Zwischen Sündenbock und Verlängerung: Vinícius feiert Geburtstag
Kein Name polarisiert inzwischen auch im Madridismo so sehr wie der von Vinícius Júnior. Dabei pendelt der Brasilianer nicht nur bei den subjektiven Meinungen, sondern mittlerweile auch zwischen vermeintlichem Sündenbock, oder einem der Sündenböcke, und Vertragsverlängerung hin und her. Dabei kann er sich heute tatsächlich mal feiern lassen – Vinícius feiert seinen 25. Geburtstag.
Geboren am 12. Juli 2000 in São Gonçalo nahe Rio de Janeiro, musste Vini einen bemerkenswert steilen wie schwierigen Weg auf sich nehmen. Against all odds! Ausgebildet bei Flamengo, war er der erste teure Südamerikaner der dritten und derzeit laufenden „Galácticos“-Ära – wenn man die so bezeichnen will. So lasteten nicht nur für damalige Verhältnisse viel Druck, sondern auch hohe Erwartungen auf ihm, als Real Madrid im Sommer 2017 den 45-Millionen-Euro-Transfer für Sommer 2018, als er volljährig wurde, bekannt gab. Und sogesehen nach dem Ende der zweiten galaktischen Ära gekommen – der Geruch der frisch gegangenen Cristiano Ronaldo und Trainer Zinédine Zidane lag quasi noch in der Kabine – hatte es Vinícius 2018/19 auch alles andere als leicht. Im ersten Spiel mit der Castilla in den Kopf gebissen von einem Atlético-Spieler, wurden nach insgesamt fünf Castilla-Einsätzen und vier echten Treffern die Rufe laut, bei den kriselnden Profis auszuhelfen. Aber Julen Lopetegui setzte kaum auf ihn, musste selbst im Herbst gehen, sodass es unter Santiago Solari etwas besser lief, ehe auch der nach dem berüchtigten dreifachen Titel-Aus durch Rückkehrer Zidane ersetzt wurde. Aber auch dann: nur langsame Verbesserungen.
Ob er nun „gegen uns“ spielte oder nicht, Karim Benzema nahm sich des Brasilianers an, die Statistiken stiegen, bis Carlo Ancelotti 2021/22 aus dem Chancenwucher einen Big-Game-Player machte. Es machte plötzlich Klick. So waren die 40 Torbeteiligungen inklusive des großen Double-Siegs erst der Anfang. 2022/23 setzte er eins drauf: 42 Scorer – seine bisher beste Saison! Und auch wenn 2023/24 „nur“ 35 Torbeteiligungen folgten – dafür wieder ein Tor im Champions-League-Finale – sollte dies ihn zum besten Spieler der Welt machen. Wenn auch „nur“ in den Augen der FIFA, nicht bei FRANCE FOOTBALL, das den Ballon d’Or vergibt.
So dicht sich diese beiden Auszeichnungen auch sind, so scheint auch Vinícius’ Grenze zwischen Genie und Wahnsinn mittlerweile immer schmäler zu werden, weswegen in der abgelaufenen Spielzeit zwar 41 Scorer folgten, aber in deutlich mehr Einsätzen, und mit deutlich weniger Titeln, geschweigedenn Momenten in den genannten „Big Games“. So vergesslich Fußballfans heutzutage auch sein mögen hinsichtlich vergangener Leistungen, so wenig scheint Vinícius mittlerweile noch dafür zu tun, wieder an ihn zu glauben. Und an seine Ballon-d’Or-Ansage „zehn Mal mehr“ machen zu wollen. Das zeigten nicht erst seine sechs Klub-WM-Einsätze, in denen er fast durchweg durch mangelnden Einsatz und teilweise Lustlosigkeit auffiel – auch das geschuldet einer extrem langen Saison, in der er in 58 der 68 Rekord bedeutenden Saisonspiele mitwirkte. Sicher ist: Nach einem derart kometenhaften Aufstieg gegen alle Hater und Memes, seien es Fans oder Experten, darf sich ein Vinícius auch mal eine Auszeit genehmigen. Aber weil es entgegen der Ankündigung zuletzt gefühlt nicht mal mehr „halb so viel war“ wie der ausgelachte Junge mit Zahnspange einst zeigte, polarisiert er noch mehr als eh schon.
Einer der Sündenböcke? Vermutlich, aber nicht der einzige. Hat Real ein Vini-Problem? Ja, aber auch noch andere. Und wenn dann die Vinícius-Seite seit der Mbappé-Ankunft scheinbar das Saudi-Arabien-Interesse für nicht nur eine Vertragsverlängerung, sondern primär eine Gehaltserhöhung ausnutzt, wird es eben noch schwieriger, Sympathien wiederherzustellen. Und dennoch: Ein Ausbau seines 2027 laufenden Kontrakts ist absolut möglich, auch die Besinnung auf alte Hingabe, auch Xabi Alonso ist hier gefordert, die Balance zwischen Vini und Mbappé und ohnehin einer qualitativ hochwertigen und immer noch jungen Truppe herzustellen. Aber es sind längst auch andere Szenarien denkbar. Nur nicht heute. Da feiert ein Mann Geburtstag, der es lange nicht einfach hatte, der sich tatsächlich von ganz unten – schlafend in einem Raum mit acht Familienmitgliedern – nach ganz, ganz oben gekämpft hat. Zur Nummer 7 bei Real Madrid, einem Mann mit 322 Partien, 106 Toren, 83 Vorlagen. Zu einem Weltfußballer. Auf Klubebene hat er eigentlich alles erreicht. Was er jetzt weiter daraus macht, liegt trotzdem primär an ihm. Feliz cumple, Vinícius José Paixão de Oliveira Júnior! Wie kann so ein nach Fußball klingender Name überhaupt polarisieren?
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