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„Gewalt im Sport ist ein sehr ernst zu nehmendes Problem“ – Interview mit Dominique Delnef

„Gewalt im Sport ist ein sehr ernst zu nehmendes Problem“ – Interview mit Dominique Delnef

13. Juni 2025| Marc Fasthoff

Dominique Delnef ist Referentin für Schutz vor (sexualisierter) Gewalt bei der Deutschen Sportjugend (dsj) im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Im Interview erklärt sie die verschiedenen Formen von Gewalt im Sport, das Konzept des so genannten  „Empowermental Climate“ und gibt Ratschläge für Funktionäre und Trainer zur Prävention von Gewalt im eigenen Verein.

 

Triggerwarnung: In diesem Beitrag geht es um die Themen psychische, physische und sexualisierte Gewalt. Für manche Menschen können diese Themen emotional belastend sein. Hilfe in Belastungssituationen finden Sie z.B. bei der Ansprechstelle Safe Sport e.V., beim Hilfetelefon oder bei Anlauf gegen Gewalt.

Frau Delnef, Sie setzen sich bei der dsj für einen „Safe Sport“ ein, für einen gewaltfreien Sport. Um zunächst alle Leser:innen abzuholen: Was versteht man unter Gewalt im Sport?

Gewalt im Sport fällt in den Bereich der „interpersonalen Gewalt“. Der Begriff klingt erst einmal ein bisschen sperrig, aber damit werden vier Gewaltbereiche zusammengefasst: Die physische Gewalt, die psychische Gewalt, die sexualisierte Gewalt und sowie die Vernachlässigung. Im Sport beschäftigen wir uns schon lange mit dem Thema der sexualisierten Gewalt und setzen unter anderem zusammen mit den Mitgliedsorganisationen von DOSB und dsj verpflichtend, Schutzmaßnahmen umzusetzen, doch dann haben verschiedene wissenschaftliche Studien  in den letzten Jahren aber deutlich gezeigt, dass wir auch die anderen Gewaltbereiche verstärkt betrachten müssen, da sie im Sport oft miteinander einhergehen. Athlet:innen, die Gewalt erleben, sind oftmals von verschiedenen Formen betroffen.

Was umfassen die jeweiligen Gewaltbereiche?

Die physische Gewalt umfasst Formen von körperlicher Aggression, wie zum Beispiel schlagen oder würgen. Auch das Drücken in schmerzhafte Dehnpositionen gegen den Willen der Athlet:innen oder der Zwang zur Teilnehme am Wettkampf trotz Krankheit oder Verletzung fallen in diesen Bereich.

Unter psychischer Gewalt verstehen wir ein Verhalten, das angewandt wird, um Athlet:innen zu demütigen, ihnen zu drohen oder sie lächerlich zu machen. Darunter fallen neben Beleidigungen, Beschimpfungen und dem Androhen von Gewalt beispielsweise auch eine stetige und andauernde Abwertung von Leistung oder Kritik am Gewicht der Person.

Sexualisierten Gewalt wird angewendet, um  mit dem Mittel der Sexualität Macht auszuüben. Man unterscheidet zwischen sexualisierten Grenzverletzungen wie unangemessen Berührungen, Massagen oder unaufgefordertem Ausziehen sowie sexualisierter Gewalt mit und ohne Körperkontakt. Ohne Körperkontakt wären beispielsweise Chatnachrichten mit sexuellen Inhalten oder sexistische Witze; sexualisierte Gewalt mit Körperkontakt sind ungewollte Küsse, versuchte sexuelle Handlungen bis hin zur Vergewaltigung.

Und der vierte Gewaltbereich: Die Vernachlässigung?

Das ist ein Bereich, der relativ neu benannt worden ist. Er umfasst die absichtliche Nichtbeachtung oder aktive Verweigerung von grundlegenden Bedürfnissen der Athlet:innen über einen längeren Zeitraum. Ein generelles Verbot, im Training zu trinken, wäre ein Beispiel; ebenso wie das Verweigern von Ruhepausen, sodass Athlet:innen sich nicht erholen dürfen.

Wenn man über diese Gewaltformen spricht, kommt oftmals die Argumentation, , dass man als Athlet:in widersprechen oder sich wehren kann, aber dem steht oftmals eine Abhängigkeit und ein Machtgefälle von Trainer:innen oder Verantwortlichen – gerade im Leistungssport – entgegen. Die Sportler:innen befürchten, nicht mehr nominiert, ungerecht behandelt oder ignoriert zu werden. Oder sie haben Zweifel, ob man sie ernst nimmt und die Meldung vertraulich behandelt wird. Das sind unter anderem Gründe, warum Betroffene ihre Gewalterfahrungen innerhalb der Sportstruktur nicht melden.

