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Messerattacke bei HEM-Tankstelle: 40-jähriger Weinheimer stach im Verfolgungswahn 30 Mal zu

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		Messerattacke bei HEM-Tankstelle:  40-jähriger Weinheimer stach im Verfolgungswahn 30 Mal zu

Von Alexander Albrecht

Mannheim/Weinheim. Es muss sich wahnsinnig viel Wut und Hass in ihm aufgestaut haben. Oder treibt ihn die nackte Angst um sich und seine Familie, als er am Abend des 27. Mai 2019 in der Weinheimer Nordstadt auf einen Mann zustürmt? In Badelatschen hockt das Opfer friedlich auf einem Stuhl vor einem Mehrfamilienhaus in der Bergstraße. Der heute 58-Jährige ist gerade erst in die Kellerwohnung gezogen und genießt das Frühlingswetter. Dann setzt Fatih B. mit der sieben Zentimeter langen Klinge eines Klappmessers den ersten Stich.

"Ich werde es dir zeigen": Mit diesen Worten eröffnet der arbeitslose Hilfsarbeiter die Attacke. Es kommt zu einer Rangelei. Das Opfer hält die Hände schützend vor den Körper, geht rückwärts, Meter für Meter, bis zu einer Tankstelle in der Nähe. Dort ist die Flucht vor dem aufrückenden Angreifer zu Ende. Staatsanwalt Frank Stork spricht von insgesamt 30 Stichen, die Fatih B. seinem ebenfalls türkischstämmigen Gegenüber versetzt. Der körperlich deutlich unterlegene Rentner geht zu Boden. Und wird von dem Täter mit Tritten traktiert, auch gegen den Kopf.

Fatih B. lässt selbst dann nicht von dem Opfer ab, als sich Autofahrer an der Tankstelle bemerkbar machen. Stoppen können ihn erst die eintreffenden Polizisten. Mit Pfefferspray und einem Tritt gelingt es ihnen, den Mann unter Kontrolle zu bringen. Der Weinheimer, ein bulliger Typ von 40 Jahren, muss sich seit gestrigem Mittwoch vor dem Landgericht Mannheim verantworten. Stork hält den Angeklagten für nicht schuldfähig. Er leide unter paranoider Schizophrenie und habe sich am Tatabend verfolgt gefühlt.

Fatih B. ist im Psychiatrischen Zentrum in Wiesloch untergebracht. Das Urteil des Schwurgerichts unter dem Vorsitz von Gerd Rackwitz dürfte höchstwahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass der Angeklagte dauerhaft in die Spezialklinik eingewiesen wird. Fatih B. macht zum Prozessauftakt ausführliche Angaben zu seiner Person und "zur Sache". Seine Biografie ist zunächst die eines klassischen Zuwanderers. Geboren und aufgewachsen in der Türkei, Mittlere Reife, dem Vater in der Landwirtschaft geholfen, zum Militär gegangen und bis 2004 als Maschinenschlosser in Istanbul gearbeitet. Es folgen ein zweijähriger Aufenthalt in Katar, wo er gutes Geld verdient, und das eigene "Granit-Geschäft" in der Türkei.

Auch das läuft nicht schlecht, bis erst die Kundenfirmen und dann der Betrieb pleite gehen. 2011 habe er seine spätere Frau kennengelernt und sei nach Wald-Michelbach im hessischen Odenwald gezogen. "Die Ehe haben Vermittler arrangiert", sagt der Angeklagte. Drei Kinder werden geboren. Als Fatih B. seine Arbeit in einer Mörlenbacher Wäscherei verliert, geht es bergab. Das Paar trennt sich, auch weil der Mann immer häufiger dem Alkohol zuspricht. Manchmal seien es 17, 18 Flaschen Bier gewesen, dazu Wodka, gibt er an. Die angespannte finanzielle Situation tut ihr Übriges.

Irgendwann an seinem neuen Wohnort in Weinheim beginnen die Wahnvorstellungen und er hört Stimmen. Fatih B. bildet sich ein, dass das spätere Opfer, das gegenüber wohnt, Mitglied einer Gruppe ist, die zunächst einen Nachbar verschleppt hat, nun auch ihn entführen will und seine Familie bedroht. So ist, stark verkürzt, B.s Version. Tatsächlich kann er sich auch daran erinnern, wie er mit dem Messer vor dem Haus "herumgefuchtelt" hat. Die Geschehnisse an der Tankstelle können sowohl er als auch der Angegriffene nicht mehr rekapitulieren.

