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Möbelfabrik Georg Neuer: Als Betten aus Eberbach modern waren

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		Möbelfabrik Georg Neuer:  Als Betten aus Eberbach modern waren

Von Rainer Hofmeyer

Eberbach. Es gab stets Unternehmergeist in Eberbach – Menschen, die ihr eigenes Geschäft, ihre eigene Fabrikation aus dem Boden stampften. Über Jahrzehnte waren sie dann erfolgreich, sorgten für Arbeit und Brot Dutzender Eberbacherinnen und Eberbacher, ihrer Familien. Daneben waren sie auch noch Wohltäter für die Allgemeinheit. Einige Firmen haben bis heute überlebt. Doch anderen wiederum hat der Lauf der Zeit das Geschäft unrentabel werden lassen. Erinnerungen an einige solcher Betriebe sind bis heute erhalten geblieben. Das ist Stadtgeschichte. Die "Möbelfabrik Georg Neuer" ist ein solches Beispiel für den Wagemut von Eberbacher Handwerkern.

Ihre Historie ist aber auch ein Zeugnis dafür, wie die Änderung von familiären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen das Schicksal einer Firma beeinflussen können.

1877 – vor 145 Jahren – wurde "Möbel-Neuer" gegründet. Zwei Weltkriege hat die Produktion überstanden. 1964 kam das Ende. Bruno Schmitt, Altstadtrat und einst Leiter der Theodor-Frey-Schule, hatte Zugang zu Firmenunterlagen und hat die Entwicklung der Neuerschen Möbelfabrikation in vielen Einzelheiten niedergeschrieben. In Schmitts "Geschichte der Möbelfabrik Neuer" ist von einer enormen Entwicklung in den ersten Jahren zu lesen.

Georg Neuer hatte die Schreinerei seines Vaters übernommen. Die lag an der Ecke der heutigen Bahnhof- zur Brühlstraße. Neuer wechselte auf die andere Straßenseite und erweiterte die Produktionsräume über rückwärtige Grundstücke bis hin zur Feuergrabengasse, dem Gelände bei der Katholischen Stadtkirche.

Sogleich war Platz für sieben Hobelbänke und größere Maschinen wie eine mechanische Hobelbank, eine Kreis- und eine Bandsäge, eine Fräsmaschine.

Der erste Großkunde Neuers war die Katholische Kirchengemeinde, die von 1884 bis 1887 die Kirche St. Johannes Nepomuk baute. Mit dem anderen Eberbacher Schreiner Georg Hager lieferte Georg Neuer Kanzel, Gestühl, Türen, Balustraden und andere Tischlerarbeiten.

Das "hochverehrte erzbischöfliche Bauamt" war entzückt über "die künstlerisch schöne, formvollendete Kanzel", die die beiden Schreiner schließlich für 800 Mark geliefert haben.

Bald durfte sich Neuer "Hof-Möbelfabrikant" für den Badischen Großherzog nennen. Der Landesherr bestellte viele Möbel fürs Zwingenberger Schloss. Mobiliar wurde an die Heidelberger Universitätskliniken geliefert, an die Augen- und die Ohrenklinik, die Psychiatrie und das Samariterhaus. Auch Professoren bestellten bei Neuer für ihr Zuhause. Das Hotel "Europäischer Hof" in Heidelberg war ebenfalls ein guter Kunde. Um näher dran zu sein, eröffnete Neuer eine Filiale in der Heidelberger Sophienstraße.

Als 1908 Neuers ältester Sohn Friedrich nach Ausbildung als Kunsttischler und bei einem Lübecker Möbelhersteller in den Familienbetrieb einstieg, wurden formschöne und künstlerisch gestaltete Möbelstücke zum großen Geschäft.

Ein von Friedrich Neuer gestaltetes Renaissance-Büfett wurde 1912 in einer Münchner Ausstellung gezeigt. In Frankfurt hat der berühmte Bankier Rothschild seine Geschäftsräume mit Eberbacher Möbeln ausgestattet. Auch in Rothschilds Privatvilla stand Neuers Einrichtung. Möbel-Neuer war eine gute Adresse auch für Schreiner-Lehrlinge und -Gesellen. Zehn später in Eberbach selbstständige Schreinermeister fingen dort an. Die stadtbekannten Schreinermeister Jakob Pfeiffer (später auch Feuerwehrkommandant) und Wilhelm Dewald (Möbel-Dewald) gehörten dazu.

1912 firmierten Georg und Friedrich Neuer gemeinsam als "Hof-Möbelfabrik in Eberbach a. N.". Das Fabrik-Inventar wurde auf beachtliche 155. 000 Mark beziffert.

Zwei Jahre später bremste der Beginn des Ersten Weltkrieges den Aufschwung. Die Brüder Friedrich und Ludwig Neuer wurden zum Militär eingezogen. Viele angestellten Schreiner hat man ebenfalls zu den Waffen gerufen.

Frauen mussten jetzt als Ersatz bei Neuer arbeiten. Die Produktion wurde auf Kriegsaufträge umgestellt. Ein "Geländeplanwagen für das kaiserliche Heer" war das Vorzeigestück der hölzernen Rüstungsproduktion. Nach Kriegsende 1918 lief das Geschäft der Neuers nicht mehr gut. Der Kundenstamm brach weg. Die Heidelberger Filiale musste geschlossen werden.

