Kommentar nach PSG-Desaster: Real hat ein Vinícius-Problem
Seit Monaten nur noch Belastung
Was seit vielen Monaten zu beobachten war, wurde bei Real Madrids Halbfinal-Pleite bei der FIFA Klub-WM noch einmal mehr als offensichtlich: Vinícius Júnior ist vom einstigen Shootingstar und Mann für große Spiele zu einem echten Problem für die Königlichen geworden. Eine Entwicklung, die vor einem Jahr so nicht absehbar war, da war der Brasilianer noch der gefeierte Superstar, der mit seinen Toren unter anderem zwei Champions-League-Finals innerhalb von drei Jahren entschieden hatte. Der in der historisch erfolgreichen Saison 2023/24 nicht Reals bester Torschütze und Scorer war, sondern auch enorme taktische Fortschritte gemacht hatte. Wir erinnern uns alle, wie er in mehreren wichtigen Spielen, so beispielsweise im Supercopa-Finale gegen Barcelona (4:1) oder in der Champions League gegen Manchester City und Bayern, nicht nur der dribbelstarke Flügelflitzer war, sondern auch sehr erfolgreich in der Sturmspitze respektive bei Positionswechseln mit Rodrygo brilliert hat. Spätestens seit Januar 2025 schleppt Real Viní allerdings nur noch mit, er ist nicht nur kein Big-Game-Spieler mehr, sondern fast nur noch eine Belastung für das Team – auf und neben dem Platz. Seine Performance gegen Paris Saint-Germain in New Jersey, wo er der schwächste Blanco in einer ohnehin sehr schlechten Mannschaftsleistung war, steht exemplarisch für eine Entwicklung, die im Herbst vergangenen Jahres ihren Anfang genommen hat. In Zahlen ausgedrückt: Seit Anfang November 2024 steuerte Vinícius in der abgelaufenen LaLiga-Saison nur noch drei Tore und drei Assists bei. In der K.o.-Phase der Champions League traf er nur einmal – im Vierstelfinal-Rückspiel gegen Arsenal, als praktisch alles schon vorbei war. Und auch bei der Klub-WM lief es nicht besser. Bis auf ein Tor und ein Assist gegen Salzburg war vom Brasilianer buchstäblich nichts zu sehen. Schlimmer noch: Selbst bei den guten bis sehr guten Auftritten der Blancos gegen Pachuca, Juventus und Borussia Dortmund, in denen erste Fortschritte im neuen System unter Xabi Alonso offensichtlich wurden, fiel der FIFA-Weltfußballer 2023/24 größtenteils ab. Nicht nur als Scorer, sondern vor allem durch seinen mangelnden Einsatz. Während in den meisten Partien des Turniers zehn Spieler immer besser die Spielidee des neuen Trainers durch kollektives Pressen und Verschieben umsetzten, wirkte Viní meist teilnahmslos und wartete auf seine Momente. Momente, die – das Spiel gegen Salzburg ausgenommen – nicht kamen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass der Zeitpunkt des ansetzenden Leistungsabfalls des einstigen Gamechangers mit der Ballon d’Or-Vergabe im Oktober 2024 zusammenfällt. Seit dem Theater um diese individuelle Auszeichnung ist der 24-Jährige fast nur noch mit sich selbst, Gegenspielern und gegnerischen Fans beschäftigt, während ihm auf dem Platz immer weniger gelingt. Wieder in Zahlen: Kein Blanco sah in der abgelaufenen Liga-Saison öfter Gelb (acht Mal), dazu kam noch der völlig unnötige Platzverweis beim Auswärtsspiel in Valencia. Und für diese Entwicklung trägt Real Madrid als Verein direkte Mitverantwortung. Die Entscheidung, die Ballon d’Or-Gala komplett zu boykottieren, weil der Preis doch nicht an den favorisierten Vinícius ging, schadete nicht nur dem Ansehen des Klubs, sondern war auch eine historische Abkehr vom uralten Prinzip, dass kein Spieler über dem Verein steht. Hier stellten Florentino Pérez und Co. einen Spieler über die Interessen des Klubs, was dessen Ego nur noch befeuert hatte. Von der Ankündigung per Social Media, dass die Welt auf seine Reaktion auf die Ballon-d’Or-Ungerechtigkeit nicht bereit sei, blieb nur noch Schall und Rauch. Wie sehr Viní mit diesem Thema immer noch beschäftigt ist, zeigten schließlich seine Reaktionen und Performances bei diversen Auswärtsspielen, in denen gegnerische Fans ihn mit „Balón de Playa“-Rufen verhöhnten, und auf die er fast jedes Mal sichtlich gereizt und mit ungenügenden Leistungen reagierte.
