Rhein-Neckar: Weil Pflegebedürftigkeit jeden Menschen treffen kann
Von Günther Grosch
Rhein-Neckar. Um dem steigenden Beratungsbedarf Rechnung zu tragen, haben die Kranken- und Pflegekassen sowie die kommunalen Landesverbände in einem Rahmenvertrag den Ausbau der insgesamt 44 Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg vereinbart. Zu dessen Umsetzung hat der Rhein-Neckar-Kreis eine neue Konzeption entwickelt und das Beratungsangebot weiter ausgebaut. Zentrale Beratungsstellen in Hockenheim, Neckargemünd, Sinsheim, Weinheim und Wiesloch wurden zu diesem Zweck etabliert. Darüber hinaus werden für jede Gemeinde im Kreis künftig bei Interesse Sprechzeiten vor Ort angeboten und der Personalstand auf insgesamt elf Vollzeitstellen erhöht.
Die 2010 eingeführten Pflegestützpunkte hätten sich als neutrale, kompetente und kostenfreie Beratungsstellen zu allen Fragen rund um die Pflege sehr gut etabliert, lobt Landrat Stefan Dallinger. Die Pflegestützpunkte stellten ein echtes Erfolgsmodell dar. Der Bedarf an Informationen und Beratung nehme weiter zu. Deshalb sei es notwendig geworden, das vom Rhein-Neckar-Kreis in Zusammenarbeit mit den Kranken- und Pflegekassen getragene Angebot der Pflegestützpunkte zu erweitern.
Das Thema Pflege ist nicht nur schwierig. Es trifft Familien meist völlig unerwartet. Ein Unfall, eine schwere Krankheit, ein Schlaganfall – und schon ist nichts mehr, wie es war. Plötzlich, von jetzt auf gleich, sollen Angehörige entscheiden, wie, wo und von wem ein pflegebedürftiges Familienmitglied versorgt werden soll und kann. Auf diese Situation aber sind viele nicht vorbereitet. Deshalb sollte jeder wissen, dass es mit den Pflegestützpunkten eine kompetente Anlauf- und Beratungsstelle ganz in seiner Nähe gibt. Die nicht nur kurzfristig beim Ausfüllen notwendiger Formulare hilft, Tipps und Ratschläge zu allen Fragen rund um die Pflege bereithält, sondern dies bei Bedarf auch in Form eines Hausbesuches bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen tut.
"Die künftige Sicherstellung von Pflege ist angesichts der demografischen Entwicklung und der steigenden Anzahl von Menschen mit Pflegebedarf eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen, vor der unsere Gesellschaft steht", sagt Karin Graser, Amtsleiterin im Sozialamt des Rhein-Neckar-Kreises.
Wichtig sei es, eine wohnortnahe Unterstützung zu bieten, macht Graser deutlich. Die demografische Entwicklung, die immer schneller eintretenden Veränderungen in unserer Gesellschaft sowie die ständig komplexer werdenden rechtlichen Vorgaben führten dazu, dass Beratungsangebote insbesondere für ältere Menschen und deren Angehörige weiter an Bedeutung gewinnen.
Schon heute gibt es in der Bundesrepublik fast vier Millionen Pflegebedürftige, davon rund die Hälfte Demenzkranke. Gepflegt werden sie in der Mehrheit von ihren Angehörigen. Man könnte dies auch als größten und kostengünstigsten Pflegedienst der Nation bezeichnen. Ende 2019 wies die Pflegestatistik für den Rhein-Neckar-Kreis mehr als 26 500 Personen aus, die Pflegeleistungen erhielten. Reine Geldleistungen bekamen davon mehr als 15 500 Personen, die zu Hause von Angehörigen versorgt wurden. Rund 5500 Männern und Frauen wurde durch einen Pflegedienst Hilfe gewährt. Circa 4500 Menschen nahmen die Leistungen in einem Pflegeheim in Anspruch. In welchen Fällen und in welchem Umfang können die Berater und Beraterinnen eines Pflegestützpunktes helfen? Manchmal genügt schon eine einfache Auskunft, in den überwiegenden Fällen aber ist eine ausführlichere Beratung erforderlich. Manche Fragen kehren immer wieder. Dazu gehören: Was ist ein Pflegegrad? Wie teuer ist ein Pflegebett? Wer bezahlt den Umbau für ein behindertengerechtes Wohnen? Welches Pflegeheim oder welcher ambulante Pflegedienst ist verlässlich und gut? Wo bekomme ich einen Rollstuhl her? Und was ist unter einer Tagesbetreuung zu verstehen? Bei entsprechendem Bedarf werden dann die notwendigen Hilfen organisiert und Hilfenetzwerke koordiniert, erklärt Graser. Die Mitarbeiter beraten unter Wahrung des Datenschutzes, unabhängig, kostenfrei und umfassend.
Die Finanzierung der Pflegestützpunkte von derzeit jährlich rund einer Million Euro einschließlich der anfallenden Sach- und Weiterbildungskosten der Mitarbeiter erfolgt jeweils zu einem Drittel durch den Kreis, die Kranken- sowie die Pflegekassen. Auf eine individuelle und kostenlose Pflegeberatung hat nach Paragraf 7a des Sozialgesetzbuches XI jeder Pflegebedürftige in Deutschland Anspruch. Bundesweit gibt es derzeit 450 Pflegestützpunkte.