Welche Datenlage bzw. Zahlen gibt es zu dem Vorkommen von Gewalt im Sport?

Es gab in den vergangenen Jahren drei große Studien*, die eine gute Zahlenbasis hervorgebracht haben, auf die wir uns stützen können. Zwei Drittel der Befragten haben danach angegeben, mindestens einmal irgendeine Form von Gewalt im Zusammenhang mit dem Vereinssport erlebt zu haben, das entspricht sieben von zehn Personen.

Kann man diese Zahl tatsächlich auf die Masse an Vereinssportler:innen in Deutschland hochrechnen?

Ja, davon kann man ausgehen, denn obwohl die Herangehensweise der Studien unterschiedlich war, waren die Zahlen sehr ähnlich. Wenn wir die Zahlen differenzierter betrachten, heißt es, dass sechs von zehn Personen im Vereinssport mindestens einmal psychische Gewalt erlebt haben. Vier von zehn Personen haben körperliche Gewalt erfahren und drei von zehn Personen mussten sexualisierte Gewalt erfahren. Diese Zahlen sind erschreckend und halten vor Augen, dass Gewalt im Sport ein sehr ernst zu nehmendes Problem ist gegen das wir noch aktiver vorangehen müssen..

Das würde für den Handball bedeuten, dass 14 von 20 Spieler:innen in einer Mannschaft bereits eine Form von Gewalt erlebt haben. Das ist eine immens hohe Zahl.

Das stimmt. Natürlich ist es wichtig, differenziert hinzuschauen, was hinter den Zahlen steht – ob die Athlet:innen beispielsweise mehrmals Gewalterfahrungen machen mussten oder ob es sich um einmalige Situationen handelt.,. Dennoch: Wir wissen, dass es nicht unbedingt auf die Häufigkeit der Gewalterfahrungen ankommt, sondern auch einmalige oder weniger oft vorkommende Gewalterfahrung sehr schwerwiegende Folgen haben kann.

Daher muss es unser aller Ziel sein, diese Zahlen zu verringern – und das nicht, in dem einfach nicht mehr darüber gesprochen wird, sodass die Zahlen in keiner Statistik auftauchen, sondern im Gegenteil: Wir müssen alle hinsehen, das eigene Handeln reflektieren und Wege schaffen, wie betroffene Personen sich melden können und anschließend geschützt werden, sodass sie keine Angst vor negativen Konsequenzen haben müssen.

Es gab in den vergangenen Jahren verschiedene Medienberichte über Gewalt im Sport. Was hat sich dadurch in der öffentlichen Sichtbarkeit bewegt?

Tatsächlich sind in den letzten Jahren sehr viele Vorfälle von Gewalt im Sport öffentlich bekannt geworden und es waren viele Betroffen bereit, öffentlich zu sprechen. Jeder Vorfall ist sehr erschütternd, aber es hält uns gleichzeitig vor Augen, dass Gewalt im Sport existent ist – unabhängig von der Sportart und dem Leistungsniveau. Die Formen der Gewalt mögen sich unterscheiden, aber keine Sportart kann sich ausnehmen. Diese Berichte und der Mut der Betroffenen, darüber zu sprechen, helfen, das Thema sichtbarer zu machen und die sportpolitische Aufmerksamkeit auf die Problematik von Gewalterfahrungen im Sport zu lenken.

Was hat sich dadurch bereits bewegt?

Das Engagement in den Sportstrukturen ist gestiegen, die Strukturen im Sport zum Schutz vor Gewalt zu verbessern, ist ein Ziel, zu dem sich die Mitgliedsorganisationen von DOSB und dsj im Zukunftsplan Safe Sport  für die nächsten 10 Jahre als Gesamtstrategie entschlossen haben. In dem Zuge wurde bspw. die Entwicklung des Safe Sport Codes, ein verbandsrechtliches Regelwerk zur rechtsicheren Sanktionierung unterhalb der Strafbarkeitsgrenze bereits angegangen.. Auch auf bundespolitischer Ebene hat sich viel bewegt. So ist beispielsweise 2023 die unabhängige Ansprechstelle Safe Sport  im Zuge der Gründung des Zentrums für Safe Sport geschaffen worden, die außerhalb der bestehenden Strukturen im Sport existiert. Betroffene aus dem Sport können sich an diese Stelle wenden und erfahren dort im Rahmen von Beratungsterminen psychologische und juristische Unterstützung.

