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„Kinderhandball ist heutzutage wichtiger als jemals zuvor.“ – Interview mit Thomas Krüger

„Kinderhandball ist heutzutage wichtiger als jemals zuvor.“ – Interview mit Thomas Krüger

28. März 2025| Marc Fasthoff

Von Handball-Anfängern bis zu den größten Talenten des Vereins: Thomas Krüger trainiert beim ATSV Habenhausen die E-Jugend sowie die männliche B-Jugend, die in der Jugendbundesliga spielt. Im Interview spricht der erfahrene Nachwuchstrainer und regelmäßige Autor der Fachzeitschrift handballtraining junior über den Stellenwert des Kinderhandballs und den Wunsch nach mehr Wertschätzung für die Trainer:innen im jüngsten Bereich.

 

Thomas, wenn über die Nachwuchsarbeit im Handball gesprochen wird, geht es oft die Förderung von Talenten, Auswahlsichtungen und Wettbewerbsformen. Der Kinderhandball spielt hingegen oft nur eine Nebenrolle. Was leistet der Kinderhandball?

Im Kinderhandball werden die Kinder für unseren Sport und das Sporttreiben generell begeistert und das ist eine wesentliche Komponente. Ich sehe den Sport als Kitt der Gesellschaft. Egal, woher ein Kind kommt: Beim Sport lernt es soziales Verhalten, es lernt, sich an Regeln zu halten und es gewöhnt sich an Bewegung. Deswegen ist Kinderhandball heutzutage wichtiger als jemals zuvor. Wir könnten viel mehr Augenmerk darauf richten, weil wir damit Kitt in der Gesellschaft sind. Die Kinder lernen Gemeinschaft.

Warum ist der Kinderhandball für viele Handballer dennoch oft nur eine Randnotiz?

Grundsätzlich könnte sich jeder mit Kinderhandball beschäftigen und dort einen Dienst leisten – ob als Trainer, Betreuer oder Organisator. Kinderhandball-Trainer sind jedoch häufig nicht im Fokus, weil es dort als Trainer nichts wesentliches zu gewinnen gibt. Die Kinder bekommen eine Ausbildung und sammeln Erfahrung, aber ob man in der D-Jugend Meister wird, spielt keine große Rolle. Das sollte es auch nicht, aber es passt für viele nicht zum Leistungsgedanken. Dabei kann jeder dabei helfen, Kinder zu begeistern. Ich verstehe gar nicht, warum dieser Punkt so im Schatten steht, denn Jugendarbeit ist die Grundlage, um als Verein überleben zu können.

Inwiefern ist der Leistungssport bereits im Kinderhandball das Ziel?

Wenn Kinder erst einmal im Handball ankommen und sich mit der Sportart beschäftigen, ist das großartig. Wenn sie später im Leistungsbereich ankommen, ist das auch großartig, aber es nicht jeder dafür gemacht. Wenn Kinder und Jugendliche diesen Schritt leistungsmäßig nicht schaffen oder ihn einfach nicht machen wollen, ist es klasse, wenn sie das Handballspielen dennoch lieben und später dem Sport vielleicht sogar etwas zurückgeben, indem sie Schiedsrichter werden, Fahrten organisieren oder als Spender auftreten. Es gibt auch abseits des Leistungssports wahnsinnig viele Möglichkeit, die Liebe zu unserem Sport auszuleben und zurückzugeben.

Was macht den Unterschied?

Es gibt drei Komponenten, ich nenne das „LeiTaFle“. Leidenschaft, Talent, Fleiß. Je nachdem, wie das gepaart ist, kann ein Kind oder Jugendlicher Leistungssport betreiben oder eben nicht. Unabhängig davon braucht jedoch jedes Kind eine solide Grundausbildung. Deswegen wäre es toll, wenn sich nicht nur viele junge Trainer-Einsteiger im Kinderhandball engagieren, sondern auch Spieler:innen, die selbst leistungsorientiert gespielt haben. Sie haben einen ganz anderen Blick darauf haben, was die Kinder können könnten – und wie sie ausgebildet werden können.

