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Bad Schönborn: Blick in die Historie von Schloss Kislau

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		Bad Schönborn:  Blick in die Historie von Schloss Kislau

Von Sylvia Mutter

Bad Schönborn. Etwas abgelegen liegt Schloss Kislau in der Gemeinde Bad Schönborn. Reisende, die mit der Rheintalbahn von Heidelberg Richtung Karlsruhe unterwegs sind, können das Gebäude rechts neben den Gleisen sehen. Der Kunsthistoriker Marc Ryszkowski vom Landesamt für Denkmalpflege befasst sich mit Bau- und Kunstdenkmalpflege, insbesondere mit der außergewöhnlichen Geschichte des Kislauer Schlosses, das heute als Justizvollzugsanstalt genutzt wird. "Der Strafvollzug hatte große Auswirkungen auf die Veränderung der baulichen Struktur des Denkmals", betont der Wissenschaftler und ergänzt: "Viel der ursprünglichen Bausubstanz ging im Laufe der Jahrhunderte verloren, um der militärischen Nutzung oder den Anforderungen an Haftbedingungen gerecht zu werden."

Bei der Betrachtung der heute erhaltenen Gebäude fällt die Bezeichnung "Schloss" seiner Meinung nach schwer. Von der barocken Herrlichkeit des 1721 vom Speyerer Fürstbischof von Schönborn erbauten Jagdschlosses blieb nur wenig erhalten, erlebte der Bau doch eine wechselvolle Geschichte – vom Jagdschloss über die Nutzung als Militärhospital, Gefängnis, Internierungs- und Konzentrationslager, als Unterkunft für Heimatvertriebene bis zur heutigen Nutzung als Justizvollzugsanstalt.

Die ursprünglich existierende Burg wurde bereits 1675 von französischen Truppen bis auf das mittelalterliche Hauptgebäude, den Bergfried, zerstört. Dieser bildete auch in der barocken Schlossanlage das Zentrum. Die Errichtung des "Corps de Logis", des kompakten, monumentalen Haupthauses mit dem ungewöhnlichen Pyramidendach gibt dem Schlossgeviert bis heute sein charakteristisches Aussehen. Im Inneren steckt noch immer das zum Treppenhaus umgenutzte Gemäuer des Mittelalters.

Erhebliche Bestandsverluste brachte die Säkularisierung der Kirchengüter mit sich, ab 1813 wurde das Schloss als Kaserne und Militärhospital genutzt. Seit dieser Zeit sind die Außenanlagen mit Ausnahme der Mauer verloren, die Rokoko-Innenausstattung größtenteils zerstört. Gemälde des 18. Jahrhunderts, die bei der Säkularisierung entfernt wurden und knapp der "Entsorgung" entgingen, konnten allerdings gerettet werden. Heute wiederum helfen Pläne und Grundrisse aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und andere Dokumente bei der Erforschung der noch vorhandenen Bausubstanz. "Mit Zeitungsberichten, Abbildungen und weiteren historischen Dokumenten lassen sich verschiedene geschichtliche Epochen belegen", erklärt Marc Ryszkowski, und blättert derweil in seinem Ordner, in dem sich auch Kopien von Artikeln aus den 1930er-Jahren befinden, die ganzseitig über das eingerichtete Konzentrationslager (KZ) berichten. Mitunter sind die hier zu sehenden Fotografien die einzigen Bilddokumente aus dem Inneren der Gebäude. Zudem sind jedoch auch Ausgrabungen in Bild und Text dokumentiert.

Die Erhaltung der barocken Gemälde und letzter Reste der Barock- und Rokokoverzierungen sind einem besonders traurigen Abschnitt der Schlossgeschichte zu verdanken. Nach der Machtergreifung Hitlers wurde ein Konzentrationslager im ehemaligen Schloss eingerichtet. Ab 1933 war Kislau das erste badische KZ, es existierte bis ins Jahr 1939. Zwei bekannte Häftlinge sorgten während ihrer Inhaftierung für die Sanierung der noch vorhandenen Überreste aus der Epoche des Rokoko: Zum einen Staatsrat und Heimatschriftsteller Hermann Stenz, zum anderen der Reichstagsabgeordnete und Staatsrat Ludwig Marum, der 1934 in seiner Zelle ermordet wurde. Hermann Stenz wollte nach Aussagen Ryszkowskis die Zeit der Inhaftierung nutzen, um Sinnvolles zu tun, die dekorativen Elemente der Nachwelt zu erhalten. "Dies zeigt andererseits eine gewisse Naivität gegenüber dem neuen politischen System", so Ryszkowski. Eine erst kürzlich entdeckte Inschrift auf der Rückseite des Baldachins im "Fürstenbad" weist auf die Tätigkeit der beiden Häftlinge hin, wobei sich – welch Ironie – auch einer der Wachleute an den Arbeiten beteiligte, er machte sich als Holzschnitzer ans Werk.

Der ehemalige Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Friedel rettete vor einigen Jahren drei Gemälde, die Hermann Stenz 1933 und 34 für die Ausstattung der Rokokoräume anfertigte. "Eine Idee für die Zukunft wäre, die Originale zu restaurieren und sie gegen die schlechten Repliken der 60er-Jahre zu ersetzen", schlägt Marc Ryszkowski vor.

Doch wie lässt sich heutzutage Denkmalschutz mit dem Strafvollzug vereinbaren? Michael Dorn, dem Leiter des Strafvollzugs in Kislau, liegt neben der Erhaltung der historischen Bausubstanz auch die Pflege der Stehle, die Ludwig Marum gewidmet ist, am Herzen. Auch der Justizvollzugsangestellte Zahn weist besonders auf dieses seitens der SPD initiierte Denkmal hin, welches vor einigen Jahren versetzt wurde und inzwischen einen besonderen Platz im ehemaligen Schlossgeviert erhielt.

Ein besonderes Anliegen war den JVA-Mitarbeitern in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, eine Bank für Besucher zu installieren. Die kleine Grünanlage ist frei zugänglich nahe des Besucherparkplatzes. Die Inhaftierten sorgen für Blumenbeete, die um die Stehle angelegt wurden, um Interessierten einen Anreiz zu bieten, sich mit der denkwürdigen Historie des Schlosses, aber auch mit der Geschichte der Menschen zu befassen, die hier unter der Zwangsherrschaft zu leiden hatten oder gar ihr Leben ließen.

Was indes offenkundig fehlt, ist eine kleine Info-Tafel, wie sie auch an anderen relevanten Punkten der Gemeinde zu finden sind. So würde möglicherweise manch einer danach eine kurze Pause in der Grünanlage einlegen, an diesem geschichtsträchtigen Ort.

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