ein derartiges Verhalten sei in keiner Weise zu akzeptieren, zu entschuldigen oder zu verharmlosen, sondern müsse, auch abgesehen von den strafrechtlichen, harte Konsequenzen haben. Und weiter: "Wir setzen uns aktiv für die verfassungsmäßige Ordnung unseres Grundgesetzes ein, die gerade aus dem Gedanken geboren wurde, nie wieder solche Diskriminierungen zu dulden." Die drei Burschenschaften sind die ersten, die sich in Heidelberg zu dem Vorfall öffentlich zu Wort melden – insgesamt gibt es in Heidelberg rund 30 Burschenschaften und Studentenverbindungen.

Der Vize-Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, Frederek Musall, hatte wenige Tage nach Bekanntwerden des Vorfalls gefordert, dass sich die Burschenschaften – gerade vor dem Hintergrund ihres historischen Selbstverständnisses als Vorkämpfer der Demokratie – klar zu dem antisemitischen Vorfall positionieren und sich distanzieren müssten.

Update: Montag, 21. September 2020, 20.15 Uhr


Von Sarah Hinney

Heidelberg. Der Übergriff im Haus der Burschenschaft Normannia Ende August, bei dem ein Student mit Gürteln geschlagen, antisemitisch beschimpft und mit Münzen beworfen worden sein soll, ist nicht der einzige strafrechtlich relevante Vorfall, in den Mitglieder der Normannia verwickelt waren.

Recherchen der RNZ haben ergeben, dass mindestens ein Mitglied der Normannia bereits am 19. Januar 2019 bei einem Angriff auf das Linke Zentrum "Ewwe longt’s!" in der Mannheimer Neckarstadt beteiligt war. Bei der Eröffnungsfeier des Zentrums hatte eine Gruppe von "Störern" versucht, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten zu verschaffen und Pfefferspray versprüht. Später wurde durch eine Landtagsanfrage des Mannheimer Abgeordneten Boris Weirauch bekannt, dass es sich bei den "Störern" um Mitglieder der "Jungen Alternative" (JA) Baden-Württemberg sowie um Beteiligte mit Bezügen zur rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) handelte.

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat jetzt auf RNZ-Nachfrage bestätigt, dass mindestens ein Mitglied der Normannia unter den "Störern" war. Ebenfalls bestätigt ist, dass es in der Folge zu einem Ermittlungsverfahren gegen dieses Mitglied gekommen ist. Tatvorwurf war das Führen von Waffen bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen, strafbar nach dem Versammlungsgesetz. Wie das Verfahren ausging, konnte die Staatsanwaltschaft angesichts der Vielzahl an Ermittlungsverfahren gegen die "Störer" nicht sagen.

Zudem soll nach RNZ-Informationen ein Student der Heidelberger Verbindung Rupertia am 1. Mai 2019 von mehreren Normannia-Mitgliedern in der Heidelberger Altstadt zunächst antisemitisch beschimpft und später so geschlagen worden sein, dass das Opfer dabei einen Zahn verlor. Dass es an jenem 1. Mai einen Vorfall gab, hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg auf RNZ-Anfrage nun ebenfalls bestätigt.

Ein Mitglied der Burschenschaft Normannia wurde in diesem Zusammenhang vom Amtsgericht Heidelberg am 22. Juni 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Details zu dem Verfahren nannte die Staatsanwaltschaft nicht. Das Urteil sei aber noch nicht rechtskräftig. Im Zusammenhang mit den Vorfällen am 1. Mai gibt es noch ein weiteres laufendes Ermittlungsverfahren gegen eine andere Person, die zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat ebenfalls Mitglied der Normannia war. Der Tatvorwurf lautet hier auf gefährliche Körperverletzung sowie Volksverhetzung.

Wie schon nach dem antisemitischen Übergriff im Haus der Normannia vor drei Wochen gab die Polizei auch nach dem Vorfall am 1. Mai 2019 keine Pressemitteilung heraus. Dabei hatte der Verletzte – laut Staatsanwaltschaft – noch am Abend der Tat Anzeige bei der Polizei erstattet.

Doch damit endet die Liste der Ermittlungsverfahren gegen Normannia-Mitglieder noch immer nicht: So hatte die Staatsanwaltschaft Heidelberg vergangenes Jahr auch noch wegen des Verdachts des Zeigens eines "Hitlergrußes" gegen einen der Burschenschaftler ermittelt. Dieses Verfahren wurde mit Verfügung vom 3. Januar 2020 in Ermangelung eines hinreichenden Tatverdachts aber eingestellt, so die Staatsanwaltschaft Heidelberg.