Und es wäre generell im Sinne des Sports, möglichst viele Kinder zu halten – unabhängig davon, ob es für den Leistungssport reicht oder nicht?

Auf jeden Fall. Es muss eine breite Basis geben, um die Hochleistungssportler überhaupt zu finden, aber wie ich bereits sagte: Es ist auch nicht jeder für den Hochleistungssport gemacht. Deswegen ist es wichtig, dass es für alle Kinder, die Handball spielen wollen – egal, in welchem Leistungsbereich – Angebote gibt.

Die Differenzierung ist gerade in kleinen Vereinen mit nur einer Mannschaft in einer Altersklasse schwierig. Muss man in der E-Jugend bereits leistungsorientiert trainieren, um später in der Bundesliga zu spielen?

Das glaube ich nicht. Ich habe immer wieder Quereinsteiger, die sich erst später zeigen – wie ein Miro Schluroff zum Beispiel; der hat erst zum Ende der D-Jugend-Zeit bei uns angefangen. Entscheidend ist das Grundgerüst; dass man sich mit den Kindern auseinandersetzt und überlegt, was man ihnen neben dem Handball anbieten kann. Das Spielen ist der Summand, der alles zusammenhält, aber die Freude an jeder Art von Bewegung und Gemeinschaft müssen wir darüberhinaus vermitteln.

Was reizt dich am Kinderhandball? 

Es lohnt sich einfach. Mein kleiner Dorfverein hat sich mit einer Mannschaft für die Jugendbundesliga in der B-Jugend qualifiziert, die zum großen Teil aus Eigengewächsen besteht. Viele dieser Jungs begleite ich seit Kindesbeinen und ihre Entwicklung zu erleben, ist einfach toll.

Dennoch heißt es bei manchen Trainern, Kinderhandball sei – gerade durch das offensive, freie Spiel, was mitunter chaotisch aussieht – kein richtiger Handball. Was entgegnest du diesem Vorurteil?

Das höre ich auf Fortbildungen sehr häufig – bis zu dem Zeitpunkt, wo diejenigen, die das äußern, selbst 20 Minuten in die Manndeckung geschickt werden (schmunzelt). Das System dient auch dazu, um die Kinder athletisch auszubilden und nicht nur technisch-taktisch vorzubereiten. Ich finde, das offensive Verteidigen ist eine sehr gute Maßnahme, um eine Tiefe im Spiel zu haben und auch Kindern, die vielleicht noch nicht so groß sind oder so eine große Wurfgewalt haben, zum Zuge kommen zu lassen. In dem offensiven Spiel haben alle Kinder sehr schnell eine Chance, sich am Spiel zu beteiligen. Die Regeln sind einfacher und das Spiel ist erst einmal relativ körperlos

Der offensive Weg ist jedoch entgegensetzt zum Dominator im Männer-Handball Dänemark, wo die Jüngsten defensiv spielen …

Das wird sehr häufig hervorgehoben und dann geht die Diskussion los, ob wir nicht etwas umstellen sollen.

Was wäre deine Meinung dazu?

Wir haben eine Rahmentrainingskonzeption, die von Menschen verfasst worden ist, die sich mit dieser Frage eingehend beschäftigt haben. Wir müssen nicht alles über den Haufen werfen, aber ich glaube, dass wir überlegen müssten, manchmal andere Schwerpunkte zu setzen.

Inwiefern?

Bei uns ist meiner Meinung nach alles dem Gewinnen untergeordnet. Ich muss in der Liga eine bestimmte Platzierung erreichten, damit ich im nächsten Jahr dort wieder spielen kann und die nachfolgende Generation diesen Platz sicher hat. Wenn ich das nicht mache, verliere ich diese nächste Generation sonst vielleicht an den Nachbarverein. Das fördert den Leistungsgedanken, aber es hemmt ihn auch manchmal, weil wir dadurch bestimmte Dinge viel zu erfolgsorientiert sehen statt die Jungs auch mal mit Spaß spielen zu lassen und zuzulassen, dass sie experimentieren.