Ein Konkursverfahren 1929 und ein Zwangsvergleich mit den Gläubigern sicherte wenigstens den Fortbestand des Unternehmens. Die Firma wurde in eine OHG (Offene Handelsgesellschaft) umgewandelt. Der zweite Sohn Ludwig, Diplomingenieur und Architekt, trat mit in die Führung ein.

Es wurde aber kaum besser. Die Belegschaft musste von einst 150 Arbeiter auf zwölf reduziert werden.

1924 bereits hatte die Stadt Eberbach massiv an regionaler Bedeutung verloren. Das badische Bezirksamt wurde aufgelöst, der Bezirksarzt wurde abgezogen, ebenso verließen das Reichsbahnbauamt und das Reichsbahnbetriebsamt die Neckarstadt. Der damit zusammenhängende "Verlust der Beamten" dieser Einrichtungen wurde vom damaligen Bürgermeister Dr. Karl Frank als Ursache für den "Verlust von Kaufkraft und damit einer Antriebskraft der Eberbacher Wirtschaft" gebrandmarkt.

"Der Umbruch im Jahre 1933 brachte eine Wendung zum Besseren", feierte die Fabrik Neuer einen Boom im Dritten Reich. Jetzt kamen staatliche Aufträge rein. Im Januar 1936 feierten 40 Mitarbeiter auf einem "Kameradschaftsabend" im "Badischen Hof" die neue Zeit unter dem "genialen Führer". Von 1936 ist das Bild von einer Gewerbeschau auf dem Kuckucksmarkt erhalten geblieben, auf dem eine "Trinkstube" mit robustem Neuerschem Gaststätten-Mobiliar zu sehen ist. Dann kam eine andere Zeit, von der der Ausspruch Georg Neuers überliefert ist: "So weit ist es gekommen, dass wir jetzt Kisten machen müssen."

Ab 1938 stellte Neuer Munitionskästen für die Wehrmacht und hölzerne Teile für Flugzeuge der Luftwaffe her – alles unter strengster Geheimhaltung. Im März 1939 wurde eine "Heißdampf­zylindermachine" angeschafft, die immerhin 75 PS lieferte, Kraft für 20 bis 25 Maschinen. Von März bis Dezember dieses Jahres stieg die Zahl der Mitarbeiter von 100 auf 111 "Gefolgschaftsangehörige" an. Im Krieg mussten 60 Männer an die Front. 1942 wurden die ersten Gefallenen der Belegschaft gezählt. Im September 1943 hat man noch einmal in der Werkstatt aufgerüstet. Um den Einsatz der Frauen im Betrieb zu ermöglichen, wurden eigens neue Sanitäreinrichtungen eingebaut.

Nach dem Krieg entsprach die Produktionspalette dem neuen Geschmack. Es ging wieder aufwärts, das Wirtschaftswunder bahnte sich an. Neuer lieferte Tonmöbel für so bedeutende Phonohersteller wie Kuba (Kuba-Imperial) und Loewe-Opta, auch für das Versandhaus Neckermann. Ein Schmuckstück war das "Luxus"-Schlafzimmer 1950: Doppelbett, Nachttische, Kleiderschrank, Kommode und Spiegelecke. Preis: ab 2 600 Mark komplett. Die Fabrik schrieb Millionenumsätze.

Wie so manch’ andere Eberbacher Geschäftsleute stellten sich auch die Neuers ehrenamtlich in den Dienst der Gemeinschaft. Firmengründer Georg Neuer war ab 1875 über 50 Jahre aktiv im "Liederkranz", bekleidete dabei mehrere Vereinsämter. Sohn Friedrich wurde in den Gründerjahren Mitglied der Rudergesellschaft und führte sie neun Jahre. Ludwig Neuer war Stadtrat und leitete ab 1921 über Jahrzehnte den Heimat- und Verkehrsverein. Der initiierte 1929 den Kuckucksmarkt. Damit sollte Eberbach wieder wirtschaftlich vorankommen. Ein Aussichtspavillon am Scheuerberg trägt Ludwig Neuers Name.

1950 rundete man das Firmenjubiläum um zwei Jahre auf 75 auf. Dann ging der Ertrag stetig zurück. Und es zeichnete sich das Ende der Möbelfabrik Neuer ab. Firmengründer Georg Neuer war 1943 im Alter von 88 Jahren gestorben, sein Sohn Friedrich bereits 1937. 1953 starb Ludwig Neuer. Es gab keine männlichen Erben, die den Betrieb hätten weiterführen können. Neben der Kenntnis der Betriebswirtschaft war auch Hand­werk gefragt. 1956 fassten die Erbinnen erstmals den Gedanken, Fabrik und Gelände zu veräußern.

Erst 1964 war es mit dem Verkauf so weit. Das Firmengrundstück ging an die Katholische Kirchengemeinde und den benachbarten Installateur Ernst Reinig. Das heutige katholische Gemeindezentrum liegt auf dem Gelände der einstigen Möbelfabrik. Im Juni 1964 betrauerten die verbliebenen 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Ende eines bedeutenden Eberbacher Unternehmens: Ein letzter Belegschaftsabend in der "Krone-Post" - die es inzwischen auch nicht mehr gibt.

Info: Bruno Schmitt, "Die Geschichte der Möbelfabrik Neuer in Eberbach"; Eberbacher Geschichtsblatt 2002, S. 111 - 136.

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