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80 Jahre Deportation nach Gurs: Eppinger Kirchenglocken läuteten zum Gedenken

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		80 Jahre Deportation nach Gurs:  Eppinger Kirchenglocken läuteten zum Gedenken

Eppingen. (apo) Ein kräftiges Wummern, krachende Schläge an der Haustür, hasserfüllte Befehle. So oder so ähnlich muss es sich abgespielt haben. Vielleicht waren Julius Sternweiler und seine Frau Liesel damals gerade dabei, sich ein Frühstück zu richten. Vielleicht wurden sie aber auch so aus dem Schlaf gerissen. Genau weiß man es nicht, aber bekannt ist, dass man sie und das Ehepaar Berta und Simon Siegel an diesem Tag ins französische Gurs verschleppte. Mit ihnen wurden fast 6700 badische, pfälzische und saarländische Juden in Züge verfrachtet – zuallermeist ohne Protest, ohne einen Sturm der Entrüstung, ohne helfende Hände von Nachbarn, die das Unrecht zu verhindern versuchten. "Der Abtransport ging in aller Ordnung vor", steht in einem Freiburger Polizeibericht.

"Wie die Tiere wurden sie getrieben", berichtete eine Augenzeugin aus Schluchtern (heute ein Stadtteil von Leingarten). "Wie einen Sack Kartoffeln hat man sie raufgeschmissen", erzählte eine andere. Von Gurs wurden Tausende in die Vernichtungslager von Auschwitz, Majdanek und Sobibor geschickt. Männer, Frauen, Alte und Kranke. Das Ehepaar Siegel starb bereits wenige Wochen nach der Ankunft, die Sternweilers starben etwas später im Vernichtungslager Récébédou.

"Kein Grabstein nennt ihre Namen", sagte Oberbürgermeister Klaus Holaschke am jüdischen Mahnstein, der vor dem Gymnasium steht. Rektor Ulrich Müller erinnerte daran, dass die Menschlichkeit abnimmt, je mehr man auf das Denken verzichtet. Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch nutzte den Anlass, um ihr Entsetzen über die Deportation auszudrücken: "Die Erinnerung ist ein Teil unseres Nichtvergessens." Viele Menschen meinen heute, dass all dies doch schon so lange her sei, doch wer sich nicht mehr erinnern will, der werde anfällig für Ansteckung. Holaschke verwies in seiner Rede an die Taten von Halle und Hanau. Sie zeigen, dass Juden, aber auch Muslime in Deutschland heute wieder um ihre körperliche Unversehrtheit, ja sogar um ihr Leben fürchten müssen. Mit der Gedenkfeier wolle man ein Zeichen setzen, dass "Gewalt, Hass und Hetze" keinen Platz in unserer Stadt und in unserem Land haben.

Wer keinen Namen hat, dessen Geschichte wird irgendwann vergessen sein. Elisabeth Hilbert, Vorsitzende des Vereins "Jüdisches Leben Kraichgau", erzählte: Berta und der Kassenwart Simon Siegel wohnten damals in der Adelhofer Straße 15. Als sie 1939 zum Auszug gezwungen wurden, versuchten sie vergebens, in Karlsruhe eine neue Bleibe zu finden, und mussten ins Armenhaus im Linsenviertel umziehen. Der Tierfellhändler Julius Sternweiler war in zweiter Ehe mit der 22 Jahre jüngeren Liesel verheiratet. Sie wohnten bis zu ihrer Deportation in der Fleischgasse 5. Beide Paare waren kinderlos.

Michael Heitz verlas einen Gruß von Dr. Menachem Mayer, der Gurs überlebt hat und heute in Jerusalem wohnt. Zwar hätte er seiner Heimat schon lange den Rücken zugekehrt, aber den Geruch nach Äpfeln, frisch gebackenen Brezeln und Wald in seiner Geburtsstadt Hoffenheim könne er bis heute nicht vergessen. Pfarrer Manfred Tschacher und Diakon Steffen Becker sprachen ein Fürbittengebet der Schüler des Östringer Leibniz-Gymnasiums.

Am Ende des 22. Oktober 1940 meldete man stolz nach Berlin, dass die Gaue Baden und Saarpfalz nun "judenfrei" seien. An einem einzigen Tag wurden 6676 jüdische Deutsche, darunter 402 aus dem Kraichgau, nach Gurs verschleppt. "Wir wollen sie nicht vergessen", sagt Hilbert mahnend.

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