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Gewichtheber Almir Velagic: "Ich bin immer aufs Ganze gegangen"

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		Gewichtheber Almir Velagic:

Von Roland Karle

Heidelberg/Leimen. Nach einer schweren Verletzung im vergangenen Jahr beendete Almir Velagic seine Karriere als Leistungssportler. Der Gewichtheber trainierte fast 20 Jahre lang im Trainingszentrum in Leimen und startete für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Peking, London und Rio. Velagic ist ein Sympathieträger für seine Sportart und wird ihr als Trainer treu bleiben. Im RNZ-Interview blickt der 38-Jährige auf besondere Momente zurück und sagt, was er in Zukunft vorhat.

Almir Velagic, vor gut zwei Wochen bei der deutschen Meisterschaft in Obrigheim standen Sie nach langer Zeit mal wieder auf der Bühne. Allerdings nicht im Heberdress, sondern in Zivil. Sie wurden aus der Nationalmannschaft verabschiedet. Wie ging es Ihnen dabei?

Das war schon ein eigenartiges Gefühl. Auf die Bühne zu gehen, ohne die Hantel zu heben, das ist für mich total ungewohnt. Ich habe in meiner langen Laufbahn die Verabschiedung einiger Athleten erlebt – und jetzt war ich eben selbst an der Reihe.

Sie hatten andere Pläne. Bis weit in den Herbst 2018 gaben Sie sich kämpferisch, wollten sich für Tokio 2020 qualifizieren. Das wären Ihre vierten Olympischen Spiele gewesen. Dann kam die Weltmeisterschaft in Turkmenistan – und ein ganz bitteres Ende.

Ja, leider. Ich war nach einer Verletzungspause gerade wieder auf dem Weg nach oben, hatte gut trainiert und mir für die WM einiges vorgenommen. Nichts deutete darauf hin, dass ich dort meinen letzten internationalen Auftritt haben würde.

Was passierte?

Im Reißen hatte ich 185 Kilo auf der Hantel. Mein Arm knickte ein, der Ellenbogen verdrehte sich, das war’s.

Es gibt Aufnahmen vom Wettkampf. Das sah richtig übel aus.

Stimmt. So höllische Schmerzen hatte ich noch nie. Mir war sofort klar: Da ist was kaputt gegangen. Ich wurde später operiert, es ist alles gut verheilt.

Aber als Leistungssportler weiterzumachen, dazu reicht es nicht?

Nein, das hat sich erledigt. Dieses Kapitel ist vorbei, das wusste ich in dem Moment, als es mir den Ellenbogen rausgehauen hat.

Ist es besonders schmerzhaft, die Karriere wegen einer Verletzung und nicht aus eigenem Entschluss beenden zu müssen?

Ich bin in wichtigen Wettkämpfen immer aufs Ganze und somit ins Risiko gegangen, aber ich war auf die hohen Lasten durch mein Training vorbereitet. Die Verletzung war ein Schock, die hätte ich mir gerne erspart. Aber im Profisport muss man damit rechnen, deswegen komme ich gut damit klar.

Trainieren Sie noch, zumindest als Freizeitheber?

Gewichtheben übe ich inzwischen als Gesundheitssport aus. Auch deshalb, weil ich gemerkt habe, dass ich mich schlechter fühle, wenn ich nichts tue. Dann sind die Gelenke nicht richtig geschmiert, ich bekomme Rücken- und Gelenkschmerzen. Außerdem will ich so viel wie möglich Muskelmasse behalten. Aber ich trainiere nicht mehr nach Plan, sondern nach Gefühl.

Als Superschwergewichtler ging es auch darum, mächtig Körpermasse auf die Bühne zu bringen. Sie sehen jetzt richtig schlank aus.

Na ja, ich habe schon ordentlich abgenommen. Mein Rekordgewicht waren 151 Kilo vor Olympia 2016, und bei meinem letzten Wettkampf im November 2018 wog ich 145 Kilo. Jetzt sind es rund 120 Kilo, das fühlt sich gut an. Und für den Alltag bin ich viel besser zu gebrauchen.

Sie haben nicht nur viel trainiert, sondern auch üppig gegessen, um mit den Kolossen Ihrer Sportart mitzuhalten. Kein reines Vergnügen, oder?

Überhaupt nicht. Als Superschwergewichtler musste ich jeden Tag 8 000 bis 10 000 Kalorien zu mir zu nehmen. Jetzt esse ich nur noch, wenn ich hungrig bin. Das genieße ich.

Haben Sie sich an Ihren neuen Alltag als Trainer schon gewöhnt?