Die Berichte in den Medien haben auch gezeigt: Gewalt im Sport ist nicht nur ein Problem im Leistungssport, sondern kommt auch im Breitensport immer wieder vor. Warum ist der Sport eventuell besonders anfällig?

Zunächst ist der Sport ein Querschnitt der Gesellschaft. Und wenn Gewalt in der Gesellschaft generell vorkommt, liegt es auf der Hand, dass auch im Sport Gewalt passiert – ebenso wie in Schulen, Kirchen oder kulturellen Institutionen. Dass es sowohl im Breiten- als auch im Leistungssport zu Gewalt kommt, ist ebenfalls Fakt.

Der Breitensport hat ein sehr offenes System, das von ehrenamtlichen Menschen getragen wird, die eine wertvolle Arbeit machen und ohne die die Sportvereine nicht existieren könnten. Dadurch haben aber auch die Täter:innen leichten Zugang, denn wenn jemand Hilfe anbietet, werden die meisten Vereine sie annehmen. Mitunter sind das gezielte Strategien der Täter:innen, um Kontakt zu Kindern und Jugendlichen anzubahnen. Das zu erkennen, ist die Herausforderung im Vereinssport.

Im Leistungssport herrschen bestimmte strukturelle Bedingungen, die Gewalt begünstigen. Wir haben eine große Körperzentriertheit, mitunter auch durch die vorgeschriebene Bekleidung und durch Hilfestellungen. Dazu kommt der Leistungsgedanke und damit einhergehende Nähe- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Trainer:innen und Athlet:innen, die eine Machtausübung begünstigen können.

Wenn wir speziell auf den Handball schauen: Was sind die Basics, die ein Verein sicherstellen sollte, um ein sicheres Umfeld für Kinder und Jugendliche zu bieten?

Den Verantwortlichen im Verein muss zunächst bewusst sein, dass das Problem auch in ihrem Umfeld existiert. Nur, weil im eigenen Verein noch kein Vorfall gemeldet worden ist, heißt das nicht, dass noch nichts passiert ist. Es ist daher ganz wichtig, im Verein eine Kultur zu etablieren, in der alle Personen hinsehen und auch handeln, wenn sie beobachten, dass Gewalt ausgeübt wird.

Was genau können praktische Bausteine sein, um so eine Kultur zu schaffen? 

Es gibt bestimmte Schutzmaßnahmen, die jeder Verein etablieren kann – wie Ehrenkodizes, die von den allen unterschrieben werden sollen oder das Einsehen von erweiterten Führungszeugnissen, wenn eine Person als Trainer:in oder Übungsleiter:in neu in den Verein kommt. Vereine sollten Verhaltensregeln entwerfen, die einen respektvollen und geschützten Umgang miteinander beschreiben und die für alle gelten – zum Beispiel, dass Trainer:innen und Übungsleiter:innen nicht gemeinsam mit den Sportler:innen duschen oder nicht gemeinsam auf einem Zimmer übernachten. Ebenso kann man festhalten, dass keine Beziehungen zwischen jugendlichen Sportler:innen und Trainer:innen existieren dürfen. Und, das ist ganz entscheidend: Die Maßnahmen müssen bekannt sein.

Was bedeutet das konkret?

Die Trainer:innen, Sportler:innen und Eltern müssen die Ansprechperson zur Prävention sexualisierter Gewalt des Vereins kennen und wissen, wie die Meldewege sind. Die Trainer:innen und Übungsleiter:innen sollten geschult werden. Wenn ein Verein seine Haltung klar nach außen kommuniziert und die Maßnahmen zum Kinderschutz öffentlich darstellt, schreckt das Täter:innen oftmals ab. Die Maßnahmen müssen jedoch auch wirksam und konsequent umgesetzt werden. Es hilft niemanden, wenn ein Schutzkonzept mit Chat-GPT geschrieben wird und dann in der Schublade landet.

Sie haben eben die Meldewege angesprochen: Wie reagiere ich als ‚unbeteiligter‘ Trainer denn richtig, wenn ein Spieler oder ein Elternteil mir gegenüber einen Gewaltvorfall meldet?

Es ist wichtig, dass man die Meldung ernst nimmt, aber zugleich Ruhe bewahrt. Statt beispielsweise vorschnell die beschuldigte Personen anzusprechen, um den Fall zu klären, solle man besonnen bleiben. Im Gespräch ist es zunächst wichtig, zuzuhören, dem Kind oder Jugendlichen Glauben zu schenken, seine Anteilnahme zu zeigen und die Person zu bestärken, dass es genau richtig ist, den Vorfall zu melden, dass sie keine Schuld an dem Geschehen trägt und dass der Verein dem Vorfall nachgehen wird. Deshalb ist es so wichtig für Trainer:innen zu wissen, wie die Prozesse und Meldewege im Verein sind, um zu wissen, zu wem ich mit der Information gehen muss, damit der Vorfall verfolgt wird.

