Frag’ den Redakteur: Transfers, Finanzen, Legenden und REAL TOTAL
Frage von Danaldo: Hey Edin, man hat, wie du erwähnt hast, für unsere Verhältnisse große Änderungen im Spiel gesehen. Was glaubst du, wie lange so ein Wechsel der Spielidee dauern wird, bis er funktioniert, und wie lange die Geduld anhalten wird, falls es nicht laufen sollte?
Antwort Edin: Die Fortschritte, die man in den USA – vom ersten und letzten Spiel mal abgesehen – beobachten konnte, haben mich fast schon ein wenig (positiv) überrascht, denn ich hatte erwartet, dass die Mannschaft sich unter den gegebenen Umständen deutlich schwerer tut. Andererseits zeigte das Spiel gegen PSG, dass vor Xabi Alonso noch sehr viel Arbeit liegt. Zwar sollte man weder die guten noch die schlechten Auftritte bei der Klub-WM überbewerten, dafür waren die Umstände und die Bedingungen zu besonders, aber ich glaube tatsächlich, dass man aus dem Turnier zwei Dinge mitnehmen konnte: Einerseits wird eben noch viel Arbeit und auch Geduld gefragt sein, andererseits bin ich aber auch aufgrund der teilweise guten Performances davon überzeugt, dass die Mannschaft Xabis Ideen in absehbarer Zeit immer mehr und besser verinnerlichen und umsetzen kann und wird. In der Hinrunde wird es sicherlich noch an einigen Stellen stottern, was für Real Madrid in den letzten Jahren aber ohnehin oft typisch war. Wichtig wird sein, in keinem Wettbewerb bis zum Jahreswechsel abreißen zu lassen, und dann wird das Ganze hoffentlich auf soliden und stabilen Füßen stehen. Wenn die Frage nach der Geduld auf die Vereinsführung abzielt, so glaube ich schon, dass der Faden stark genug sein wird, denn man scheint ja von Alonso komplett überzeugt zu sein, es ist aber auch quasi alternativlos. Dies ist keine fertige Mannschaft, die nur ein paar Impulse von außen braucht, um ins Rollen zu kommen, wie es 2016 mit Zidane der Fall war. Jetzt würde ein ähnlicher Move auch nach einem Jahr vermutlich nichts bringen. Und der Madridismo wird in meinen Augen ebenfalls geduldig genug sein, solange Fortschritte zu erkennen sind.
Frage von Sino_19: Siehst du die Transfers als abgeschlossen? Wenn nein, was wären deine Wünsche an Zugängen und wen würdest du abgeben wollen?
Antwort Edin: Im Angriff sehe ich auch bei einem möglichen Rodrygo-Abgang keinen großen Bedarf, mit Mbappé, Viní, Gonzalo, Brahim und Mastantuono hat man genug Möglichkeiten und Variabilität. Im Mittelfeld würde ich mich über einen Spielertypen wie Angelo Stiller nicht beschweren, sehe das jedoch nicht als höchste Priorität. Im Gegensatz zur Innenverteidigung. Dort müsste man meines Erachtens noch etwas tun, denn Dean Huijsen scheint mir der einzige Spieler im Abwehrzentrum zu sein, hinter dem kein Fragezeichen steht. Wie sich Militão nach zwei Kreuzbandrissen präsentieren wird, ob Asencio den nächsten Schritt machen kann und seine Qualität dauerhaft den Ansprüchen genügen wird, wie Rüdiger sich nach einem schwierigen Jahr präsentieren wird, ob Alaba überhaupt nochmals einigermaßen das alte Niveau erreichen wird – alles ungewiss und äußerst fraglich. Realistisch betrachtet wird Real aber nichts mehr machen, alles andere würde mich überraschen, auch wenn ich es mir eben ander wünschen würde. Die jüngere Historie zeigt, dass der Klub spätestens ab Ende Juli keine Transfers mehr tätigt – in den letzten zehn Jahren wurden nur Courtois (2018) und Camavinga (2021) im August verpflichtet. Sollte niemand mehr verpflichtet werden, würde ich nur Rodrygo abgeben, wenn aber noch ein Mittelfeldakteur käme, wäre Ceballos in meinen Augen der nächste Verkaufskandidat.