Meinem Sport treu zu bleiben und als Trainer zu arbeiten, diese Idee ist über Jahre gereift. Als Mitinhaber des Fitnessstudios Einhundert Prozent in Mannheim, wo ich mich als verantwortlicher Coach ums Gewichtheben kümmere, habe ich gemerkt: Trainer sein, das ist mein Ding. Seit Oktober bin ich an der Trainerakademie in Köln eingeschrieben. Über die Dauer von drei Jahren studiere ich dort jeweils eine Woche im Monat, um den Abschluss als Diplom-Trainer zu erwerben. Die Ausbildung ist super spannend, ich lerne viel dazu und finde es klasse, dass im Lehrgang angehende Trainer aus unterschiedlichen Sportarten dabei sind.

Und parallel dazu arbeiten Sie als Trainer für den Baden-Württembergischen Gewichtheberverband?

Da kümmere ich mich derzeit vor allem um die Vereine im Raum Heidelberg/Mannheim mit Schwerpunkt auf den Nachwuchs. Es geht darum, Kinder und Jugendliche für Sport und Bewegung zu motivieren, sie auf breiter Basis athletisch zu schulen, ihnen Beweglichkeit, Geschicklichkeit, Koordination beizubringen. Wir wollen natürlich auch Talente finden und für unseren Sport gewinnen.

Nebenbei trainieren Sie Jürgen Spieß, mit dem Sie in Peking, London und Rio de Janeiro gemeinsam bei Olympischen Spielen gestartet sind. Wie stehen seine Chancen für Tokio 2020?

Ich sag mal: 50:50. Jürgen wird im März 36, ist also auch im gehobenen Athletenalter. Da muss man eine gute Balance finden zwischen extremer Belastung und nötiger Regeneration. Viel wird davon abhängen, wie die Europameisterschaft im April läuft. Wenn er dort einen starken Wettkampf liefert, könnte es mit der Qualifikation klappen. Bei mir als Trainer kommt schon dieses Olympia-Feeling auf. Wenn es Jürgen schafft, das wäre eine Riesenleistung.

Was verbuchen Sie persönlich als Ihren größten Erfolg?

2009 wurde ich Vize-Europameister, das war meine erste internationale Medaille und hat mich, kurz nach meiner ersten Olympia-Teilnahme in Peking, enorm beflügelt. Als riesiges Erlebnis empfand ich Olympia 2012 in London, wo ich zum ersten Mal in der A-Gruppe gestartet bin, also im Feld der weltbesten Gewichtheber. Die Halle war voll, die Stimmung toll, mir ist ein super Wettkampf gelungen – da hat alles gepasst.

Und die Zeit danach, als Sie vor Rio 2016 von einer Medaille träumten?

Nach London 2012 kam Oliver Caruso als Bundestrainer, das hat einen neuen Reiz gesetzt, und ich bin nochmal durchgestartet. Ich habe mein Körpergewicht hochgeschraubt, parallel dazu die Lasten gesteigert. Nach Bronze bei der EM 2014 ging es gut voran mit Bestmarken von 195 Kilo im Reißen und 241 im Stoßen.

Aber die Krönung auf der olympischen Bühne hat gefehlt?

Ich hätte den Wettkampf meines Lebens gebraucht. Die Voraussetzungen waren gut, körperlich befand ich mich in einem Top-Zustand, und ich wollte angreifen. Aber es lief nicht optimal.

Selbst mit Bestleistung wären Sie nicht auf einem Medaillenrang gelandet. Etliche Ihrer Konkurrenten war zuvor schon mal wegen Dopings gesperrt oder kamen aus dafür berüchtigten Nationen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Das Thema hat mich während meiner ganzen Karriere begleitet. Davon wollte ich mich nie frustrieren lassen, dazu liebe ich diesen Sport zu sehr. Also habe ich stets auf mich geschaut, wollte eigene Ziele erreichen und immer besser werden. Und ich empfand es immer als etwas ganz Besonderes, dass ich in Deutschland als Sportsoldat die Chance hatte, mein Hobby zum Beruf zu machen.

Ihr Abschied als Sportler ist fix. Werden wir Sie trotzdem nochmal als Heber auf der Bühne sehen?

Das ist tatsächlich geplant. Eigentlich wollte ich in Obrigheim bei der DM meinen letzten Wettkampf machen, aber das hat terminlich dann doch nicht gepasst. Stattdessen will ich am 14. März in Speyer beim Bundesliga-Duell gegen den AC Weinheim meinen sportlichen Abschied geben. Ich werde vorher ein bisschen trainieren, um ein paar Punkte für die Mannschaft zu holen. Aber eigentlich ist die Leistung zweitrangig. Da wollen wir alle nochmal richtig Spaß haben.

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