An dem antisemitischen Übergriff vom 29. August sollen acht Personen beteiligt gewesen sein. Nach RNZ-Informationen sind mindestens zwei davon Normannia-Mitglieder. Drei weitere stammen aus dem Saarland. Es soll sich um Mitglieder der Saarbrücker Burschenschaft Ghibellinia zu Prag handeln. Bekanntes Mitglied unter den "Alten Herren" dieser Burschenschaft ist der AfD-Bundetagsabgeordnete Christian Wirth – er ist auch Mitglied der Normannia.

Update: Donnerstag, 17. September 2020, 20 Uhr


Innenministerium hält Zweifel an neutraler Aufklärung für nicht angebracht

"Wir nehmen den Vorfall sehr ernst" - Viele offene Fragen werden erst jetzt beantwortet

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Warum wurde die Öffentlichkeit nach dem antisemitischen Übergriff auf einen Studenten im Haus der Burschenschaft Normannia am 29. August erst so spät informiert? Wieso hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg in ihrer Pressemitteilung das Schlagen mit dem Gürtel als "gängiges Ritual" dargestellt, obwohl dieses Ritual unbekannt ist? Weshalb wird das Innenministerium erst jetzt aktiv, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass die Burschenschaft Normannia Bezüge in die rechtsextreme Szene hat? Wie kann gesichert werden, dass der Vorfall lückenlos aufgeklärt wird, wenn Vertreter von Polizei und Justiz zu den Alten Herren der Normannia gehören? Und hatte Innenminister Thomas Strobl – der selbst seit Studienzeiten Mitglied der "Landsmannschaft Afrania" ist, zu der auch das mutmaßliche Opfer des aktuellen Vorfalls gehört – durch seine Verbindungen frühzeitig Kenntnis von dem Vorfall?

Es sind viele Fragen offen – einige davon haben Strobl und das Innenministerium jetzt beantwortet. "Ich habe zur Landsmannschaft Afrania überhaupt keinen regelmäßigen Kontakt mehr", sagte Strobl gegenüber der RNZ. Er selbst habe von dem antisemitischen Vorfall Kenntnis bekommen, als er von der Polizei bearbeitet wurde. Zur Normannia habe er auch zu seiner eigenen Studentenzeit als Afrania-Mitglied in Heidelberg kaum Kontakt gehabt, sagte der Minister weiter. "Besuche aus dem anderen Haus waren sehr selten – was auch damit zusammenhängt, dass die Normannia eine Burschenschaft ist, wir eine Landsmannschaft. Das sind unterschiedliche Dachverbände. Deswegen hatten wir – obwohl wir Nachbarn waren – mit anderen Verbindungen viel mehr Kontakt."

Warum das Innenministerium sich erst im Zuge des antisemitischen Übergriffs mit der Normannia beschäftigt, dazu sagt ein Ministeriumssprecher: "Die Burschenschaft ist kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz." Unabhängig davon würde die Polizei bei konkreten Gefahren oder dem Verdacht von strafbaren Handlungen tätig. "Bei antisemitischen Vorfällen sind wir dabei in hohem Maße sensibel und gehen jedem Hinweis auf strafbares Verhalten konsequent nach."

Zweifel an der neutralen Aufklärung des Falles seien nicht angebracht, heißt es weiter aus dem Ministerium. Es gehe darum, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären, und es werde – ohne Ansehen der Person – jedem noch so geringen Verdachtsmoment umfassend nachgegangen. Dabei habe das Ministerium den Fortgang der Ermittlungen eng im Blick und stehe auch im Austausch mit der jüdischen Gemeinde in Heidelberg und dem Antisemitismus-Beauftragten des Landes, Michael Blume.

Blume hatte vergangene Woche die Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei kritisiert, weil dort das Schlagen mit dem Gürtel als "gängiges Ritual" dargestellt wurde. Auf die Frage, wie es dazu kam, gibt das Ministerium lediglich eine ausweichende Antwort: "Die konkrete Tathandlung ist Gegenstand der aktuellen Ermittlungen. Wir nehmen den Vorfall im Innenministerium sehr ernst und haben Vertrauen in die polizeiliche Arbeit und die lückenlose Aufklärung."

Völlig offen bleibt indes die Frage, warum die Öffentlichkeit nicht spätestens nach der Hausdurchsuchung bei der Normannia am 2. September informiert wurde. Die Information der Öffentlichkeit sei am Verlauf der Ermittlungen auszurichten und obliege der Staatsanwaltschaft, heißt es dazu aus dem Ministerium.

