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Heidelberg: Kretschmann-Äußerung zu Studierenden sorgt für Wirbel (Update)

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		Heidelberg:  Kretschmann-Äußerung zu Studierenden sorgt für Wirbel (Update)

Heidelberg. (hob) Für Wirbel sorgt derzeit eine Videokonferenz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Heidelberger Landtagsabgeordneten Theresia Bauer mit fünf Studierenden (siehe unten). In dem einstündigen Gespräch hatten die Nachwuchsakademiker berichtet, wie es ihnen während der Corona-Pandemie ergeht, weitgehend ohne soziale Kontakte, mit geschlossenen Bibliotheken, ausgefallenen Praktika und Zukunftsängsten. Kretschmann leistete Abbitte, man habe die Studenten zu wenig auf dem Schirm gehabt. Seine Äußerung, dass es für Studierende keinen Grund gebe, depressiv zu werden, wenn sie ihre Situation mit anderen Menschen vergleichen, löste aber einen wahren Proteststurm aus.

Studierende aus dem ganzen Land kritisierten die Aussage, die Depressionen verharmlose, scharf. Noch weiter ging die Opposition. FDP-Landtagskandidat Benjamin Brandstetter sprach von einem "Schlag ins Gesicht für Studierende". Er sei sprachlos über so viel Empathielosigkeit. Zehntausende Studierende hätten infolge von Corona ihren Nebenjob verloren, mussten wieder daheim einziehen, fühlten sich vereinsamt und isoliert. Zehn Prozent sagten mittlerweile, dass sie psychisch belastet seien. Kretschmann und Bauer sollten sich schleunigst für diese Entgleisung entschuldigen.

"Das Problem ist, dass solche Sätze oft aus dem Kontext gerissen werden", entgegnete Theresia Bauer auf RNZ-Anfrage. Die Äußerung sei bei einer intimen Gesprächsrunde entstanden, bei der der Ministerpräsident aufmerksam den Studierenden zugehört habe. "Er hat damit nicht die Krankheit Depression gemeint, sondern sprach von einem Gemütszustand", sagt Bauer: "Wir lassen doch die Studierenden mit dem Thema mentale Gesundheit nicht allein." Vielmehr sei der Satz als Aufmunterung, als Trost gedacht gewesen, den Kopf nicht hängen zu lassen. Im Übrigen habe Kretschmann noch während des Gespräches betont, dass er etwas dazu gelernt habe. Die Öffnung der Bibliotheken, die Möglichkeit für Erstsemester, Präsenzveranstaltungen zu besuchen – diese Lockerungen in der Corona-Verordnung seien darauf zurückzuführen.

"Es war eine Gesprächssituation, als würde man junge Menschen im Wohnzimmer treffen", so Bauer. Und von den beteiligten Studierenden sei das umstrittene Zitat auch nicht als Kaltschnäuzigkeit aufgenommen worden. Das Video von der Gesprächsrunde sei leider schon gelöscht worden.

Update: Montag, 8. März 2021, 19.20 Uhr


Trost vom Landesvater für Corona-geplagte Studierende

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Eine Stunde nahm sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann Zeit. 60 Minuten, um in einer Videokonferenz mit der Landtagsabgeordneten und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) fünf Heidelberger Studierenden zuzuhören, wie es ihnen in der Corona-Krise geht. Und welche Lehren sie persönlich daraus ziehen. Am Ende gab es Trost vom Landesvater: "Später werden Sie mit Interesse auf diese Zeit zurückblicken. Sie haben nämlich was erlebt." Kretschmann gab den zwei jungen Frauen und drei Männern auch noch einen Rat mit: "Vergleichen Sie Ihre Situation mit der anderer Menschen. Dann werden Sie sehen, dass es keinen Grund dafür gibt, depressiv zu werden."

"Mein Gefühl, das mitschwingt, ist, dass wir Studierenden nicht beachtet und nicht gehört werden", schilderte zuvor Physikstudent Florian Meienburg seine Eindrücke. Die Regelungen zu den Kontaktbeschränkungen gingen zum Beispiel völlig an der Lebenswirklichkeit vieler junger Menschen vorbei. Die "Haushaltsregel" sei zum Beispiel auf Wohngemeinschaften nicht anwendbar. Aber auch die Beschränkung der Freizeitmöglichkeiten seien ein schwerwiegender Eingriff für eine Generation, die versuche, über soziale Kontakte zu sich selbst zu finden.