Frage von Ramos44: Wie bewertest du die Vereinsführungen hinsichtlich Transfers der letzten 3 Jahre? Besonders die dünne Kaderplanung?
Antwort Edin: Grundsätzlich halte ich die Strategie, auf Kontinuität zu setzen, den Kader Schritt für Schritt und punktuell zu verändern und zu erneuern, wie Real es ja seit einigen Jahren eigentlich und an und für sich erfolgreich macht, für richtig. Vor allem auch keine Verrücktheiten zu machen und bei Wunschspielern geduldig zu sein (Mbappé, Trent) respektive ab einem gewissen Punkt nicht mehr mitzubieten, wie letztes Jahr bei Leni Yoro. Man kann es sich dabei aber auch zu gemütlich machen und da sprichst du genau das große Problem der letzten beiden Jahre an: Nach den drei Kreuzbandrissen und diversen anderen Verletzungen in der Saison 2023/24 gar nicht zu reagieren, war fahrlässig, ist aber am Ende gutgegangen. Nach dem Carvajal-Desaster und dem erneuten Kreuzbandriss von Militão aber erneut völlig tatenlos zu bleiben, war in meinen Augen schlichtweg verantwortungslos. Gegenüber den eigenen Ambitionen, gegenüber dem Trainer und gegenüber der Gesundheit der eigenen Spieler. So gesehen war die historisch erfolgreiche Saison 2023/24 das Schlimmste, was hätte passieren können, denn offenbar hatte man sich eingebildet, dass Carlo Ancelotti zaubern und auch komplett ohne Innenverteidiger Spanien und Europa dauerhaft das Fürchten lehren kann. Wie verantwortungslos es war, hat uns die abgelaufene Saison eindrucksvoll gezeigt. Immerhin scheint man den Fehler aber einzusehen – wann zuletzt hat Real Madrid noch bis Mitte Juli drei potenzielle, besser gesagt sehr wahrscheinliche Starter verpflichtet?
Frage von realm: Angesichts der immer mehr völlig überrissenen Summen, die in der Premier League bezahlt werden, bei denen selbst Real kaum noch mithalten kann, sollte man intensiver mit dem eigenen Nachwuchs arbeiten oder weiterhin ablösefreie Spieler nach dem anderen holen? Oder ein Mix?
Antwort Edin: In der vorherigen Antwort habe ich da Thema schon ein wenig angerissen: Grundsätzlich macht es Real in meinen Augen richtig. Wenn man sich mit Hochkarätern grundsätzlich einig ist, macht es Sinn, keine zu hohen Ablösen zu zahlen oder sie völlig zu umgehen, wie bei Mbappé und Trent geschehen. Man hat eben seine Lehren aus dem Hazard-Debakel gezogen. In junge Talente zu investieren und für sie durchaus mal tief in die Tasche zu greifen, halte ich ebenfalls für nachweislich sinnvoll und erfolgreich. Vinícius und Rodrygo sind große Erfolgsgeschichten – ja, auch der Letztgenannte, ohne den man keinen der letzten beiden CL-Titel geholt hätte. An sich sind es auch Camavinga und Tchouaméni trotz der immer noch vorhandenen Inkonstanz, und Arda Güler ist auf dem besten Weg eine zu werden. Mit Mastantuono und Endrick hat man noch zwei weitere Kandidaten in der Hinterhand. Wenn man dazu noch stärker auf den eigenen Nachwuchs setzen würde, hätte man aus meiner Sicht den perfekten Mix. Und die Beispiele von Raúl Asencio und Gonzalo García zeigen, dass es im Unterbau durchaus Potenzial gibt. Bei Xabi Alonso bin ich diesbezüglich aber guter Dinge. Mittlerweile scheint sich auch noch eine vierte Säule zu etablieren, nämlich talentierte Nachwuchsspieler abzugeben, sich aber einen mehr oder weniger preiswerten Rückkauf zu sichern, wie beispielsweise bei Fran García. Morgen oder übermorgen können es Nico Paz oder Jacobo Ramón sein. Bei Hakimi hat man diese preiswerte Rückkehr leider versäumt, was aber auch den besonderen Umständen der Pandemie geschuldet war.