Das heißt, Sie würden raten, den Vorfall nicht selbst zu klären?

Die Person, die angesprochen wird, ist meistens nicht die Person, die für die nächsten Schritte verantwortlich ist. Insbesondere bei Kindern oder Jugendlichen  ist es eher selten, dass sie sich direkt an die offizielle Stelle wenden, weil das womöglich Fremde sind. Trainer:innen sind für Kinder und Jugendliche hingegen in der Regel sehr große Vertrauenspersonen, weil man sich oft sieht und zusammen Spaß mit dem gemeinsamen Sport hat. Deshalb werden Trainer:innen oft als die geeigneten Ansprechpersonen gesehen, um Hilfe oder Unterstützung zu bekommen. Deswegen ist es total wichtig, dass sich Trainer:innen diesem Vertrauensvorschuss bewusst sind und wissen, dass sie ein positiver Anker für betroffene Kinder und Jugendliche sein können.

Um an dieser Stelle noch einmal einzuhaken: Gewalt im Sport betrifft aber nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene können betroffen sein.

Auf jeden Fall! Es ist gut, das wir das noch einmal ansprechen, denn dahingehend gab es eine Weiterentwicklung. Die Auseinandersetzung mit Gewalt im Sport kam früher in erster Linie aus dem Kinder- und Jugendbereich, aber durch Studien wurde gezeigt, dass auch erwachsene Personensehr häufig betroffen sind, weil auch sie, gerade im Leistungssporteiner Hierarchie ausgeliefert sind. Wenn beispielsweise der*die Trainer:in entscheidet, wer aufgestellt wird, kann diese Macht ausgenutzt werden. Gewalt kann jedoch auch abseits der Athlet:innen-Trainer:innen-Beziehung erfolgen, beispielsweise in Abhängigkeitsverhältnissen oder Machtgefällen unter Trainer:innen und Betreuer:innen oder Vorstand und Traine:in.

Wenn wir zum Abschluss vom Verein auf den einzelnen Trainer blicken: Welche Vorsichtsmaßnahmen empfehlen Sie Handball-Trainer:innen, um zu verhindern, dass möglicherweise auch unbewusst bzw. unbeabsichtigt Situationen entstehen, welche für ihre Spieler:innen unangenehm oder unangemessen sein könnten?

Diese Fragestellung treibt viele Trainer:innen um, da gerade das Thema Grenzverletzungen Unsicherheit bei Trainer:innen hervorruft. Zuallererst ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass Menschen und ihre Grenzen ganz unterschiedlich sind. Bei dem einen Spieler ist der Arm um die Schulter beim Trösten nach einer Niederlage gewollt, dem nächsten Spieler ist das aber unangenehm. Ein Schlüsselwort ist Kommunikation zwischen Trainer:in und Sportler:innen, um Themen an- und besprechbar zu machen,

Wie findet ein Trainer den richtigen Umgang?

Ein Konzept, das wissenschaftlich erarbeitet wurde und in den vergangenen Jahren immer stärker bespielt wird, ist das so genannte “Empowerment stärkende Klima““. Dabei geht es darum, im Training ein Klima zu schaffen, in dem sich die Sportler:innen wohlfühlen, ernst genommen  aktiv beteiligt werden. Die Sportler:innen sollen natürlich nicht selbst das ganze Trainingsprogramm schreiben, aber sie können in bestimmte Entscheidung eingebunden werden. Die Kommunikation auf Augenhöhe ist dabei ein ganz wichtiger Faktor.  In skandinavischen Ländern wie Norwegen und Schweden arbeiten bereits weit verbreitet nach diesem Konzept und es steigert die Motivation und Leistung nachweislich.


Könnten Sie das etwas genauer erklären?

Wir hören von Betroffenen ganz oft die Aussagen, dass sie behandelt worden seien, als hätten sie gar keine Rechte oder dürften sich nicht individuell verhalten. „Ihr müsst machen, was ich sage“, ist ein Spruch, der immer wieder genannt wird, oder auch: „Hier zählt nur das, was ich sage.“ Jede*n Sportler:in individuell wahrzunehmen und die individuellen Grenzen jedes Menschen zu respektieren, trägt hingegen viel zu einem positiven Klima und zur Entfaltung individueller Leistungs(potentiale) bei.

