Fußball
News melden
Nachrichten

Mehr als nur ein Passant

0 0

seitenwahl 202308261715 IMG 9813Eher leise ist vor einigen Tagen die Tätigkeit von Hans Meyer für Borussia Mönchengladbach zu Ende gegangen. Lange Zeit nie um einen plastischen, ironischen, manchmal sarkastischen Spruch verlegen, hörte man nach einigen eher missglückten Doppelpass-Auftritten in letzter Zeit fast nichts mehr von Meyer. Insofern ist der Rücktritt als Präsidiumsmitglied – auch angesichts seines Alters – nicht unbedingt überraschend und dennoch der richtige Zeitpunkt für eine Würdigung.

Meine eigene Geschichte mit Hans Meyer beginnt schon ein bisschen früher als die Beziehung zwischen Hans Meyer und Borussia Mönchengladbach. Meyer war in den 70er und 80er Jahren Trainer von Carl Zeiss Jena. Später gefragt, ob er denn auch gerne einmal so richtige Weltklassespieler trainiert hätte, war seine Antwort: „Hab ich doch, Peter Ducke in Jena!“ Auch wenn da sicher ein bisschen Trotz im Spiel war – Meyer war in Jena ein absoluter Erfolgstrainer, der als Höhepunkt seines Wirkens 1981 das Finale des Europapokals der Pokalsieger erreichte und in Düsseldorf gegen Dynamo Tiflis vor einer gruseligen Kulisse (es durfte ja von beiden Finalisten niemand außer dem Team selbst hin) knapp verlor. Als Meyer dann 1988 in meine Heimatstadt Chemnitz kam und den damaligen FC Karl-Marx-Stadt übernahm, wurde aus einem biederen Mittelfeldteam, dass nie ernsthaft in Abstiegsgefahr geriet, aber auch keinerlei Ambitionen hatte, plötzlich eine Spitzenmannschaft des DDR-Fußballs. Ein Umstand, dem sogar ich als erklärter Nicht-Fan des Vereins etwas abgewinnen konnte. Meyer ließ damals eher offensiven Fußball spielen und das zog dann auch die in Chemnitz eher passiven Zuschauer ins Stadion.

Dann kam die politische Wende und alles war anders. Zwar hatte sich der Chemnitzer FC für die 2. Bundesliga qualifiziert und konnte sich dort einige Jahre halten. Die wirklich guten Spieler waren aber weg, gen Westen. Den Abstieg hat Meyer nicht mehr in Chemnitz erlebt – Klartext sprechend wie immer stellte er sinngemäß fest: „Wenn wir so weiter machen, steigen wir in spätestens 3 Jahren ab.“ Meyer wurde gefeuert, abgestiegen wurde trotzdem. Meyer hat später einmal zugegeben, dass er damals eigentlich mit Angeboten aus der Bundesliga rechnete. Stattdessen kam nochmal Jena und Union Berlin – damals nicht der seriös geführte Bundesligaklub, sondern ein chaotischer Drittligist mit der Neigung, an Lizenzvergaben zu scheitern. Trainer aus der ehemaligen DDR waren schlicht nicht gefragt auf dem gesamtdeutschen Trainermarkt.  An dem Punkt hätte die Trainerkarriere auch enden können und die Bundesliga hätte nie den „Kulttrainer“ Meyer erlebt. Webseiten, die seine besten Sprüche sammeln, gäbe es auch nicht. Meyer nahm dann den Umweg über die Niederlande und trainierte von 1996-99 Twente Enschede.

Als Meyer 1999 auf dem bisherigen Tiefpunkt der Borussia in Mönchengladbach aufschlug und mit seinem Kommunistenspruch erstmal für gehörig Aufsehen sorgte, dürfte er am Niederrhein den meisten Menschen völlig unbekannt gewesen sein und wurde wahrscheinlich von einer gehörigen Portion Skepsis begleitet. Meyer schaffte es aber mit seiner Art, Mönchengladbach für sich einzunehmen (Pressevertreter eines Organs mit vier Buchstaben ausgenommen), 2001 aufzusteigen und die Klasse zu halten. Sehr verdienstvoll war sein Rücktritt 2003, als er erkannte, dass seine Fehde mit einzelnen Pressevertretern zur Belastung wurde. Nach einem Klassenerhalt mit Hertha BSC sowie einem Klassenerhalt und einem Pokalsieg mit Nürnberg war er im Herbst 2008 wieder da – als Feuerwehrmann, der mit klugen Maßnahmen (insbesondere die Verpflichtung von Tomas Galasek) den eigentlich in aussichtsloser Ferne liegenden Klassenerhalt erreichte. Der Fußball von Meyer in Gladbach war in beiden Amtsperioden wenig ansehnlich – den damaligen Möglichkeiten und dem Abstiegskampf geschuldet. Hinten dicht und vorne hilft Arie van Lent war das Motto in der ersten Amtszeit, die zweite fiel nicht wesentlich torreicher aus. Meyer vermittelte aber – das zieht sich durch alle seine Stationen – immer den Eindruck, einen klaren, den Möglichkeiten angepassten Plan und den nötigen Sachverstand zu dessen Umsetzung zu haben. Zugleich war er aufgrund seiner Persönlichkeit meist in der Lage, in einem damals ziemlich unruhigen Verein und Umfeld den Druck von der Mannschaft fernzuhalten. Einzig in der Wahl seiner Nachfolger bei Gladbach erwies er sich wenig glücklich. Weder Ewald Lienen noch Michael Frontzeck waren seinen Fußstapfen gewachsen.

Mit seinem Rücktritt 2009 tauchte Meyer dann 2011 als Vizepräsident der Borussia wieder auf. In den ersten Jahren wahrscheinlich ein geschätzter Berater des damaligen, damals noch nicht beratungsresistenten Sportdirektors, später ein markanter Interviewpartner, der die Dinge auf den Punkt einordnen konnte und immer noch jederzeit einen flotten Spruch auf Lager hatte. Auch wenn es zuletzt ruhiger geworden war – ein Passant (um den in den letzten Tagen vielfach bemühten Spruch noch einmal aufzuwärmen) war Hans Meyer für Borussia Mönchengladbach bestimmt nicht.        

Загрузка...

Comments

Комментарии для сайта Cackle
Загрузка...

More news:

Read on Sportsweek.org:

Andere Sportarten

Sponsored