Frage von Ramos los blancos: Hallo Edin, ich habe eine Frage bezüglich des Legends-Deals: ist es richtig, dass uns Legends hier eine garantierte jährliche Einnahme aus dem „Nicht-Fußball-Bereich“ im 3-stelligen Millionenbereich garantiert ? Und wenn ja wie hoch ist die garantierte Summe ? Und haben die Lärmprobleme auch Auswirkungen auf den garantierten Betrag, oder nur auf den darüber hinaus ?
Antwort Edin: Mit dem Deal von 2022 haben sich Sixth Street und Legends für 20 Jahre das Recht gesichert, sich an „bestimmten neuen Geschäftsbereichen“ im Stadion zu beteiligen oder kurzum – kleinere und größere Veranstaltungen im Bernabéu auszurichten. Dafür kassiert Real insgesamt 360 Millionen Euro, also durchschnittlich 18 Millionen pro Jahr. Diese Summe ist garantiert und darauf hat auch die Konzertproblematik keinen Einfluss. Wie es darüber hinaus aussieht, ist nicht bekannt, aber sicherlich wird der Ausfall von Konzerten sich nicht positiv auswirken, auch wenn Florentino Pérez auf der letzten Mitgliederversammlung das Problem auffällig kleingeredet hat. Und die garantierte Summe ist eben weit weg von einem jährlichen dreistelligen Millionenbetrag.
Frage von my boy Benzi: Eure Top 3 All-Time-Real Madrid-Spieler und wieso?
Antwort Edin: Ob alle Kollegen meine Meinung teilen, weiß ich tatsächlich nicht, aber ich habe da eine ganz klare Vorstellung. Platz eins und zwei teilen sich Alfredo Di Stéfano und Cristiano Ronaldo. Ich habe Don Alfredo natürlich nie spielen sehen, er ist aber neben Santiago Bernabéu der Gründungsvater dessen, was wir heute unter dem Mythos Real Madrid verstehen. Ohne Di Stéfano gäbe es diesen Verein in dieser Form nicht, Punkt. Daher ist ist er für mich der Größte. Der Beste ist natürlich Cristiano. In der Messi- und Negreira-Ära über so einen langen Zeitraum mehr Tore zu erzielen, als Spiele zu absolvieren, gleichzeitig alle möglichen Champions-League-Rekorde zu pulverisieren, dazu in Sachen Arbeitsethik und Professionalität ganz neue Standards zu setzen, ist schlicht und ergreifend einmalig und unvergleichlich. So einen wie CR7 wird es zu unseren Lebzeiten vermutlich nicht mehr geben und es ist jedem anderen Spieler gegenüber unfair, ihn an Cristiano zu messen. An dritter Stelle kommt bei mir Luka Modrić. Wenn es so etwas wie das Gesicht dieser einmaligen Erfolgsära von 2014 bis 2024 gibt, dann ist es in meinen Augen Luka. Über dreizehn Jahre sportlich wie menschlich, auf und neben dem Platz ein Vorbild und der perfekte Repräsentant all dessen, was Real Madrid als Verein und Mythos ausmacht. Dazu diese unfassbare Lebensgeschichte – vom Ziegenhirten und Kriegsflüchtling zum Weltfußballer und dem erfolgreichsten Spieler in der Historie des erfolgreichsten Klubs aller Zeiten. Einmalig. Für mich der beste und größte Mittelfeldspieler der Klubgeschichte.
