Ausplempern lassen? Geht's noch?
Borussia Mönchengladbach hat am Samstagnachmittag trotz früher Führung ebenso unnötig wie hochverdient eine 1:2-Niederlage gegen den SC Freiburg eingefahren und damit die eigene Ausgangsposition im Spiel um die Qualifikation für internationale Wettbewerbe empfindlich geschwächt.
Hochverdient war die Niederlage, weil spätestens mit Beginn der zweiten Halbzeit nur noch eine Mannschaft bereit war, Fußball zu spielen und den Willen erkennen ließ, das Spiel zu gewinnen. Diese Mannschaft war nicht Borussia Mönchengladbach. Es war der SC Freiburg, der beim Stand von 1:1 mit einer deutlich höheren Intensität aus der Kabine kam und es so schaffte, die zweiten 45 Minuten komplett zu dominieren. Borussia dagegen – am Anfang des Spiels durch schnelle Gegenstöße hoch gefährlich und trotz des Ausgleichs bis zur Pause wenigstens noch ebenbürtig, fiel in der zweiten Halbzeit völlig auseinander. Es gab keine gewonnenen Zweikämpfe mehr, weil man aufgrund des ehrfürchtig gehaltenen Abstands zu den Gegenspielern gar nicht mehr in Zweikämpfe kam. Man gewann keine zweiten Bälle mehr, weil dort, wo zweite Bälle herunterfielen, zuverlässig nur rote Trikots das Spielfeld bevölkerten. Man kam in keinen Kombinationsfußball mehr, weil jede Kombination sofort von den eng am Mann stehenden und die Räume besetzenden Freiburgern unterbunden wurde, sodass oft nur der Befreiungsschlag nach vorne blieb, um dann – bettelnd um das Gegentor – den nächsten Angriff der Breisgauer zu erwarten. Es war eigentlich nur deren Ineffizienz im Angriff und der – trotz des Fehlers beim Ausgleich – guten Torwartleistung bei Gladbach zu verdanken, dass es mit dem Freiburger Siegtreffer bis in die Nachspielzeit dauerte.
Mit anderen Worten – wie schon letzte Woche war das ein Auftritt, den man von Borussia Mönchengladbach kennt – aus den letzten Jahren, also aus Zeiten von denen man hoffte, dass sie überwunden seien. Insbesondere die beiden Neuen – also Neuhaus, der für den verletzten Reitz in die Mannschaft kam, und Netz, der Ullrich ablöste – konnten gar keine Werbung für sich machen, sondern zeigten sehr deutlich die Gründe auf, warum sie im Normalfall nicht Teil der Startelf sind. Man wäre geneigt, Neuhaus das Zweikampfverhalten und die Körpersprache eines A-Jugendlichen zu bescheinigen, würde man damit nicht vielen fußballspielenden A-Jugendlichen bitteres Unrecht tun. Netz spielte im Grunde wie immer, d.h. offensiv ohne Wirkung und defensiv orientierungslos, immer weit weg von seinen Gegenspielern. Doan konnte im Grunde machen was er wollte, und tat dies vor allem in der zweiten Halbzeit auch. Der Ruck, der mit der Einwechslung von Ullrich noch einmal durch die Mannschaft ging, war von kurzer Dauer, bevor dieser sich dem allgemeinen Schlendrian anpasste und Doan vor dem Freiburger Siegtor flanken ließ. Gleichermaßen problematisch war der Auftritt von Tomas Cvancara. Es wird ein immer größeres Rätsel, was man in diesem Spieler gesehen haben will, das eine zweistellige Millionenablöse rechtfertigt. Ungeachtet dessen, dass das Spiel gegen Freiburg deutlich gemacht hat, wie dünn der zweite Gladbacher Anzug ist, sollte man aber nicht den Fehler machen, den Auftritt an den genannten Personalien festzumachen. Nein, das war ein Versagen des gesamten Teams, in dem wenige (Cardoso trotz seines Fehlers, Itakura, Elvedi bis zur Auswechslung, Hack, Chiarodia) Normalform erreichten oder gar als Lichtblick gesehen werden können.
Damit sind wir beim Thema unnötig. Egal, wie gestern die Aufstellung war. Bei Gladbach gegen Freiburg gestern standen sich zwei vom fußballerischen Potential ziemlich gleichwertige Mannschaften gegenüber. Das Mittelfeld aus Weigl, Neuhaus, Honorat, Plea und Hack ist ja nicht untalentierter als Eggestein, Osterhage, Grifo, Höler und Doan. Gleiches gilt für die anderen Mannschaftsteile. Konnte man in der ersten Halbzeit das tiefe Stehen und die schnellen Gegenstöße noch wie Christian Günter im Interview nach dem Spiel als Teil des Gladbacher Matchplanes werten, war die Passivität im zweiten Durchgang schwer zu ertragen. Ja, es war warm. Aber das war es für die Freiburger auch. In Spielen grundsätzlich gleichwertiger Mannschaften gewinnt meist die, die es mehr will. Das war eindeutig Freiburg und nicht Gladbach. Und das ist es, was einen als Fan von Borussia Mönchengladbach wirklich wahnsinnig machen kann – das tief verwurzelte und in der jüngeren Vereinsgeschichte nur selten durchbrochene Gen, sich Chancen zu erarbeiten und diese dann zuverlässig nicht zu nutzen.
Tim Kleindienst ist im Grunde nichts hinzuzufügen, als er nach dem Spiel (selbst gesehen, aber zitiert nach kicker.de) feststellte: "Ich weiß nicht, ob hier manche schon so eine Zufriedenheit entwickeln, dass die Saison soweit ganz in Ordnung ist und wir das so ein bisschen ausplempern lassen. … Das ist das, was mich so ein bisschen nervt. Wir haben irgendwie eine Körpersprache, als wäre die Saison schon durch und es ginge um nichts mehr. Aber genau jetzt geht es halt um etwas und genau jetzt sollten wir nochmal zwei Gänge hochfahren. Aber ich habe irgendwie eher im Gefühl, dass gerade so ein bisschen das Gegenteil passiert. … Es sollte sich jeder mal selbst klar werden und reflektieren, ob heute alles gereicht hat. Das werde ich mit mir persönlich auch machen, das war auch zu wenig.“