Heidelberg/Ahrtal: "Die Dankbarkeit war unbeschreiblich"
Von Maria Stumpf
Heidelberg/Ahrtal. Dunkle Wolken über dem Ahrtal. Wassermassen verwandelten in der Nacht kleine Bäche in reißende Ströme, zerstörten Häuser und Brücken, rissen Löcher in Straßen und unterspülten Bahngleise. Lange Kolonnen der blauen Einsatzfahrzeuge bahnen sich in diesen Tagen ihren Weg in die Überschwemmungsgebiete von der Einsatzzentrale des Katastrophenschutzes aus der Zeltstadt auf dem Nürburgring. "Wie ein gewaltiges Blitzlichtgewitter sah das aus", beschreibt Mirjam Köhnke ihre Erinnerung an diese Fahrten. Die 39-Jährige ist ehrenamtliche Helferin beim Heidelberger Technischen Hilfswerk (THW). Das Flutkatastrophengebiet war für Tage ihr Einsatzort. Nun ist sie mit fünf Kollegen – erst einmal – wieder zurück.
Seit dem 15. Juli ist das THW aus allen Landesverbänden in Gebieten, die von dem Starkregen betroffen sind. "Nach unserer Alarmierung hatten wir innerhalb von zwei Stunden die ersten acht Mann, die sich für einen Einsatz meldeten", sagt Heidelbergs Ortsbeauftragter Peter Schollmeier. Mit dabei: Material, Technik, Spezialistinnen und Spezialisten für Bergung, Strom- und Trinkwasserversorgung und Logistik. Eingerichtet sind sie auf eine mindestens dreitägige Einsatzdauer. Möglich macht das die Absprache mit den Arbeitgebern – und auch die Familien müssen das Engagement unterstützen, sonst funktioniert es nicht.
Insgesamt hätten die Heidelberger bislang rund 9500 Einsatzstunden geleistet, vom Standort in Wieblingen habe man verwaltungstechnisch den Helfern an der Ahr zugearbeitet, so Schollmeier. Wie sieht es da aus? Mirjam Köhnke, Stefan Hetzel, Steffen Adler, Christian Steinmann, Christian Weidner und Alexander Böing bildeten das zweite Heidelberger Team. "Am Anfang war das nur pumpen, pumpen, pumpen", erklärt Gruppenführer Steffen Adler die Arbeit.
Dann ging es darum, wichtige Teile der Infrastruktur wiederherzustellen und beim Wiederaufbau zu helfen. "Wir sind mit unserem schweren Gerät für die großen Sachen zuständig." Bevölkerungsschutz und Gefahrenabwehr sind die Oberbegriffe für die Aufgaben des THW, in der Praxis heißt das Heiztanks wegschaffen, helles Licht an dunkle Orte bringen, Schlamm aus Kanälen schaufeln, einsturzgefährdete Gebäude einreißen, Straßen freiräumen, Brücken bauen.
"Man kennt ja diese krassen Bilder von Katastrophen in fernen Ländern aus dem Fernsehen. Aber glauben Sie mir, plötzlich war das eins zu eins direkt vor unserer Tür. Das ist schon anders", erzählt der 32-jährige Adler. Mirjam Köhnke stimmt zu. "Was wir bislang hauptsächlich nur übten, war plötzlich erschreckende Realität. Und unwillkürlich denkt man an das eigene Zuhause, was da so alles passieren könnte." Die THWler bringen für Menschen, die stundenlang auf einem Dach ausharrten, die rettenden Leitern, sie retten deren letztes Hab und Gut aus den Fluten. "Als Uniformträger ist man automatisch erster Ansprechpartner für die Anwohner", wissen sie. "Aber die Enttäuschung war dann groß, wenn wir auch Prioritäten setzen mussten bei den Hilfeleistungen. Wir hatten unsere Einsatzbefehle." Einmal hätten sie ein beschädigtes Haus abreißen müssen, um wichtige Zufahrten zu sichern. "Es bestand Gefahr im Verzug. Der Hausbesitzer war entsetzt. Das Problem der Abwägung begleitet uns oft", erklärt Adler diese inneren Zwiespälte der Helfer. Er zeigt ein Foto von seinem "persönlichen Highlight". Morgens sei er an einem verschlammten Grundstück vorbeigekommen. "Abends war da ein Blumenbeet bepflanzt. Einfach so, mitten im Chaos." Das war, so sagt er, ein wunderbares Zeichen der Hoffnung in diesen grauen Tagen.
Da nickt Stefan Hetzel. Der 51-Jährige war als Helfer mehrere Wochen im Ahrtal. Er arbeitet im Leitungsteam und bringt viele Erfahrungen mit aus Einsätzen in früheren Hochwassergebieten. "Ich war auch in Dresden und es war dort schlimm. Aber hier ist es schlimmer", sagt er. Was treibt diese Frauen und Männer, ihre Freizeit zu opfern, um anderen Menschen zu helfen? "Wir haben das Material und wir können es", sagen sie. Die Dankbarkeit der Menschen vor Ort sei "unbeschreiblich".