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Schluss im Bus!

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Es folgt ein Rant. Das sei vorausgeschickt. Das feine Florett hat Pause, die Seitenwahl-Redaktion ist entsetzt über das, was sich bei Borussia in diesen Tagen tut. Einige von uns haben schon resigniert, andere klammern sich an die Hoffnung, dass irgendwo im Verein, vielleicht sogar auf Entscheiderebene, Menschen sitzen, die den Draht zur Realität nicht ganz verloren haben.

Wir waren zugegebenermaßen nie von Roland Virkus überzeugt. Schon bei seinem Einstand überwog das Gefühl einer gewissen Fassungslosigkeit, wie hier nachzulesen ist. In einer siebenköpfigen Redaktion gibt es häufig zwei oder mehr Meinungen über die Dinge, die sich bei Borussia abspielen. Bei Roland Virkus waren wir uns eigentlich immer einig: Der ist zwar ein „echter Borusse“, ihm fehlt aber das Format, als Sportdirektor eines Bundesligisten erfolgreich zu sein- Seine Außenwirkung ist wenig professionell, er ist andererseits nicht eigenartig genug, um als „Typ“ durchgehen zu können. Virkus verkörpert, wie auch Teile des Präsidiums, tiefste Provinzialität und eine rückwärtsgewandte Vorstellung vom Wesen eines Fußballvereins, die nicht ins 21. Jahrhundert passt.

Nun hatte Roland Virkus trotz aller Skepsis anfangs eine Art Welpenschutz verdient. An den Job gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, hatte er ein schweres Erbe zu bewältigen. Bei Borussia herrschte seit dem angekündigten Abgang von Marco Rose das Chaos. Max Eberl waren der Verein und vielleicht sogar sein Leben entglitten. Was Virkus im Februar 2022 übernahm, was alles andere als ein bestelltes Haus. Teure Spieler, ungünstige Vertragskonstellationen, die Folgen von Corona. Nichts, wofür man den Mann beneidet hätte. Dass ein auf Profiniveau unerfahrener und in PR-Fragen unbeholfener Ex-Jugendtrainer mit dieser Aufgabe überfordert sein könnte, lag nahe.

Und so ist die Tatsache, dass Borussias Abschwung, der mit der Ankündigung des wohlrasierten Lässigen aus Leipzig (bzw. Probstheida, wie der Ost-Beauftragte der Seitenwahl-Redaktion nicht müde wird zu betonen) begonnen hatte, langsam aber stetig weiterging, zunächst nur partiell Virkus‘ Verantwortung. Die Nachwehen der späteberlschen Verirrungen, sie waren durchaus noch eine Weile zu spüren. Auf dem Weg, den Borussia mit Marco Rose eingeschlagen hatte und auf dem sie sich mit Adi Hütter mühsam zu halten versuchte, konnte es nicht weitergehen. Einen neuen Weg zu finden, war Sache von Roland Virkus und dem nach dem Rückzug von Rolf Königs neu formierten Vereinspräsidium. Einen Borussia-Weg führen all diese Leute häufig im Mund. Es ist allerdings nie gelungen, diese Phrase auch nur ansatzweise mit Inhalt zu füllen. Zu unterschiedlich die Herangehensweisen von Saison zu Saison, zu schwammig und vor allem situationsbedingt variabel die Ansagen, was man denn nun unter diesem Weg verstehen soll, wo er lang- und hinführt.

Die Entscheidungen und Personalien der Ära Virkus bis hierhin sind bekannt und müssen an dieser Stelle nicht ausführlich wiederholt werden. Eine klare Linie war nie zu erkennen, der Kader wurde augenscheinlich nicht mit Konzept, sondern nach Kassen- und Marktlage zusammengestellt. Manche Verpflichtungen erwiesen sich als Volltreffer, andere als Flop, bei wieder anderen fragt man sich, warum sie überhaupt getätigt wurden. Offensichtliche Bedarfe wurden ignoriert, auf der anderen Seite knubbelt sich das Personal in manchen Mannschaftsteilen. Das Team verlor die Struktur, eine neue mit einer stabilen Achse, ist bis heute nicht entstanden.

In Gerardo Seoane holte Roland Virkus seinen zweiten Trainer und hielt lange an ihm fest. Seltsam ungreifbar blieb der Schweizer, wie wir in unserem Nachruf nachgezeichneten. Fast bis zum Schluss wusste die Anhängerschaft nicht, woran sie bei Seoane war, ob sein Agieren planvoller war als „ich stelle elf Typen auf den Rasen und dann gucken wir mal“. Zwei Jahre ging das so, ein kurzes Zwischenhoch dieser alles in Allem gelsdorfesken Zeit war Grund genug, sich einen Umschwung einzureden und im Sommer 2025 den Vertrag mit Seoane zwar nicht zu verlängern, aber eben doch zu entscheiden, mit ihm weiterzumachen. Drei Spieltage hielt der Glaube an die bessere Zukunft. Ein Katastrophenkick gegen Werder Bremen war dann aber genug, um diesen Glaube nicht nur zu erschüttern, sondern zunichte zu machen.