Frage von setenta y siete: Wie sieht eine Arbeitswoche bei REAL TOTAL aus?
Antwort Edin: Im Moment noch ziemlich entspannt, aber es geht ja bald wieder richtig los. Seit dem vergangenen Herbst hat sich meine REAL TOTAL-Woche um einiges verändert und sieht in einer typischen englischen Woche ungefähr folgendermaßen aus:
- Montag/Dienstag: Abschlusstraining und Pressekonferenz in Valdebebas, in der Regel bin ich ab 10 Uhr vor Ort. Vor dem Training (Presse darf 15 Minuten zuschauen) wird der Trainingsbericht vorbereitet und noch während der Übungseinheit inklusive Social-Media-Beiträge veröffentlicht. Anschließend schneide ich in der Regel noch ein Trainingsvideo zusammen, bevor die PK beginnt. Bei der Fragerunde mache ich ein paar Fotos und Videos für Social Media und versuche, ein-zwei Fragen zu stellen, was angesichts der Menge an Reportern überhaupt nicht einfach ist. Nach der PK gibt es dann noch ein Video mit Eindrücken und Tipps von mir/uns vor Ort auf der einen, und Nils auf der anderen Seite. Und zu guter Letzt bereite ich dann noch den Kaderartikel für das kommende Spiel vor, der dann bei Bekanntgabe entsprechend ergänzt und veröffentlicht wird, was manchmal relativ schnell und manchmal erst abends passiert, je nachdem, wann der Verein ihn eben bekanntgibt. Und dann ist es auch schon 16-17 Uhr und der Tag in Valdebebas ist zu Ende.
- Dienstag/Mittwoch: Spieltag. Nehmen wir der Einfachheit halber ein CL-Heimspiel als Beispiel. Ich bin immer sehr früh am Stadion, in der Regel vier Stunden vor Anpfiff, um die ersten Eindrücke zu sammeln und Social-Media-Beiträge zu erstellen. Exakt zwei Stunden vor Spielbeginn geht es zum Presseeingang, wo die Akkreditierung auf mich wartet, und dann geht es mit dem Fahrstuhl in achten Stock des Bernabéu – Pressebereich! Auf meinem Platz bereite ich zunächst alles für den Spieltagseinsatz vor und und veröffentliche die ersten Eindrücke auf unseren Social-Media-Kanälen. Während des Spiels wird auf X live getickert, direkt nach dem Anpfiff geht es dann schnell ins zweite Untergeschoss zur Pressekonferenz und anschließend in die Mixed Zone, um Aussagen von Spielern aufzunehmen. Wenn alles vorbei ist, werden die Ergebnisse auf allen Kanälen veröffentlicht und dann ist es an so einem Champions-League-Abend auch schon weit nach Mitternacht und Zeit für den Feierabend. Wenn ich für den Nachbericht eingeteilt bin, muss ich dann auch sehr früh wieder aufstehen, um diesen rechtzeitig zu verfassen.
Dieses Spielchen wiederholt sich dann am Freitag/Samstag (Training und PK) und Samstag/Sonntag (Spieltag), je nachdem, wann das anschließende Ligaspiel stattfindet. Bei Auswärtsspielen bin ich in aller Regel bereits einen Tag vor dem Match in der jeweiligen Stadt, es sei denn die Blancos sind irgendwo in Madrid oder Umgebung zu Gast. Dazu kommen noch an unterschiedlichen Tagen Spiele der Castilla, der Frauen und der A-Jugend (in der Youth League), die wir im Estadio Alfredo Di Stéfano in aller Regel auch covern. Und natürlich zwischendurch immer wieder diverse Beiträge im Magazin: Vorberichte, Kommentare, Reportagen… Langweilig ist es im Grunde wirklich nie, im Gegenteil, und es macht einen Riesenspaß.
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