Mit dazu gehört beispielsweise auch, dass man den Vergleich von Leistung immer auf eine Person selbst bezieht und nicht auf Teamkolleg:innen oder Konkurrent:innen. Sprich: Die Entwicklung eines Spielers wird mit dem Leistungsstand desselben Spielers vor vier Wochen oder drei Monaten verglichen und nicht mit dem Fortschritt, den ein anderer Spieler gemacht hat.

Der Sport lebt von Emotionen, auch bei Trainer:innen, sodass man mitunter unpassende Worte wählt, ohne den Spieler:innen Gewalt antun zu wollen. Ohne das auch nur im Ansatz rechtfertigen zu wollen: Ist jedes Schimpfwort in einem emotionalen Ausbruch psychische Gewalt?

Wir bekommen oftmals zu hören, dass Trainer:innen Angst haben, falsch beschuldigt zu werden. Nicht jede Äußerung ist sofort psychische Gewalt. Entscheidend sind Kontext, Häufigkeit, Intensität und Wirkung auf die betroffene Person. Es ist wichtig, zwischen einmaligen Situationen sowie gezielten bzw. wiederholten Beleidigungen zu unterscheiden. Athlet:innen und Trainer:innen stehen in einer Beziehung zueinander, sehen sich regelmäßig und verbringen viel Zeit im Training miteinander. Wenn es häufig abwertende Sprüche oder Beleidigungen gibt, die systematisch darauf abzielen eine:n Sportler:in zu entwerten, zu demütigen oder einzuschüchtern und damit Macht auszudrücken, Druck oder Angst zu erzeugen, zählt das zu psychischer Gewalt.

Was kann ich als Trainer machen, damit es nicht aufgrund meiner Unwissenheit soweit kommt?

Wir sind hier wieder bei einem positiven Klima und einer Kommunikation auf Augenhöhe. Ich habe vorhin gesagt, dass es für viele Athlet:innen aufgrund der Strukturen im Sport nicht einfach, sich zu wehren. Umso wichtiger ist es, das Thema ansprechbar zu machen und ein Klima zu schaffen, in dem sich die Sportler:innen und gerade Kinder und Jugendliche trauen, Feedback zu geben und beispielsweise zu sagen: „Ich mag so nicht angesprochen werden.“ So stärken wir Kinder und Jugendliche, ihren Grenzen zu erkennen und auch zu kommunizieren. Ähnliches gilt für Hilfestellungen.

Ein mitunter schwieriges Thema … 

Genau. Da ist die Kommunikation ebenfalls wichtig. Man kann das aber gut vorbereiten, indem man sagt: „Ihr sollt die korrekte Haltung lernen, daher werde ich eventuell das und das korrigieren – ist das in Ordnung?“ Das muss man natürlich nicht jedes Mal wiederholen, aber so ist es ansprechbar und kein Tabu – und dann kann eine Person auch sagen, wenn etwas nicht okay ist oder die Grenze überschreitet.

Abschließend: Sie haben die Anlaufstelle für betroffene Sportler:innen erwähnt. Welche Anlaufstellen gibt es für Handballvereine, die sich intensiver mit der Prävention von Gewalt auseinander setzen wollen?

Es gibt vielfältige Möglichkeiten. Online gibt es Materialien, Schulungsvideos und Handlungsleitfäden oder hier, beispielsweise auch vom Deutschen Handballbund;  sowohl bei den regionalen Stellen als auch bei uns. Unterstützung gibt es auch bei den Landessportbünden und -Sportjugenden  in den verschiedenen Bundesländern. Sie haben sehr viel Erfahrung und Expertise, können Vereine gut beraten und bieten auch Schulungen an. Selbstverständlich kann man sich auch an die Landesfachverbände Handball wenden, die Vereine gerade bei sportartspezifischen Fragestellungen helfen können.

Haben Sie darüber hinaus einen abschließenden Ratschlag?

Wenn ein Vorfall von Gewalt gemeldet wird, ist es entscheidend, transparent und konsequent zu handeln. Das heißt jedoch nicht, dass man den Beschuldigten nicht anhört, sondern dass man den Vorfall untersucht und Informationen zusammenträgt, die dazu beitragen, den Vorfall aufzuklären und dann entsprechende Konsequenzen zieht. Wenn Betroffene merken, dass keine Schritte unternommen werden, verlieren sie das Vertrauen und dann wird nichts mehr gemeldet. Das ist gefährlich, denn dann denkt der Verein, dass alles super ist, weil kein Vorfall gemeldet wird, während die Sportler:innen weiter leiden.

*Hintergrund – die Studien:

Safe Sport Studie

SicherImSport Studie

CASES Studie

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