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Zeit, dass sich was dreht

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Am Potsdamer Platz in Berlin befindet sich das so genannte „Upside-Down“-Museum. Ein Ort, an dem die Räume vermeintlich auf dem Kopf stehen, sodass Besucher mehr oder weniger lustige Fotos für ihre Social-Media-Kanäle schießen können. Deutschlands Fußballfans ergibt sich derzeit ein ähnliches, wenngleich nicht ganz so komisches Bild beim Blick auf die ebenso kopfstehenden Tabellen ihrer Bundesligen: Mit dem 1. FC Köln, Hamburger SV und Schalke 04 finden sich dort ausgerechnet die größten Versager-Klubs der letzten Jahre relativ weit oben wieder, während die stolze Borussia aus Mönchengladbach abgeschlagen das Tabellenende ziert. Daran änderte sich auch an diesem Wochenende nichts, da die Fohlenelf ihr Heimspiel erwartungsgemäß mit 0:3 verlor. 

Was kann es Schöneres für einen echten Borussen geben als kurz nach seinem 50. Geburtstag ein Spiel gegen den Lieblingsgegner aus München absolvieren zu dürfen? Dem neuen Sportkopf Rouven Schröder wurde dieses Geschenk zuteil und beinahe von der engagiert auftretenden Mannschaft veredelt. Inklusive der Nachspielzeit in Hälfte eins konnte Borussia fast 70 Minuten lang erfolgreich ein 0:0 verteidigen – davon rund 50 Minuten in Unterzahl nach dem frühen Platzverweis für Jens Castrop. Mit Ausnahme der Großchance für Diaz direkt zu Beginn kam der Rekordmeister in dieser Zeit nur zu wenigen zwingenden Großchancen. Dass der zunehmende Druck irgendwann nicht mehr zu halten sein würde, ist der Mannschaft nicht anzulasten. Allzu positiv sollte das Urteil über die Partie allerdings nicht ausfallen: Ein 0:3 zuhause darf niemals ein Grund zur Freude sein.

Letztlich war die Partie ein Bonusspiel, das an der komplizierten Situation nur wenig ändert. Ja, die Mannschaft zeigte, wie schon gegen Freiburg, dass sie mit entsprechendem Engagement zu einer soliden Defensivleistung fähig sein kann. Aber das reine Zerstören des gegnerischen Spiels ist eine relativ dankbare Aufgabe für einen Fußballer mit beschränkten Qualitäten. Vereine wie der 1. FC Köln, Schalke 04 oder Union Berlin haben sehr oft auf diese Weise deutlich über ihren Möglichkeiten gespielt. Der Borussen-DNA entspricht diese Spielweise grundsätzlich nicht. Am vergangenen Samstag war es aber vermutlich der einzig gangbare Weg angesichts der eklatanten qualitativen Defizite im direkten Vergleich mit der bayerischen Übermannschaft.

Um das zu veranschaulichen, sei exemplarisch auf einige der besten Borussen im bisherigen Saisonverlauf geblickt. Jens Castrop ist in der Offensive zumeist der Akteur mit dem größten Einsatz. Beim Gegentor in Stuttgart wie auch durch den ungestümen Platzverweis gegen die Bayern schadete er seiner Mannschaft aber ungemein. Auch die völlig unnötige Gelbe Karte in Berlin, die ihm später eine frühzeitige Auswechselung bescherte, war einer dieser Fehler, von denen sich Borussia in der aktuellen Lage nicht allzu viele leisten kann. Castrop spielte vergangene Saison bei einem mittelmäßigen Zweitligisten. Der bislang solide auftretende Yannik Engelhardt konnte sich bei einem durchschnittlichen Verein der Serie A nicht durchsetzen. Kevin Diks verweilte mit immerhin 28 Jahren noch immer in der dänischen Liga. Kein Diss gegen diese drei Akteure, die bislang zu Borussias wenigen Lichtblicken dieser Saison zählen. Mehr als Bundesligadurchschnitt ist aber selbst von ihnen nicht wirklich zu erwarten. Für viele andere im Kader gilt leider nicht einmal das. 

Nach acht Spieltagen steht die Mannschaft von Noch-Interimstrainer Eugen Polanski daher genau dort, wo sie nach den bisherigen Leistungen dieser Saison hingehört. In den kommenden Wochen wird Borussia mit einer offensiveren Ausrichtung aufwarten und erfolgreich sein müssen. In der Liga folgen mit dem FC St. Pauli, dem 1. FC Köln und dem 1. FC Heidenheim drei Konkurrenten auf (vermeintlicher) Augenhöhe, gegen die endlich mehrfach gepunktet werden muss. Sofern dies nicht gelingt, wird Eugen Polanski nicht mehr als Trainer zu halten sein. So leid es einem für den sympathischen Jungcoach täte: Borussia ist in einer Situation, in der sie sich keine Experimente leisten kann. Seine Auf- und Umstellungen kann man im Einzelnen kritisieren oder verteidigen. Entscheidend ist aber, was am Ende dabei herumkommt. Und das ist bislang deutlich zu wenig. Der herbeigesehnte „Neue-Besen“-Effekt ist ausgeblieben, sodass Polanski aktuell kaum Argumente für eine Weiterbeschäftigung hat.  

