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Landkreis Heilbronn: Blut wird in den Kliniken immer knapper

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		Landkreis Heilbronn:  Blut wird in den Kliniken immer knapper

Von Armin Guzy

Heilbronn. Sein schlechtes Gewissen hat Sven Grath- wohl ins "Gesundbrunnen"-Klinikum geführt, und nun hat er ein wenig die Orientierung verloren im Labyrinth aus Gängen und Abteilungen. Ein Mitarbeiter bemerkt den schildersuchenden Blick, fragt nach dem Ziel und kann helfen. "Den Gang vor, dann die Türe rechts." Grath- wohl dankt, und der Klinikmitarbeiter freut sich. Er kennt ja jetzt das Ziel, und es wäre höchst bedauerlich, wenn der 32-Jährige diese ganz spezielle Abteilung nicht finden und mit derselben Menge Blut im Körper wieder gehen würde, mit der er gekommen ist. Grathwohl ist auf dem Weg zur Blutbank. Als Erstspender. Eigentlich fehlt jetzt der Rote Teppich.

Im Vorfeld einer Corona-Impfung wurde bei ihm eine seltene Blutgruppe festgestellt, um die er sich bis dahin nie Gedanken gemacht hat, wie er sagt. Danach aber schon. "Was wäre, wenn ich selbst Blut bräuchte?" Deshalb sein schlechte Gewissen, von dem der 32-Jährige berichtet. Und jetzt ist er hier, um seine besondere Körperflüssigkeit mit anderen zu teilen. "Eigentlich", sagt Grath-wohl, bevor er weitergeht, "eigentlich hört man darüber viel zu wenig."

Ein Stockwerk tiefer hören Nicole Mauch und Dr. Astrid Stäps täglich viel zu viel über "die wichtigste Nebensache im Krankenhaus", wie Stäps sagt, nämlich immer mehr Klagen. 8000 Blutkonserven versuchen Mauch, Leiterin der "Herstellung" – auch wenn dieser Begriff beim nicht herstellbaren Blut etwas irreführend ist und sich auf Weiterverarbeitung der Konserven bezieht – und Stäps als Ärztliche Leiterin der Blutbank ständig auf Vorrat zu haben. Bis zu 2000 davon werden im Verbund der Stadt- und Landkreiskliniken (SLK) täglich gebraucht. Derzeit aber verwalten die beiden eher den Mangel in einem reduzierten Depot. "Wir sind am Limit", sagt Stäps.

Vor und während der Ferien sei es zwar üblich, dass die Zahl der Blutspender und damit auch die Zahl der maximal sechs Wochen haltbaren Konserven zurückgeht, aber Corona habe die Situation noch komplizierter gemacht. Viele Spender hatten Angst, in die Klinik zu kommen, scheuten vielleicht auch das Zugangsprozedere. "Da sind kostbare Wochen vergangen", blickt Stäps zurück. Zwar wurden etliche planbare Operationen in dieser Zeit verschoben, aber akute Fälle und auch viele Covid-Patienten benötigten dennoch Transfusionen.

Inzwischen hat die Zahl der Operationen wieder ein Niveau erreicht, das nur mit mehr Blutspenden gehalten werden kann als derzeit gegeben werden. Wie alle großen Kliniken ist zwar auch der SLK-Verbund an den nationalen Blutkonserven-Austausch angeschlossen, aber wer selbst nichts hat, kann auch nichts abgeben: Diese Quelle sei mittlerweile fast versiegt, berichtet Mauch.

Für die meisten Operationen gibt es Standards, anhand derer sich der mögliche Bedarf an Blutkonserven abschätzen lässt. Viel Blut wird beispielsweise für die Behandlung von Tumor-Patienten benötigt, deutlich mehr übrigens, als für Unfallopfer. Ist absehbar, dass der Vorrat nicht ausreicht, wird eine planbare Operation fast immer verschoben. Angesichts des derzeitigen Mangels sei die Abstimmung zwischen Blutbank und OP-Team seit Wochen intensiver als üblich, sagt Stäps: "Wir können die Kollegen ja nicht in ’was reinrennen lassen."

Bei Notfällen hilft das indes wenig: Wenn beispielsweise bei einer Geburt Komplikationen auftreten, dann werden schon mal 15 bis 20 Einheiten Blut gebraucht. Was natürlich voraussetzt, dass die Konserven der erforderlichen Blutgruppe auch in ausreichender Menge im Depot liegen und damit schnell verfügbar sind. "Wir können’s schließlich nicht verdünnen", verdeutlicht Mauch die Misere. Seit Wochen schon ruft das Blutbank-Team daher regelmäßig treue Spender direkt an und bittet um ihr Kommen.

Eine von ihnen ist Bernadette Zeitz. Sie sei gekommen, um Menschen zu helfen, sagt die Ödheimerin, während sie mit der Kanüle in der Vene routiniert einen passenderweise roten Ball knetet, damit das Blut schneller fließt; ihr halber Liter wird einen Tag später aufbereitet in einem der vielen Kühlschränke liegen, bereit für den Einsatz.

Anders als Grathwohl ist Zeitz nicht zum ersten Mal hier. Bei ihrem kurzen Plausch mit Mauch wird auch deutlich, dass das zutrifft, was die beiden Medizinerinnen zuvor so sehr hervorgehoben haben: Es geht tatsächlich nicht anonym zu in der Blutbank, sondern oft recht familiär: "Einige Spender nennen uns beim Vornamen", sagt Mauch und lacht. Umgekehrt scheint es auch so, man kommt schließlich aus derselben Region. Das verbindet.

Der Statistik des DRK zufolge hat fast die Hälfte der über 18-Jährigen in Deutschland schon einmal Blut gespendet. Allerdings bleibt es oft beim ersten Mal: Der Anteil der regelmäßigen Spender liegt bei unter fünf Prozent. Aktuell ist das viel zu wenig, um den Bedarf dauerhaft sicherzustellen, zumal durch die wieder einsetzenden Urlaubsreisen auch einige eigentlich Spendewillige fehlen – weil sie in Quarantäne müssen oder in einem Land waren, für das es eine Spenden-Sperrfrist gibt. Diese kann bei vier Wochen, aber auch bei bis zu sechs Monaten liegen.

Mauch erinnert sich gerne an die Zeit zurück, als montags und mittwochs noch viele Menschen regelmäßig vor der Blutbank Schlange standen. Dass heute deutlich weniger regelmäßig kommen, sei keine böse Absicht, ist sich Stäps sicher: "Die meisten Leute haben Blutspenden einfach nicht mehr auf dem Schirm." Umso wichtiger sind junge Erstspender wie Grath- wohl. Er wird am Ende wohl die richtige Tür gefunden und später die Klinik mit 500 Gramm weniger Gewicht verlassen haben – und vielleicht auch mit einem leichteren Gewissen.

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