Wir waren uns sicher: Ein Grund für das Festhalten an Seoane war, dass der Trainer sozusagen die letzte Patrone des eher glücklosen Sportdirektors ist. Scheitert Seoane, scheitert Virkus – so dachte nicht nur die Seitenwahl-Redaktion, so dachte ein großer Teil der Gladbacher Anhängerschaft. Natürlich: Roland Virkus hat bei einigen Fans einen Bonus: Gladbacher, echter Borusse und in seiner Provinzialität durchaus repräsentativ für Mönchengladbach, Borussia und ihre Fans. Aber sind das die Zutaten, die einen guten Manager ausmachen?

Geradezu unglaublich erscheint es da, dass nach der Entlassung Seoanes alles so weiterzugehen scheint, wie bisher. War was? Offenbar nicht. Eugen Polanski darf sich als Trainer versuchen, vom Sportdirektor in bestem Virkesisch als „guter Junge“ direkt mal borussisch verzwergt. Der Rainer, der Roland, der Steffen, der Eugen. Vier Generationen guter Jungens. Und Hannelore, die Borussen-Braut. Fünf Freunde auf der Suche nach dem Borussia-Weg.

Wir meinen: Die nächste Patrone ist eine zu viel. Warum stellt bei Borussia ganz offensichtlich niemand die Arbeit von Roland Virkus in Frage? Warum bemerkt man nicht, dass man deutschlandweit nurmehr Mitleid erntet – die Nachrufe in überregionalen Medien sprechen eine deutliche Sprache. Borussia ist und bleibt ein Verein mit begrenzten Mitteln. Um mit diesen Mitteln mehr zu erreichen als „irgendwie Fußball“ und „mit ein bisschen Glück halten wir die Klasse“, bedarf es kluger Köpfe und einer klaren Strategie, es bedarf Phantasie und Mut bei der Kaderplanung und  einer klaren Kommunikation nach innen wie außen. All das ist möglich. Aber nicht mit Roland Virkus.

Zuletzt kursierte der Name Nils-Ole Book. Der Sportdirektor des Zweitliga-Überraschungsteams Elversberg gilt als einer mit Fähigkeiten wie oben beschrieben. Ob er wirklich einer ist, wissen wir nicht. Aber dem Vernehmen nach will Roland Virkus das operative Geschäft weiterführen und hat in Rainer Bonhof und Steffen Korell mindestens zwei Vertreter des „Weiter so“ fest an seiner Seite. Der Fall Nils Schmadtke dient jedem Kandidaten, der eventuell dazugezogen werden könnte, als Warnung. In der aktuellen Konstellation lässt sich in Mönchengladbach nichts bewegen. Wer eigene Ideen und möglicherweise sogar eigenes Personal mitbringen möchte, dürfte bereits an der Zufahrt zum Vereinsgelände abgewiesen werden.

Stattdessen führt nun Roland Virkus Gespräche mit möglichen neuen Trainern, während der gute Junge Eugen die Profis auf Bewährung trainieren darf. Nicht auszuschließen, dass der Mann aus Viersen tatsächlich einer ist, der auch drei Ligen höher als bisher funktioniert. Sachverstand und auch Ambitionen scheint der Trainer der U23 zu haben. Das wäre wohl die beste aller realistisch denkbaren Varianten. Polanski funktioniert, Borussia holt den einen oder anderen Punkt gegen den Abstieg und Virkus hat keinen Druck und keine Gelegenheit, eine weitere folgenschwere Fehlentscheidung zu treffen.

Am Ende geht es uns natürlich allen um dasselbe: Wir wollen Borussia erfolgreich und unterhaltsam Fußball spielen sehen. Sollte das riskante Spiel, das an der Hennes-Weisweiler-Allee gespielt wird, für den Moment gut ausgehen, sind wir froh, ganz egal, wer am Controller sitzt. Aber unsere Zuversicht geht gegen Null. „Das sind alles Zutaten einer Abstiegssaison“ orakelte ein Mitglied der Seitenwahl-Redaktion bereits nach dem 0:0 gegen den Hamburger SV. Sollte er Recht behalten, wäre das eine wirklich schwerwiegende Zäsur. Angesichts der Umstände wäre ein schnelles Comeback analog zu den Jahren 2001 und 2008 alles andere als sicher. Noch ist die Saison jung, noch gibt es eine Winterpause, in der Weichen neu gestellt werden können. Noch hat Borussia die Möglichkeit, Dinge grundlegend zu ändern. Dazu gehört zwingend, den Mann, den sie ob seiner Anmutung gelegentlich den „Busfahrer“ nennen, vom Steuer zu lassen. Die Zeit von Roland Virkus sollte zu Ende sein. Dass sie es nicht ist, lässt uns mit großer Sorge um unseren Verein in diesen Herbst gehen.

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