"Es geht mir nicht gut", sagt das abgemagerte Opfer aus. Er könne seine rechte Hand nicht mehr zur Faust ballen und habe einige Narben am Bauch. Während seines fünfmonatigen Krankenhausaufenthalts habe er einen Herzinfarkt erlitten. Und die Depression, die ihn schon vor der Tat plagte, sei "noch schlimmer" geworden. Der Prozess wird am 11. Dezember, 9 Uhr, fortgesetzt.

Update: Mittwoch, 2. Dezember 2020, 20.53 Uhr


Prozess um Messerattacke bei HEM-Tankstelle beginnt am Mittwoch

Von Philipp Weber

Weinheim/Mannheim. Wäre er nicht umgehend in eine Klinik gekommen, hätte der damals 57 Jahre alte Betroffene womöglich nicht überlebt. Der 57-Jährige war an einem Mittwochabend Ende Mai von einem 40 Jahre alten Nachbarn mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden: Die Tat ereignete sich am 27. Mai in der Weinheimer Nordstadt und endete mit der Festnahme des 40-Jährigen auf dem Gelände der dortigen HEM-Tankstelle. Nun wird das Geschehen in einem Prozess vor dem Landgericht in Mannheim (Strafkammer 1, Schwurgericht) aufgearbeitet. Nach Angaben des Pressereferenten, Richter Joachim Bock, ist der Prozessauftakt für den kommenden Mittwoch, 2. Dezember, 11 Uhr, angesetzt.

Während in den Polizeimeldungen von Ende Mai noch von einem Streit die Rede war, liest sich die Sache in der Mitteilung anders: Das Gericht beruft sich auf bisherige Ermittlungsergebnisse, laut denen der Beschuldigte an einer paranoiden Schizophrenie leiden und den Betroffenen ohne logisch nachvollziehbare Gründe verletzt haben soll. Der damalige Angreifer sei derzeit "vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht", heißt es. In dem Prozess soll bis zum 23. Dezember geklärt werden, ob er weiter in der Einrichtung bleibt.

Was den Tathergang betrifft, hat sich an den Schilderungen wenig geändert: Der damals 40-Jährige soll den Betroffenen, der von Mittwoch an als Nebenkläger auftritt, zunächst vor einem Anwesen "unvermittelt und ohne ersichtlichen Anlass" mit einem Klappmesser attackiert haben. Der damals 57-Jährige bekam einen Stich ab, versuchte aber noch zu fliehen. Doch der Angreifer ließ nicht von ihm ab, verfolgte ihn und holte ihn schließlich an der Tankstelle am Ortsausgang ein. Hier soll der damals 40-Jährige weiter auf den Betroffenen eingestochen haben. Der Beschuldigte soll auch noch zugestochen haben, nachdem der 57-Jährige zu Boden gegangen war. Ehe die Polizei eintraf, soll der Beschuldigte dem jetzigen Nebenkläger auch noch ins Gesicht und gegen den Kopf getreten haben. Man muss wohl von Glück reden, dass der Angreifer keine Schuhe anhatte. Polizeibeamte beendeten das Grauen, sie nahmen den 40-Jährigen noch auf dem Tankstellengelände fest.

Wie ernst es um den 57-Jährigen stand, zeigt schon die Tatsache, dass ihn die Staatsanwaltschaft Mannheim noch nach Ablauf der ersten Juniwoche als nicht vernehmungsfähig einstufte. Die Behörde teilte damals außerdem mit, dass Täter und Betroffener "in zwei benachbarten, aneinander stehenden Häusern mit getrennten Eingängen" gelebt hatten.

Inzwischen gehen die Ermittler davon aus, dass der Beschuldigte den heutigen Nebenkläger "aufgrund seiner Erkrankung" als Teil einer Gruppierung ansah, die ihn und seine Familienangehörigen verfolgen und entführen wollte. Das geht aus der Mitteilung des Gerichts hervor.

Pressereferent Bock erklärte auf RNZ-Anfrage, dass das Verfahren trotz der Corona-Pandemie beginnen wird. Für entsprechende Sicherheitsmaßnahmen sei gesorgt. Interessenten können die öffentliche Verhandlung verfolgen, müssen sich aber an der Pforte anmelden. Bislang sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Damit das Verfahren pünktlich enden kann, müssen die Beteiligten gesund bleiben – ganz besonders der Angeklagte und die Richter. Wenn das der Fall ist, kann die Entscheidung noch dieses Jahr fallen.

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