Dabei sollte jedem klar sein, dass auch ein weiterer Trainerwechsel keine Garantien auf direkte Besserung bieten wird. Vielmehr spricht vieles dafür, dass der Kader zu schlecht zusammengestellt worden ist, um bessere Ergebnisse liefern zu können. Blendet man die zweite Kirmes-Halbzeit gegen die den Spielbetrieb einstellenden Frankfurter aus, so hat die Mannschaft erst zwei Tore in 7 ½ Partien erzielen können. Hinzu kommen 18 Gegentore, die ligaweit nur vom FC Augsburg überboten werden. Angesichts solcher Zahlen fällt es schwer an einen schnellen Turnaround zu glauben. Und auch die Hoffnung auf die demnächst zurückkehrenden Offensivspieler sollte nicht überhöht werden. Zum einen wird es Zeit brauchen, bis die langzeitverletzten Hack und Kleindienst wieder ihre alte Form erreichen können. Zum anderen wird es im weiteren Saisonverlauf noch andere Ausfälle zu beklagen geben. Der Ausfall von zwei bis drei Stammspielern ist relativ normal und darf nicht zu derlei Verwerfungen im Kader führen. Auf die frühzeitig bekannte Verletzung von Tim Kleindienst wurde im Sommer leider ebenso unzureichend reagiert wie auf die seit Jahren bekannten Defizite in der Defensive. Der Verein hat auf diese offensichtlichen Versäumnisse viel zu spät reagiert. Mit dem Duo Virkus/Seoane in diese Spielzeit zu gehen war ein folgenschwerer Fehler, der sich nur sehr schwer wird reparieren lassen. 

Doch hilft es nichts, vergangenen Fehlern hinterherzutrauern. Nach 8 Spieltagen ist noch kein Verein abgestiegen und angesichts nur eines Punkts Rückstand auf Platz 16 darf die Flinte noch lange nicht ins Korn geworfen werden. Zunächst einmal wird es am Dienstag darum gehen, nicht auch noch das Pokalspiel gegen den Karlsruher SC in den Sand zu setzen. Ein Ausscheiden würde nicht nur dringend benötigte Einnahmen kosten, sondern zudem das negative Momentum noch weiter beschleunigen. Mit dem KSC reist ein durchschnittlicher Zweitligist in den Borussia-Park, der am Wochenende mit einem 4:1 in Fürth Selbstbewusstsein tanken konnte. Dies war allerdings ihr erster Auswärtssieg in dieser Saison. In den vergangenen Wochen gab es zudem Testspiele bei Bundesligisten, die mit 2:4 (Hoffenheim) bzw. 0:7 (Freiburg) verloren wurden. 

Aufpassen muss Borussia besonders auf das Dreigespann aus Egloff, Wanitzek und Schleusener, die sich für 13 der bislang 17 Tore verantwortlich zeichneten. Trainer Christian Eichner, der seit 2020 in Karlsruhe unaufgeregt gute Arbeit abliefert, scheint seine Stammelf gefunden zu haben, die er aller Voraussicht nach auch in Mönchengladbach unverändert wird auflaufen lassen – auch wenn Abwehrchef Marcel Franke nach längerer Verletzung wieder zur Verfügung stünde.

Eugen Polanski könnte seine Mannschaft ebenfalls in gleicher Formation wie gegen die Bayern aufbieten, da die Sperre für Castrop nur für den Ligabetrieb gilt. Allerdings ist damit zu rechnen, dass der Ex-Nürnberger wieder in offensiverer Rolle auflaufen und dort den weiterhin unglücklich wirkenden Stöger auf die Bank verweisen wird. Für die so freiwerdende Stelle in der Defensive hat Borussia die Qual der Wahl zwischen Scally, Chiarodia oder Friedrich, die sich zuletzt allesamt als enorm fehleranfällig erwiesen haben. 

Ratsam wäre es, wenn auch Borussia langsam einmal eine Formation finden könnte, die sich in den schwierigen nächsten Wochen einspielen und so hoffentlich stabilisieren kann. Spätestens bis zum Derby gegen den Effzeh in zwei Wochen sollte eine Besserung erkennbar sein, um die derzeit kopfstehenden Verhältnisse in der Bundesliga wieder umzukehren und die natürliche Ordnung am (Nieder-)Rhein wiederherzustellen.

SEITENWAHL-TIPPS

Michael Heinen: „1960 konnte Borussia gegen den KSC seinen ersten Pokalsieg einfahren. In Erinnerung an dieses historische Event tippe ich auf einen 3:2-Heimsieg – allerdings nach Verlängerung.“

Uwe Pirl: „Es trifft ein sehr schlechter Erstligist auf einen guten Zweitligisten. Das ist der Stoff, aus dem Pokalniederlagen sind. Borussia ist harmlos und fehleranfällig, Karlsruhe effizient. 1:2.“

Christian Spoo: „Fieses Wetter, fieses Spiel, fieser Sieg. Borussia würgt sich mit 2:1 in die nächste Runde.“

Kevin Schulte: „Der KSC gewinnt 1:0 und Borussia kann sich für „Bemühen“ nichts kaufen.“

Mike Lukanz: „Das Spiel endet 1:1 nach Verlängerung. Und jetzt verlange bitte niemand, dass ich ein Elfmeterschießen korrekt tippen soll…“

Claus-Dieter Mayer: „Nicht nur, dass Borussia am Ende ausscheidet sondern natürlich benötigt man nach dem 1:1 nach 90 Minuten nicht nur eine torlose Verlängerung, sondern auch ein verlorenes Elfmeterschießen dafür. Zusätzlich zum unnötigen Kräfteverschleiß gibt es nach dem Spiel auch noch einige Verletzungssorgen... ein gebrauchter Abend."

Michael Oehm: “0:0, es wird furchtbar. Im Elfmeterschießen dann natürlich raus.”

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