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Heidelberg: Eine neue Chance für Vladimir

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		Heidelberg:  Eine neue Chance für Vladimir

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Katharina Salomon wirkt am Telefon handfest und energisch. Sie ist Ergotherapeutin. Da kann das nicht schaden. Und sie hat jetzt etwas ins Rollen gebracht, in das sie ganz viel ihrer Energie investiert hat: Die 30-jährige Mitarbeiterin der Orthopädischen Universitätsklinik in Schlierbach will, dass Vladimir B. ein rollstuhlgerechtes Auto bekommt. Und hat dafür mit Hilfe der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland ein Spendenkonto eingerichtet.

Der 57-jährige Slowake hatte im Jahr 2018 auf der Sinsheimer Autobahn bei der Raststätte Kraichgau-Nord einen schweren Unfall. Sein Kleintransporter fuhr auf einen im Stau stehenden Sattelschlepper auf, das Führerhaus des Transporters war völlig eingedrückt. Im Mannheimer Krankenhaus wurden schwerste Verletzungen diagnostiziert: eine durchbohrte Lunge, Frakturen, eine mehrfach zertrümmerte Wirbelsäule und Verbrennungen. Ob der Patient überleben würde, war lange nicht klar. Er blieb unterhalb des vierten Brustwirbels gelähmt.

Bis Juli 2019 versuchten die Experten im Schlierbacher Fachzentrum für Querschnittlähmung, Vladimir B. für ein Leben im Rollstuhl fit zu machen. Katharina Salomon war seine Ergotherapeutin. Dann fand die slowakische Krankenkasse den Aufenthalt in Deutschland zu teuer und holte den Patienten zurück. Schon der zehnstündige Transport im Auto statt im Flugzeug war eine Tortur für die Haut des Gelähmten, mit Druckstellen kam er im Kreiskrankenhaus an. "Wenn er sagte, in Schlierbach sei er alle zwei Stunden gedreht worden, sagte man ihm: Wir sind hier nicht in Deutschland", erzählt Katharina Salomon. Schnell wurde der Patient auch nach Hause entlassen, wo seine Ehefrau ihre Arbeit und damit auch ihr Einkommen aufgab und zur Pflegerin wurde.

Die Ergotherapeutin in Schlierbach vergaß Vladimir B. nicht. "Er ist ein sehr besonderer Mensch, ein unermüdlicher Kämpfer", sagt sie. "Ich fand es krass, mit welcher Würde er sein Schicksal getragen hat, wie er komplett die Ruhe bewahrte und für alle ein freundliches Lächeln hatte." Als Salomon im September 2019 zum Urlaub in die Slowakei aufbrach, besuchte sie ihn in Bošani. "Ich wollte mit ihm noch ein bisschen ein Reha-Programm machen und ihm therapeutischen Input geben", hatte sie sich vorgenommen. "Das Konzept der lebenslangen Nachsorge, das wir im Querschnittzentrum in Heidelberg verfolgen, ist für mich nicht nur eine theoretische Philosophie." Was sie vorfand, war "schlimmer als schlimm", wie sie es nennt.

Mit seiner Lähmung könnten sich Patienten in Deutschland selbstständig in einen Rollstuhl setzen und ein relativ normales Leben führen, sagt Katharina Salomon. Bei Vladimir B. fand sie Druckstellen an den Sitzbeinknochen vor, "tiefe, eitrige Wunden. Ich bin völlig geschockt zurückgekommen".

Sie schickte ihm die in Deutschland gültigen Behandlungsleitlinien, die er den slowakischen Medizinern zeigen sollte, schließlich wurden seine Wunden an der Uniklinik Bratislava auch ausgeräumt und genäht. "Sie haben die Nähte aber direkt über den Sitzbeinen gesetzt", schüttelt die Ergotherapeutin den Kopf, "das ist für Rollstuhlfahrer, wie wenn man Fußgänger direkt auf den Fußsohlen näht." Die mögliche Sitzzeit des Patienten ist also begrenzt, seine Haut nicht belastbar.

In Schlierbach beugten sich die Ärzte und Kollegen aus der Pflege entsetzt über die Bilder von den Wunden. Mit ihrer Hilfe konnte sie den Slowaken mit Matratze, Sitzkissen und kleinen Hilfsmitteln versorgen. Doch nach einem Jahr im Liegen fehlten Vladimir B. die kräftigen Armmuskeln, mit denen man sich aus dem Bett heben kann. Salomon: "Da braucht man einen Physiotherapeuten, das schafft man nicht allein." Physiotherapeuten auf Hausbesuch – das gibt es in der Slowakei aber nicht. Und ein Auto, um zum Therapeuten zu fahren, hat Vladimir B. nicht. Im September 2020 war Katharina Salomon wieder in der Slowakei, zu Corona-gerechten Wanderungen mit der Freundin ("Die Tatra kann ich empfehlen!"). Ihr Besuch war der einzige Kontakt, den der 57-Jährige nach draußen hatte. Und wieder stellte sie akute Lebensgefahr fest, der Urin des Gelähmten floss über den Katheter nicht ab.

Wie sich die beiden unterhalten? "Mit Facebook Messenger und Google Translater", sagt die Ergotherapeutin. Inzwischen lernt sie auch Slowakisch. "Die Sprache ist hübsch, und die Gelegenheit ist gut, eine neue Sprache zu lernen." Und sie erzählt amüsiert, dass sie ein Buch über die Slowaken gelesen hat: "Sie sind es gewohnt, mit Missständen umzugehen und den unangenehmen Dingen gegenüber Gelassenheit zu entwickeln. Sie haben einen charmanten Humor."

Katharina Salomon kämpft weiter für Vladimir B.. Jetzt organisiert sie gerade ein elektrisches Zuggerät für den Rollstuhl. Nur ein rollstuhlgerecht umgebauter Kastenwagen, den er so dringend bräuchte, ist finanziell nicht drin. Deshalb hofft sie auf Spenden in Höhe von 10.000 bis 12.000 Euro. Die Unterstützung von Prof. Norbert Weidner, dem Ärztlichen Direktor des Querschnittzentrums, und ihrer Kollegen hat sie – und jetzt auch ein Spendenkonto.

Info: Spendenkonto der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. (FGQ), IBAN: DE21.6729.1700.0028 2344 06, BIC: GENODE61NGD, Verwendungszweck: Hilfe für Vladimir.

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