Sprich: Man lässt die „erste Sieben“ auf ihren Positionen spielen, statt den kleinen Linkshänder nicht nur auf Rechtsaußen, sondern auch mal auf der Mitte auszuprobieren?

Ich sehe es in der B-Jugend-Bundesliga. Es ist prima, dass die Jungs auf so einem hohen Niveau spielen können und diese Erlebnisse machen dürfen, es gibt jedoch auch ein Aber: Der Ergebnisdruck ist extrem hoch. Alle kämpfen, weil es nicht um das Spielen, sondern auch immer um etwas „Größeres“ geht. Dieses Gewinnen-Müssen hemmt die Spieler und hemmt auch Trainer, mal etwas auszuprobieren oder entspannter mit Dingen umzugehen. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, was wir anpassen können, damit die Sportler auch mal experimentieren dürfen und nicht viel zu früh immer nur liefern müssen. So ein Leistungssystem mag ein guter Weg sein, die vielen Sportler, die wir haben, vergleichbar zu machen, aber es stellt sich auch die Frage für einen B-Jugendlichen: Wird er auch im Seniorenbereich noch gut sein, wenn er nicht ausprobieren darf, Fehler machen darf, es ihm auch einfach mal Spaß machen darf?

Du hast eingangs gesagt, dass du dir wünschen würdest, dass mehr Augenmerk auf den Kinderhandball gelegt wird. Wie könnte das konkret aussehen?

Ich würde mir wünschen, dass alle Vereine, die im Seniorenbereich spielen, auch irgendetwas für den Kinderhandball machen müssen – eine Patenschaft übernehmen oder im Training helfen. Wie viele Kinder fänden es großartig, wenn aus der 1. Männer oder 1. Frauen einmal im Monat ein Spieler in ihr Training käme und mit ihnen zusammen trainieren würde? Das würden die Kinder feiern ohne Ende! Das gibt auch genau den Kitt, den ich eingangs angesprochen hatte und genau diesen Zusammenhalt brauchen wir, auch in unserer Gesellschaft.

Hast du noch weitere Punkte?

Ich würde mir auch wünschen, dass ein Verein den Kinderhandball-Trainer:innen den Wunsch von den Augen abliest. Du möchtest eine Dauerkarte für die 1. Mannschaft? Das ermöglichen wir natürlich, das wird gar nicht in Frage gestellt. Oder dass der Verein einfach den Kindertrainer einmal fragt: Was benötigst du? Wie können wir dich unterstützen? Die Verein sollten sich überlegen, was sie wertschätzen.

Sprich: Nicht nur den Trainer der 1. Herren in der Oberliga, sondern genauso den Minitrainer, der mit 20 Kindern in der Halle steht. 

Ganz genau! Der Mini-Trainer ist nämlich derjenige, der Nerven wie Drahtseile hat und einen langen Geduldsfaden, um die Kinder irgendwie beim Handball zu halten und zu tollen Persönlichkeiten zu erziehen, die später sportliche Höchstleistung bringen können oder sich mit ebenso viel Einsatz selbst im Verein engagieren.

Ich habe aber das Gefühl, diese Trainer werden oft gar nicht gesehen. Sie erhalten in vielen Vereinen zum Beispiel keine Ehrungen. Da würde ich mir wünschen, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekämen; dass man ihnen sagt: „Danke, dass du dich für die Kleinsten engagierst – auch, wenn du keine Meisterschaften gewinnen kannst.“ Das vorrangige Ziel sollte dabei allen bewusst sein: Die Kinder an den Sport zu binden und gemeinsam einen Zusammenhalt im Verein, im Stadtteil, in der Gesellschaft herzustellen.

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