Update: Montag, 14. September 2020


Normannia hat seit Jahren Verbindungen zu Rechtsextremen

Nun macht auch die Landtags-SPD Druck. Auch OB Würzner und die Universität meldeten sich zu Wort. Zudem stellt sich die Frage, wer den Wikipedia-Beitrag zur "Gürtelung" schrieb, der erst nach dem Vorfall entstand?

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Aufklärung mit Nachdruck hat Innenminister Thomas Strobl am Donnerstag gegenüber der RNZ im Zusammenhang mit dem antisemitischen Übergriff auf einen Studenten im Haus der Normannia versprochen – auch die Landtags-SPD macht jetzt Dampf. Der Mannheimer SPD-Abgeordnete Boris Weirauch möchte in einer Landtags-Anfrage wissen, ob Verbindungen von Burschenschaften in die rechtsextreme Szene, Bezüge zur AfD und zur "Identitären Bewegung" bestehen.

Bezüge der Normannia zur AfD zu finden, ist ein Leichtes: Zu den "Alten Herren" der Burschenschaft gehört der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth. Martin Kohler, stellvertretender Vorsitzende des Berliner Landesverbands der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA), posierte bereits 2018 auf der Terrasse des Normannia-Hauses – und postete das Bild auf Instagram. Der AfD-Politiker Malte Kaufmann war ebenfalls 2018 als Redner bei der Burschenschaft zu Gast.

Auch die Nähe der Burschenschaft zur rechtsextremen Szene ist seit Jahren bekannt. Schon 2004 hatte die RNZ über ein geplantes Treffen bei der Normannia berichtet, das nach Protesten wieder abgesagt worden war. Zu der Veranstaltung waren unter anderem Michael Nier und Karl Richter als Redner angekündigt. Richter wurde 1995 wegen Volksverhetzung verurteilt. Nier war Europakandidat für die NPD. Aus Österreich sollte außerdem Gerhoch Reisegger anreisen – ein rechtsextremer Publizist und Verschwörungstheoretiker.

Unklar ist indes weiterhin, was hinter dem Versuch steckt, den antisemitischen Übergriff im Haus der Normannia im Nachhinein zu verharmlosen. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte am Montag gegenüber der RNZ geäußert, dass es sich bei dem Schlagen mit Gürteln, der sogenannten "Gürtelung", angeblich um ein gängiges Ritual handele. In einer Presseerklärung hatten Polizei und Staatsanwaltschaft die Aussage am Dienstag wiederholt.

In der Nacht zum Mittwoch hatte dann ein Unbekannter einen ausführlichen Wikipedia-Artikel zum Thema angelegt. Darin wurde behauptet, dass es sich bei der "Gürtelung um ein humoristisches Ehrenritual mit dem Zwecke symbolischer Bestrafung oder eines Kräftemessens innerhalb jugendlicher (meist akademischer) Kreise" handle.

Pikant dabei: Nur wenige Stunden später verbreitete Norbert Weidner auf Twitter den Beitrag. Weidner war von 2008 bis 2012 Schriftleiter der "Burschenschaftlichen Blätter" und als solcher Mitglied des Verbandsrates der Deutschen Burschenschaft. Er gilt überdies als rechtsextrem und gehörte früher mehreren neonazistischen Organisationen an. Der Wikipedia-Beitrag hatte jedoch nicht lange Bestand – seit Donnerstagabend ist er gelöscht.

In der Causa Normannia sind also viele Fragen offen. "Die Geschehnisse müssen vollständig aufgeklärt werden", forderte Oberbürgermeister Eckart Würzner am Freitag. "Ich bin entsetzt über diesen widerlichen Vorfall. Es ist wichtig, dass das Opfer Anzeige erstattet hat und die Täter nun ermittelt werden." In Heidelberg gebe es keinen Platz für Antisemitismus, rechtsradikales Gedankengut und Gewalt – weder in Burschenschaften noch an anderer Stelle. "Wir sind eine weltoffene und tolerante Stadt, in der das friedliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen tagtäglich gelebt wird. Jüdisches Leben ist ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft", so der OB.

Auch die Universität Heidelberg hat sich inzwischen zu Wort gemeldet und verurteilt antisemitische Übergriffe und Diskriminierungen auf das Schärfste: "Die Universität Heidelberg ist eine Einrichtung, in der Menschen unterschiedlichster Herkunft, Geschlechter, sexueller sowie religiöser und weltanschaulicher Orientierungen, sozialer Schichten und aus vielen verschiedenen Ländern zusammenkommen, um partnerschaftlich, gleichberechtigt und respektvoll miteinander zu arbeiten." Zu Burschenschaften unterhalte die Universität keinerlei institutionelle Verbindungen. Vielmehr betrachte man sie als "Netzwerke von Privatpersonen". Die Uni vertraue darauf, "dass die staatlichen Instanzen antisemitische Übergriffe jeglicher Art rückhaltlos aufklären und ahnden".

