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Nationaltheater Mannheim: So lief die Uraufführung von Saša Stanišics "Herkunft"

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		Nationaltheater Mannheim:  So lief die Uraufführung von Saša Stanišics 

Von Heribert Vogt

Mannheim. "Heimat ist da, wo der Käse nicht so teuer ist", heißt es einmal. Aber in Heidelberg ist er deutlich teurer als in Bosnien. Und überhaupt ist hier alles anders als im vertrauten Višegrad der Kindheit. Das beschreibt der 1992 nach Heidelberg geflüchtete Schriftsteller Saša Stanišic (Jahrgang 1978) in seinem stark autobiografisch geprägten Roman "Herkunft", für den er 2019 den Deutschen Buchpreis erhalten hat.

Darin unternimmt der Schriftsteller eine fiktionale Expedition in sein Ich, um Gewissheiten seines Lebens aufzuspüren. Im Mannheimer Schauspielhaus hatte das Werk nun in der Theaterfassung und Inszenierung von Johanna Wehner Premiere. Die Erinnerung zeigt sich da als ein schwankender Grund – fast kein Halt, nirgends. Und so wurde es ein melancholischer, poetischer, mehrstimmiger, aber immer wieder auch komischer Abend.

Auf der Bühne (Benjamin Schönecker) sieht man eine blaue Aral-Tankstelle ohne den typischen Schriftzug. Hier herrscht eine raue Romantik. Die Pflanzen rundum zeugen von einem verlassenen Standort irgendwo in der Pampa. Er befindet sich aber nicht im weiten Westen der USA, sondern in Heidelberg-Emmertsgrund. Und nicht Desperados bevölkern den einsamen Ort, vielmehr sind es junge Migranten, die dort abhängen. Dazu heißt es: "Die soziale Einrichtung, die sich für unsere Integration am stärksten einsetzte, war eine Aral-Tankstelle. Gelegentlich überfallen wurde sie schon, aber multikultureller Faustdialog fand eben kaum statt. (…) Die Legende all derer, die vom Aralparkplatz die Sonne über Frankreich untergehen sahen, lautete: Wir erzählen gern." Und das war "wirklich schön".

Im Nationaltheater Mannheim sind es nun die Schauspieler, die nicht Geschichten aus aller Herren Länder erzählen, sondern die eine von Saša Stanišic. Die Vier von der Tankstelle werden dargestellt von László Branko Breiding, Matthias Breitenbach, Christoph Bornmüller und Patrick Schnicke. Sie sind zusammen auf der Suche nach der vergangenen Zeit des Erzählers – ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen, denn diese Jahre sind vom Verschwinden bedroht.

Das ursprüngliche Heimatland Jugoslawien gibt es nicht mehr, und die geliebte Großmutter Kristina in Bosnien leidet an Demenz. Da gilt es jetzt umso mehr, verlässliche Erinnerungen zu retten. Allerdings gibt es davon unter dem Strich nur verdammt wenige.

Zumeist tauchen Bruchstücke auf, und auch die haben noch unscharfe Ränder. Die Darsteller verkörpern die daraus erwachsende Multiperspektivität. Mal sprechen sie dialogisch, mal variierend, nachhallend oder auch rhythmisch-chorisch, immer wieder unterlegt von Musik (Vera Mohrs, Kostia Rapoport).

Das Ganze wirkt wie ein Labyrinth, in dem es keinen wirklichen Ausgang und auch kein Entkommen gibt: "Herkunft ist doch ein Konstrukt, eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist." Offenbar sind Heimat und Zuhause reine Zufälle, die vor allem von den Umständen der Geburt abhängen.

Aber so schemenhaft und vier- bis vielstimmig die Aufführung ist, so fein komponiert, jedoch auch immer wieder pointiert tritt sie vor Augen. Dabei woben alle Schauspieler starke Farben in das schillernde Gedankengespinst, auch mit Verbindungen ins Publikum, das sich an der Vergangenheitsrecherche beteiligen sollte. Darin war auch Heidelberg stark präsent: vom Emmertsgrund über die Schule und das Schloss bis hin zu Heimatgedichten des Romantikers Joseph von Eichendorff.

Was ist eigentlich Herkunft? Dazu wurden viel mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben. Letztlich ist sie auch bei wohl allen Menschen äußerst komplex. Die theatralen Besucher der Heidelberger Tankstelle sind in Deutschland Gestrandete, aber in ihren Haaren glitzert es, und sie tragen Glamour-Look (Kostüme: Ellen Hofmann). Denn im Reich ihres individuellen und einzigartigen Lebens sind sie Könige. Starker Applaus des Premierenpublikums.

Info: Die nächsten Aufführungen im Mannheimer Schauspielhaus: 27., 29. September, 3., 16. Oktober. 

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