Die alles richtig machen
Erst war es Werder Bremen, dann Borussia Mönchengladbach, jetzt ist es Eintracht Frankfurt: Eine Mannschaft jenseits der schwerreichen selbsternannten Top 4 im Deutschen Fußball, die mit kluger Kaderplanung und Transferpolitik eine ganze Weile oben mitspielt und, wenn es nicht gerade Borussia ist, sogar Titel gewinnt. Diese Vereine gelten dann als Vorbild für den großen Rest der Liga und als Beleg dafür, dass man es auch schaffen kann, wenn man nicht ständig von der Geldmaschine Champions-League, einem Großkonzern oder einem Saftladen mit Geld zugekleistert wird.
Die Beispiele Bremen und Gladbach zeigen, wie volatil das Modell ist. Wenn man bei den Transfers doch mal danebengreift, wenn die eigenen Ansprüche in Sphären wachsen, in denen der Verein eigentlich nicht mithalten kann, wenn man den eingeschlagenen Weg nicht konsequent weitergeht. Eintracht Frankfurt kann man das bisher nicht vorwerfen. Mit erstaunlicher Konsequenz betrachtet man Spieler dort als das „Material“, was sie letzten Endes im Fußballbusiness wohl sind. Niemand ist unverkäuflich, an keinen Star kann man sich in Frankfurt gewöhnen, im Gegenteil: Fängt einer an, überzuperformen, ist der Abgang in der Regel so gut wie eingetütet. Das ist so unsentimental wie effizient. Das Beispiel Frankfurt zeigt: Jeder ist verzichtbar, seien es Spieler, Trainer oder Manager. Das Konzept steht und es funktioniert. Bisher zumindest, und das wirklich beeindruckend gut.
Wäre Borussia Eintracht Frankfurt, man müsste sich wohl auf einen baldigen Abgang von Reitz, Kleindienst und Honorat einstellen. Wie man ohne diese Spieler zurechtkommt, zeigt sich just im Spiel gegen Eintracht Frankfurt, denn Reitz und Honorat fehlen definitiv, Kleindienst möglicherweise. Ersatz kann sich Gerardo Seoane freilich nicht auf dem Transfermarkt besorgen, er muss mit dem auskommen, was der Kader hergibt. Im Fall Reitz wird das Philipp Sander sein, im Fall Honorat nach dem gescheiterten Experiment mit Tomas Cvancara erneut Nathan Ngoumou. Dessen Auftritt beim Sieg in Stuttgart weckt die leise Hoffnung, dass es doch noch was werden könnte mit Ngoumou und Borussia, solange niemand wieder auf die Idee kommt, der Franzose könne auch Linksaußen oder Mittelstürmer sein. Schwieriger würde es, sollte Tim Kleindienst wirklich nicht fit werden. Borussias Spiel ist auf den „Zielspieler“ Kleindienst ausgerichtet, zudem profitiert die Mannschaft vom Kampfgeist des Nationalspielers. Selbst wenn ihm nicht alles gelingt, ist seine Präsenz ganz augenscheinlich ein wichtiger Faktor für das Team. Wer könnte Kleindienst ersetzen? Da landet man fast schon zwangsläufig wieder beim tschechischen Unglücksraben Cvancara. Der Stürmer, der sich selbst eher für einen Mittelfeldspieler hält, der Mann, der gerne außen spielen würde, obwohl er das nachweislich nicht so richtig hinbekommt, der mit zunehmender Zeit in Gladbach immer mehr mit sich zu hadern scheint, der sich folglich auf dem Platz regelmäßig verzettelt, es ist ein Elend. Vieles davon ist Kopfsache, vielleicht könnte sich nach einem wirklich gelungenen Spiel da einiges einrenken. Allein man mag nicht mehr wirklich daran glauben. Dazu kommt, dass Cvancara eben nicht der typische „Zielspieler“ ist, den man in Tim Kleindienst hat. Cvancara für Kleindienst, das bringt die Statik des Borussenspiels ins Wanken. Hierauf müssten Gerardo Seoane und sein Team binnen kürzester Zeit eine Antwort finden. Aber was wäre die Alternative? Alassane Plea vielleicht – auch kein Zielspieler aber zumindest fußballerisch stark. Aber auch der war zuletzt nicht fit und es ist nicht sicher, ob er gegen Frankfurt überhaupt im Kader stehen kann. Auch Experimente mit Robin Hack oder – Gott bewahre – Nathan Ngoumou in vorderster Front sind denkbar, aber nicht wünschenswert. Wünschenswert wäre die flotte Genesung von Tim Kleindienst, dann bedürfte es keiner weiteren Gedankenspiele.
Wichtig ist gegen Eintracht Frankfurt aber ohnehin noch etwas anderes: Die Defensive muss stehen. Angefangen bei den Mittelfeldspielern, die dem Umschaltspiel der Hessen robust begegnen sollten, die Außenverteidiger dürfen sich keine Aussetzer leisten, die Innenverteidigung steht gegen einen solchen Gegner ohnehin unter Dauerdruck, man hat hier inzwischen aber tatsächlich ein gewisses Vertrauen in Nico Elvedi, Ko Itakura und auch in ihr Backup Marvin Friedrich entwickeln dürfen.
Eintracht Frankfurt ohne Omar Marmoush, das ist erstmal eine gute Nachricht, denn der Ägypter traf bei den beiden Spielen seiner damaligen Mannschaft gegen Borussia in dieser Saison immer. In der Liga erzielte er das entscheidende 2:0, im Pokal das entscheidende 2:1. Aber wenn Marmoush nicht mehr da ist, trifft halt Etikité, wie beim 2:2 in Hoffenheim oder Nachwuchshoffnung Uzun macht ein Tor, wie beim 1:1 gegen Wolfsburg.. Außerdem gibt es da noch die zwei neuen Stürmer, die mittelfristig den abgewanderten Star ersetzen sollen. Ob Michy Batshuayi und/oder Elye Wahi für Kader oder gar Startelf schon in Frage kommen, hat Trainer Dino Toppmöller offengelassen. Der Frankfurter Kader ist in Breite und Spitze gut genug, als dass er sich erlauben kann, die Neuen behutsam heranzuführen. Hinten dürfte der Ausfall von Nationalspieler Robin Koch schwerer ins Gewicht fallen. Toppmöller muss die Dreierkette umstellen, vielleicht liegt hier eine Chance für Borussia, egal wer sich vorne letzten Endes versuchen darf oder muss.
SEITENWAHL-Prognose
Christian Spoo: Kein Kleindienst, keine Punkte, so einfach stellt sich das im Borussia-Park am Samstagabend dar. Deswegen ausnahmsweise zwei Tipps: Wird unsere Nummer 11 fit, gibt es ein 2:2, ansonsten verliert Borussia mit 1:2.
Mike Lukanz: Borussia hat Rückenwind nach dem Sieg in Stuttgart, aber Frankfurt ist (fast) zu stark. Mit dem unterhaltsamen 2:2 können alle irgendwie leben.
Volkhardt Patten: Borussia holt mit dem 1:1 einen weiteren, nicht unbedingt zu erwartenden Punkt gegen einen Gegner aus dem Regal "Eigentlich für Borussia nicht zu schlagen" und lässt die Fans weiter träumen.
Michael Oehm: Mit Kleindienst wird es ein sensationelles 2:1 und eine Woche Friede, Freude, Eierkuchen. Ohne ihn maximal Eierkuchen.