Vor LaLiga-Start: Spanischer Fußball versinkt im Chaos
Das alljährliche Barça-Chaos
Nachdem der FC Barcelona in der vergangenen Saison nur mit Ausnahmegenehmigungen und viel Wohlwollen seitens staatlicher Organe Dani Olmo und Vitor Roque für den Ligabetrieb registrieren konnte, steht der Verein einen Tag vor dem ersten Spiel der neuen Spielzeit vor noch größeren Problemen. Bis dato konnten die Katalanen aufgrund der Gehaltsobergrenzen-Regeln noch keinen Neuzugang registrieren. Im besten Fall könnte Torwart Joan García bis Samstag eingeschrieben werden und das nur aufgrund der Einigung mit dem verletzten Marc-André Ter Stegen, wodurch 80 Prozent dessen Gehalts im Salary Cap frei wurden. Marcus Rashford, Wojciech Szczęsny und Gerard Martín hingegen sind immer noch nicht registriert und es bleibt fraglich, ob und wie das Ganze bis zum Gastspiel auf Mallorca gelöst werden kann. Ähnlich wie in den vergangenen Jahren versucht die Vereinsführung um Präsident Joan Laporta, mit verschiedenen Hebeln und Tricks, doch noch irgendwie davonzukommen. So hofft man diesmal darauf, dass die Wirtschaftsprüfer von Crowe Global den Verkauf von künftigen VIP-Plätzen im Camp Nou für angeblich 100 Millionen Euro für den aktuellen Etat doch noch genehmigen, außerdem hat der Klub am vergangenen Mittwoch eine Bankbürgschaft in Höhe von sieben Millionen Euro eingereicht, und wenn all das nicht reichen sollte, wäre da noch ein Werbedeal mit der Republik Kongo, der dem amtierenden Meister angeblich zehn Millionen Euro einbringen soll.
Gleichzeitig wird Barca wieder einmal von der ebenfalls anhaltenden Stadion-Problematik heimgesucht. Nachdem die Rückkehr in das immer noch im Umbau befindlichen Camp Nou im letzten und diesem Kalenderjahr mehrfach verschoben werden musste, versprach Laporta erneut, dass spätestens Mitte September Spielbetrieb möglich sein und das Heimspiel gegen Valencia am vierten Spieltag im eigenen Stadion ausgetragen werde. Doch bei einer kürzlichen Inspektion des Stadions durch die European Club Association (ECA) wurden Berichten zufolge über 200 verschiedene Mängel und Unregelmäßigkeiten an der Großbaustelle festgestellt, die alle beseitigt werden müssten, um im Camp Nou Pflichtspiele austragen zu können. Zusätzlichen Druck übt außerdem die UEFA aus, die Barcelona eine Frist bis zum 21. August gesetzt hat, um zu bestätigen, ob das Camp Nou die Spiele der ersten Champions-League-Runde ausrichten kann. Eine Delegation des europäischen Fußballverbands soll nächste Woche anreisen, um den Fortschritt zu bewerten und diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen, da die Vorschriften verlangen, dass alle Spiele der Ligaphase im selben Stadion ausgetragen werden. Angesichts der Menge an Problemen und der Erfahrungen aus der Vergangenheit würde es niemanden überraschen, wenn Barça auch im dritten Jahr in Folge seine Heimspiele im Olympiastadion auf dem Montjuïc austragen müsste, was dem ohnehin klammen Verein Einnahmeverluste von geschätzten 100 Millionen Euro pro Jahr verursacht. Zu allem Überfluss war der katalanische Klub auch noch gezwungen, Abwehrchef Iñigo Martínez trotz laufenden Vertrags und seines unstrittigen sportlichen Werts ablösefrei nach Saudi-Arabien ziehen zu lassen, da sein Gehalt eine weitere finanzielle Belastung gewesen wäre, die der Klub nicht meistern kann. So bewundernswert die Leistungen des Teams von Hansi Flick in der vergangenen Saison teilweise aus objektiver Sicht auch waren, präsentiert sich der Verein in allen anderen Belangen wieder einmal in einer unwürdigen und der eigenen Größe unangemessenen Verfassung.
Wettbewerbsverzerrung durch Miami-Deal
Als wäre all das nicht schlimm genug, steht Barcelona zudem im Mittelpunkt einer anderen heiß diskutierten und umstrittenen Causa, die zugleich auch das Lieblingsprojekt von LaLiga-Chef Javier Tebas ist. Worüber seit Monaten spekuliert wurde, steht nun kurz vor der Umsetzung: Das Heimspiel des FC Villarreal gegen Barcelona im Rahmen des wird aller Voraussicht nach nicht im Estadio de la Ceramica, sondern im Hard Rock Stadion zu Miami stattfinden. Nach LaLiga stimmte auch Verband RFEF dem Vorhaben zu, man benötigt nur noch das grüne Licht von UEFA und FIFA. Die beiden Vereine haben dem USA-Event ebenfalls zugestimmt. Bereits letzten Jahr sollte Ende Dezember Barcas Heimspiel gegen Atlético Madrid in Miami steigen, das Vorhaben scheiterte allerdings. Daher ist es keine Überraschung, dass es sich bei der ersten Ligabegegnung außerhalb Spaniens um ein Spiel mit Barcelona-Beteiligung handelt. Im Gegensatz zum Vorjahr geht nun jedoch um ein Auswärtsspiel der Katalanen – eines der unangenehmsten der ganzen Saison, gegen den Verein aus der kleinsten Stadt in LaLiga (Villarreal hat 50.000 Einwohner), der aufgrund der Größe der Stadt und der Fangemeinde in jedem anderen Stadion als dem eigenen einem Giganten wie dem FC Barcelona gegenüber jeglichen Heimvorteil verlieren würde. Abgesehen von grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Austragung von Ligaspielen auf einem anderen Kontinent handelt es sich hierbei sachlich betrachtet um Wettbewerbsverzerrung. Barcelona wird praktisch ein Auswärtsspiel weniger absolvieren als alle anderen Klubs. Zudem soll das Miami-Event dem Klub kolportierte sechs bis sieben Millionen Euro an Zusatzeinnahmen generieren. Man könnte durchaus die These aufstellen, dass Tebas hier vor allem Barca einen bis mehrere Gefallen tut, denn Villarreal verliert nicht nur den Heimvorteil, sondern gerät auch den eigenen Fans und Dauerkarteninhabern gegenüber in Erklärungsnot. Doch das Verhältnis zwischen dem LaLiga-Boss und dem katalanischen Großklub ist ambivalent und sehr komplex. Denn Tabas war es, der in der letzten Saison die Registrierung Dani Olmos unbedingt verhindern wollte und immer noch auf die Einhaltung der Gehaltsobergrenzen pocht. Andererseits übt er aber selten bis nie öffentlich Kritik am Verein, der seit Jahren am Rande der Legalität und Regeleinhaltung tanzt. Nun könnte Tebas aber ausgerechnet diese undurchschaubare Beziehung zu Barcelona zum Verhängnis werden.