Update: Samstag, 12. September 2020


"Wer schweigt, macht sich mitschuldig"

Nach dem Vorfall bei der Burschenschaft Normannia demonstrierten in Heidelberg 100 Menschen gegen Antisemitismus.

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Rund 100 Menschen versammelten sich am Freitagabend auf dem Universitätsplatz, um nach dem Vorfall im Haus der Heidelberger Burschenschaft Normannia ein Zeichen zu setzen gegen Antisemitismus. Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Heidelberg hatte am Mittwoch im Internet zu der Kundgebung mit dem Titel "Entschlossen gegen Antisemitismus" aufgerufen, und Angehörige verschiedener Parteien und Initiativen von den Liberalen bis zur Antifa waren diesem Aufruf gefolgt.

Er sei "schockiert und wütend", darüber, was sich auf dem Burschenschafts-Haus zugetragen habe, erklärte Patrick Baumgärtner vom Jungen Forum der DIG. In der Nacht auf den 29. August soll ein 25-Jähriger dort mit Münzen beworfen und mit Gürteln geschlagen worden sein, nachdem er angegeben hatte, dass er jüdische Vorfahren habe. Ans Licht gebracht wurde das Ganze von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, die darüber auf ihrer Homepage und in einer Pressemitteilung informierte. Auf der Homepage der Normannia wurde inzwischen die Auflösung der studierenden Mitglieder der Burschenschaft, der sogenannten "Aktivitas", bekannt gegeben. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Staatsschutz beschäftigen sich mit dem Fall.

Es sei nicht der erste antisemitische Übergriff in diesem Jahr, weder in Heidelberg noch in Deutschland, sagte Baumgärtner. Er und ein weiterer Vertreter des Jungen Forums forderten unter anderem, das Thema Antisemitismus in der Gesellschaft grundsätzlicher anzugehen, auch unterschwelligere Formen dessen auszumachen und darauf hinzuweisen.

CDU-Landtagskandidatin Anja Boto sagte: "Antisemitismus ist nicht tragbar und das müssen wir in alle Gesellschaftsgruppen hinaustragen." Der Heidelberger FDP-Landtagskandidat Benjamin Brandstetter betonte, dass eine schnelle Aufklärung, wie sie Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) versprach, nicht ausreiche. "Wir müssen den Antisemitismus als das bekämpfen, was er ist: ein Angriff gegen uns alle."

Hieronymus Eichengrün von den Jungen Liberalen hat es laut eigener Aussage selbst erlebt, wie es ist, zum Ziel von Antisemitismus zu werden, als er mit Kippa durch die Stadt lief. Mittlerweile mache er das nicht mehr, da er das Gefühl habe, sich nicht mehr frei bewegen zu können. Eichengrün forderte, dass der Staat mit aller Härte gegen antisemitische Übergriffe wie bei der Normannia vorgehen müsse, dass die Polizei stärker für Antisemitismus sensibilisiert wird – und dass niemand mehr die Augen verschließe, denn: "Wer schweigt, macht sich mitschuldig."

Update: Samstag, 12. September 2020


Landes-SPD will mehr über die Vorfälle bei der Burschenschaft wissen

In der Landtagsanfrage geht es um Bezüge zur AfD, zur "Identitären Bewegung" oder anderen rechtsextremen Parteien oder Gruppierungen.

Von Sören Sgries

Heidelberg/Stuttgart. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zu einem antisemitischen Vorfall in einem Heidelberger Burschenschaftshaus aufgenommen hat, schaltet sich auch die Landtags-SPD ein. In einer Landtagsanfrage, die am Donnerstag gestellt wurde, wollen die Parlamentarier unter Bezug auf die RNZ-Berichterstattung unter anderem wissen, wann die Landesregierung von den Vorfällen Kenntnis bekommen hat. Auch wird sehr detailliert nach Bezügen zur AfD, zur "Identitären Bewegung" oder anderen rechtsextremen Parteien oder Gruppierungen gefragt.

Der Mannheimer SPD-Abgeordnete Boris Weirauch sagte dazu, die Landesregierung müsse genau hinschauen, ob es Verbindungen von Burschenschaftlern in die rechtsextreme Szene gebe: "Zustände wie in Österreich, wo rechtsextreme Bur

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