Viele Studierende mit beengten Wohnverhältnissen hätten Probleme mit der digitalen Lehre, schilderte Xenia Quaas die Situation ihrer Kommilitonen. Sie selbst studiert im dritten Semester Molekulare Biotechnologie und suchte sich extra wegen der Pandemie ein größeres Zimmer. Auf einmal gehe es nicht mehr darum, einen günstigen Schlafplatz zu haben, sondern einen Multifunktionsraum, in dem man sich den ganzen Tag aufhalten könne.

Quaas’ Kommilitone Kasimir Noack, der in der Fachschaft auch Erstsemester betreut, berichtete von der Schwierigkeit, die neuen Studierenden in die Uni zu integrieren. Ein anderes Thema, das ihn sehr beschäftigt, ist, dass die Laborpraktika unter den strengen Regeln der Kontaktbeschränkungen und Mindestabständen praktisch kaum durchführbar seien. "Diese Praktika sind für uns die Essenz der theoretischen Lehre."

Stefanos Christou steht kurz vor seinem ersten juristischen Staatsexamen. Und wie viele seiner Leidensgenossen vermisst er vor allem eines schmerzlich: die Bibliothek. "Vor dem Lockdown hatte man eine Tagesstruktur, indem man zum Beispiel vormittags drei oder vier Stunden in die Bib ging", so Christou. Und gerade der Kontakt zu all den anderen, die sich gerade in der gleichen Situation befinden, fehle doch sehr. "Der ganze soziale Aspekt geht verloren. Man sitzt nur noch in seinem Kämmerchen und ist gefrustet." Dabei gebe es doch so gute Hygienekonzepte für die Bibliotheken. Man sollte sie bald wieder öffnen.

Medizinstudentin Julia Gellert zog es während des Lockdowns vor, von ihrem Heimatort aus zu studieren, und arbeitete nebenher für die Telefonhotline des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Sie war froh, dass sie kaum Kontakte hatte, da sie ihren zur Risikogruppe gehörenden Vater nicht gefährden wollte. Doch auch sie litt unter dem Fernstudium.

"Ich muss sagen, dass ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe", sagte Kretschmann, nachdem er all diese Geschichten gehört hatte: "Ihre Altersgruppe hatten wir in der Tat wenig im Blick." Es sei aber auch klar, dass man sich in der Krise am meisten mit denjenigen beschäftige, die am schwersten gebeutelt seien, in diesem Fall seien es die Alten und die Kinder. Bei den 20- bis 40-Jährigen gebe es selten schwere Krankheitsverläufe, aber sie seien die mobilste Gruppe, die das Virus verbreiteten. Die Klagen der Studierenden über die Kontaktbeschränkungen zeigten daher auch, dass die Strategie der Pandemiebekämpfung funktioniere. "Das ist eine paradoxe Situation. Unser oberstes Ziel in der Politik ist es aber, erst einmal das Leben zu schützen."

Das Gespräch sei ihm aber auch eine Lehre, dass man nicht nur die Hauptgruppen einer Krise im Blick behalten müsse, versprach der Ministerpräsident. Er und Theresia Bauer stellten in Aussicht, den Kontakt mit der Stabsstelle Bürgerbeteiligung im Staatsministerium herzustellen. Denn auch Noack hatte zuvor betont, dass sich doch gerade die Studierenden gerne bei der Bekämpfung der Krise einbringen würden. Sei es über digitale Nachhilfe für Schüler oder bei der Unterstützung von Callcentern.

Bauer versprach: "Wenn man jetzt an die Öffnung von Museen denkt, könnte man auch die Bibliotheken wieder vorsichtig öffnen." Zumindest in kleinen Gruppen müssten soziale Begegnungen wieder möglich sein. Die Erst-, die Zweit- und bereits die Drittsemester hätten bisher kaum Gelegenheit gehabt, jemand anderen an ihrer Hochschule kennenzulernen. Kretschmann schaut indessen optimistisch in die Zukunft: "Irgendwann wird sich das alles wieder einpendeln. Und wer weiß, vielleicht verfallen Sie ja danach in einen wahren Geselligkeitsrausch."

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