Tebas droht Amtsenthebung
Wie die Tageszeitung AS exklusiv berichtet, habe Miguel Ángel Galán, Präsident der Vereinigung für Transparenz und Demokratie im Sport sowie des Nationalen Zentrums für Trainerausbildung, beim Obersten Sportrat, einer Reagierungsbehörde, ein mehr als 50-seitiges Schreiben eingereicht, in dem er Tebas beschuldigt, fünf sehr schwere Verstöße begangen zu haben, indem er vertrauliche Informationen über die Finanzen des FC Barcelona preisgegeben habe, weshalb der LaLiga-Präsident nach Galáns Ansicht des Amtes enthoben werden müsse. Konkret geht es um mehrere Vorfälle im Zusammenhang mit dem Fall der Olmo-Registrierung sowie der im Sommer von Barcelona angestrebten Verpflichtung von Nico Williams, bei denen Tebas interne Daten und Dokumente des FC Barcelona Dritten sowie der Öffentlichkeit offengelegt haben soll. Nun muss die Regierung entscheiden, ob sie diese Anzeige an das Verwaltungsgericht für Sport weiterleitet, dessen Sanktionen bis zur Amtsenthebung reichen können. Ähnliche Anzeigen Galáns führten in der Vergangenheit zu Amtsenthebungen von Verbandspräsident Luis Rubiales und seinem Nachfolger Pedro Rocha. Wie ernst er es auch diesmal meint, zeigt sich auch darin, dass Galán sein 51-seitiges Dokument inklusive aller Beweise als PDF-Datei hochgeladen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
Als Motiv für sein Vorgehen gibt der Funktionär explizit die Verteidigung der kollektiven Interessen der Mitglieder des FC Barcelona, nachdem dessen Vereinsführung um Laporta in dieser Angelegenheit keinerlei Maßnahmen ergriffen habe. Warum der Klubpräsident in diesem Zusammenhang entgegen seiner Pflicht komplett untätig blieb, ist unklar, passt jedoch ins komplizierte und undurchschaubare Beziehungsgeflecht zwischen dem FC Barcelona und LaLiga respektive zwischen Laporta und Tebas.
152 Spieler noch nicht registriert
Vorfälle und Probleme um Barca und Tebas sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs, denn am Tag vor des Auftakts in die neue Saison konnte mehr als die Hälfte der Neuzugänge noch nicht registriert werden, 152 an der Zahl. Neben Barcelona sind unter anderem der FC Sevilla, der FC Getafe sowie Levante am meisten betroffen. In allen Fällen geht es um Schwierigkeiten, die LaLiga-Gehaltsobergrenzen einzuhalten. Ob und wie die einzelnen Fälle innerhalb kürzester Zeit gelöst werden, bleibt nebulös, es ist jedoch davon auszugehen, dass es irgendwie und ohne große Erklärungen geregelt werden wird, ohne dabei die eigenen Regeln einzuhalten. Es wäre nicht das erste Mal, dass LaLiga inkonsequent und intransparent handelt.
Im aktuellen Chaos spielt Real Madrid praktisch keine Rolle, denn die Königlichen haben keinerlei Probleme mit dem Salary Cap und Registrierungen der Neuzugänge. Dabei geht es medial fast unter, dass der Rekordmeister erst vor Kurzem erneut das teilweise an Absurdität grenzende Handeln des Ligaverbandes am eigenen Leib spüren musste. Während Javier Tebas und LaLiga keinerlei Probleme darin sehen, einem Verein ein Heimspiel wegzunehmen, einem anderen wiederum ein Auswärtsspiel zu ersparen, womit die Integrität und Legitimität des Wettbewerbs zweifelsfrei beschädigt werden, wurde der Antrag Real Madrids, die Auftaktpartie gegen Osasuna aufgrund der enorm kurzen Vorbereitungszeit zu verschieben, ohne weitere Begründung abgelehnt, obwohl auch Osasuna einer Verschiebung ausdrücklich zugestimmt hatte.
So beherrschen auch unmittelbar vor dem Start der neuen Spielzeit vor allem Skandale, finanzielle, rechtliche und diverse andere außersportliche Themen die Schlagzeilen – der Fußball ist beinahe komplett marginalisiert. Gespielt wird trotzdem werden, aber zur Ruhe wird der spanische Fußball wohl nicht so schnell kommen.
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