Dass Vinícius und Kylian Mbappé nicht harmonieren würden, lasse ich als Argument für den Leistungsabfall des Brasilianers nicht gelten, denn in den Spielen, in denen Vinícius Lust hatte, kombinierten die beiden Stars durchaus gefällig und legten sich gegenseitig Tore auf. Es kam nur viel zu selten vor. Spätestens seit der Rückrunde der abgelaufenen Saison kann man mit Fug und Recht behaupten, dass dies nicht am Franzosen lag – Mbappé lieferte seit dem Winter größtenteils ab und war selbst in desaströsen Auftritten wie im Supercopa-Finale gegen Barcelona (2:5) eines der wenigen Lichtblicke. Und auch im PSG-Debakel von New Jersey waren bei Reals bestem Torschützen zumindest Ansätze von Teamarbeit zu sehen, während Viní über 90 Minuten komplett teilnahmslos wirkte. Nicht selten wird in der Öffentlichkeit die These aufgestellt, dass der brasilianische Angreifer darunter leide, dass Mbappé nun der große Real-Superstar ist und dies auch zu schlechteren Leistungen beitrage. Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann ist es einzig und allein ein Ego-Problem von Vinícius selbst, denn Mbappé kam nicht nur mit großen Erwartungen und Vorschusslorbeeren nach Madrid, sondern konnte diese nach einer Saison auch größtenteils rechtfertigen.
Was also tun? Immer wieder aufkommende Verkaufsgedanken halte ich für übertrieben und aus Vereinssicht nicht für zielführend. Einen Spieler wie Vinícius Júnior, der sein Talent und Leistungsfähigkeit auf höchstem Niveau jahrelang unter Beweis gestellt hat, kann Real Madrid – stand heute – nicht gleichwertig ersetzen. Dass Spieler wie Ousmane Dembélé aktuell deutlich besser performen, steht außer Frage, aber auch die Tatsache, dass solche Spieler für Real in absehbarer Zeit aus verschiedenen Gründen unrealistisch sind. An dieser Stelle sei nur daran erinnert, dass Paris Saint-Germain vor wenigen Jahren ein Angebot der Königlichen für Kylian Mbappé über 220 Millionen Euro abgelehnt hatte. Nein, Real Madrid ist jetzt als Ganzes gefragt, Vinícius nicht bloß einen Denkzettel zu verpassen, sondern ihn mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche wieder zu dem Weltklassespieler zu machen, der er jahrelang war. In erster Linie ist es die Aufgabe von Xabi Alonso, die jedoch seitens der Vereinsführung zu 100 Prozent mitgetragen werden muss, und nicht durch wenig sinnvollen Aktionismus wie beim Ballon d’Or untergraben werden darf. Vor allem kommt es aber natürlich auf Vinícius selbst an. Er muss als Teamplayer agieren, er muss sich der Spielidee unterordnen, er muss wieder so trainieren, dass er auch physisch an seinen alten Leistungsstand anknüpft. Sonst wird er sich in der neuen Saison schnell auf der Ersatzbank wiederfinden, daran habe ich bei Xabi Alonso keinen Zweifel. Ab August wird Viní intern wie extern enorm unter Beobachtung stehen, und es ist allgemein bekannt, wie schnell die Stimmung bei Real Madrid und im Madridismo umschlagen kann.
Der Beitrag Kommentar nach PSG-Desaster: Real hat ein Vinícius-Problem erschien zuerst auf REAL TOTAL.