Videobeweis im Fußball: Schweden nutzt VAR dank den Fans nicht
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Die Debatten um den Videobeweis im europäischen Profifußball reißen nicht ab. Dabei zeigt ein Land, dass es auch ohne den VAR gehen kann. Mal wieder war am Wochenende der Videobeweis Thema in der Fußballbundesliga. Union Berlins Trainer Steffen Baumgart echauffierte sich nach dem 2:2 seiner Mannschaft gegen den FC Bayern darüber, dass der frühe Führungstreffer der Köpenicker nach Eingriff des Video Assistent Referee (VAR) aufgrund einer minimalen Abseitsstellung von Torschütze Ilyas Ansah nicht gezählt hatte. In der Tat war mit dem bloßen Auge eigentlich nicht zu erkennen, dass der Unioner in der verbotenen Zone gestanden hatte. "Das erste Tor ist ein Tor. Also diese fünf Millimeter auf Abseits zu geben, da muss ich sagen: Da hat irgendeiner Lack gesoffen", polterte Baumgart bei Sky. Schon in der Vorwoche hatte es bei Union Ärger mit dem VAR gegeben, nachdem ein Treffer von Andrej Ilić beim 0:0 gegen Freiburg nach schier endlosem Studium der Videobilder durch Schiedsrichter Sören Storks zurückgenommen wurde. Die Fälle beim Hauptstadtklub sind dabei keine Ausnahme. Woche für Woche schwelt aufgrund nicht immer ganz eindeutiger Entscheidungen die Debatte um den Videobeweis in Fußball-Deutschland – aber eben auch weit über die Grenzen der Republik hinaus. Denn: 29 der 30 Top-Ligen in Europa nutzen den VAR. Nur in einer Nation stellt man sich hinsichtlich der Nutzung der Videotechnologie quer: in Schweden. "Die Klubs wollen die Einführung dieser Technologie nicht" Im Sommer 2024 fiel in Schweden eine demokratische herbeigeführte Grundsatzentscheidung. Der Videobeweis soll auch in Zukunft keinen Einzug in den Profifußball der Nation erhalten. 18 der 32 besten Vereine des Landes hatten zuvor in einer Abstimmung gegen die Einführung des VAR votiert. "Wir respektieren diese Haltung, deshalb haben wir bei der jüngsten Vertreterversammlung auch keinen Antrag für den VAR mehr vorgestellt", sagte Schwedens damaliger Verbandspräsident Fredrik Reinfeldt, der sich zuvor noch für den Videobeweis ausgesprochen hatte, kurz nach der Entscheidung der Klubs. Eine Vorgabe seitens des Kontinentalverbands Uefa, den VAR einzuführen, gibt es zudem offenbar nicht. "Wie ich gehört habe, liegt die Entscheidung bei uns. Und die sieht relativ eindeutig aus: Die Klubs wollen die Einführung dieser Technologie nicht", erklärte Reinfeldt. Ex-Profi über Fans: "Wir sollten auf sie hören" Dass es überhaupt zu diesem Szenario kommen konnte, hat einen ganz bestimmten Grund. In Schweden sind die Vereine weitestgehend durch ihre Fans bestimmt. Denn 51 Prozent der Stimmrechte müssen im schwedischen Sport bei den Klubs selbst und damit bei ihren Mitgliedern liegen. So wird unter anderem verhindert, dass ein einzelner Eigentümer einen Verein aufkaufen kann. Die Struktur ähnelt dem deutschen 50+1-Modell. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift im deutschen Fußball, die besagt, dass der Mutterverein einer ausgegliederten Profiabteilung immer die Stimmenmehrheit (mindestens 50 % + eine Stimme) behalten muss. Die "51-procentregeln" (deutsch: 51-Prozent-Regel) hat in Schweden im vergangenen Jahr nun aber nicht nur potenziellen Vereinseigentümern, sondern zusätzlich dem VAR einen Riegel vorgeschoben – eine Entwicklung, die auch der ehemalige schwedische Profi Bojan Djordjic 2024 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) begrüßte. "Wir sind ein kleines Land mit Weltklasse-Fans. Deshalb sollten wir auf sie hören", erklärte er zum Einfluss der Anhänger im schwedischen Fußball. Zudem gebe es für ihn "keinen Grund, ständig neue Dinge zu erfinden, die das Spiel zerstören, das wir lieben", sagte der frühere U-Nationalspieler. Die Mehrheit in Schweden sehe das genauso. Doch gibt es bei den Skandinaviern keine Diskussionen über nicht gegebene Elfmeter oder falsche Abseitspfiffe? Doch, stellte Djordjic klar. "Aber über Fehlentscheidungen diskutieren doch auch Ligen, die den Videoschiedsrichter haben." Womit er auch über ein Jahr später noch recht behalten sollte. Der vergangene Bundesligaspieltag mit der Debatte um das aberkannte Tor von Ilyas Ansah gegen den FC Bayern ist dafür Beweis genug.

