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Baden-Württemberg: Pandemie und Parteigezänk - Landtag streitet um Krisen-Kurs

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		Baden-Württemberg:  Pandemie und Parteigezänk - Landtag streitet um Krisen-Kurs

Stuttgart. (dpa/lsw) Wäre nicht Corona, es wäre eigentlich alles wie immer im Landtag. Die Regierung verteidigt ihren Kurs, die Opposition findet diesen ganz schlimm. Applaus, Zwischenrufe, höhnisches Gelächter. Einzelne Störenfriede, zu deren Wortbeiträgen selbst mancher Ordner am Rand den Kopf schüttelt. Der Landtag debattierte am Donnerstag in einer Sondersitzung den weiteren Kampf gegen die Pandemie - mal wieder. Die Abgeordneten beschwören dabei, dass der Krisen-Kurs nichts mit Parteipolitik zu tun haben darf, dass Gesundheit und Menschenleben zu wichtig seien für Profilierungsspielchen und Parteiengezänk. Aber die parlamentarischen Reflexe gelten eben auch in historischen Krisen.

Seit Monaten regiert die grün-schwarze Exekutive das Land per Verordnung. Das Parlament will mitreden. Deshalb kommen die Abgeordneten nun in regelmäßigen Abständen zu Sondersitzungen zusammen, um die Beschlüsse zu debattieren - und zu legitimieren.

Am Donnerstagmorgen um 10.00 Uhr schreitet der Ministerpräsident ans Pult. Lange musste er verhandeln am Vorabend, die Schalte mit den Länderchefs und der Kanzlerin dauerte viele mühsame Stunden. Eigentlich wollte Winfried Kretschmann noch am Abend vor die Kameras treten, aber das Pressestatement wurde wegen der Verzögerungen abgesagt. Nun präsentiert er im Landtag, was Bund und Länder beschlossen haben: Private Treffen werden noch strenger begrenzt, über Weihnachten sollen die Beschränkungen aber gelockert werden. Die Schulen bleiben offen, die Wirtshäuser bleiben zu.

Kretschmann nutzt den Auftritt im Plenum, um mal wieder fleißig zu appellieren, so wie er es seit vielen Monaten tut. Er könne verstehen, wenn die Menschen zornig und frustriert seien, keine Lust mehr hätten auf die Pandemie und ihre Regeln. "Wir müssen durchhalten auf den letzten Metern, um den Sieg nicht zu gefährden", sagt er.

Und doch ist nichts normal in diesem Plenum. Die Abgeordneten müssen mehr Abstand halten, sitzen auf der Pressetribüne, sie müssen Masken tragen, wenn sie sich durch das Gebäude bewegen. Nach jedem Redner wird das Pult desinfiziert. Bereits am Morgen säumen Polizisten das ganze Gebäude. Ein Polizeihund wird an der Leine über das Gelände geführt und schnüffelt sich über die Wiese, ein Stück weiter hinten im Park haben sich ein paar Polizeireiter postiert. Der Landtag hat die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Man fürchtet, dass Störer eindringen und die Parlamentarier bedrängen und belästigen könnten wie vor wenigen Tagen im Bundestag. Von Donnerstag an gilt ein verschärftes Bannmeilenkonzept und strengere Kontrollen am Eingang.

Seit Monaten wird nun gerungen um Inzidenzen und Impfstoffe, um offene Schulen und geschlossene Wirtshäuser, um Lockerungen und Lockdown. Auch am Donnerstag wird über den aktuellen Kurs von Bund und Ländern gestritten, ganze vier Stunden lang. Die Opposition regt sich darüber auf, dass das Parlament zwar mitreden, aber nicht mitentscheiden dürfe. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz gehe es zu wie auf dem orientalischen Basar, kritisiert FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Man halte die Sitzung erst ab, wenn die Beschlüsse bereits gefallen seien, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Stoch.

Am Ende segnen die Abgeordneten von Grün-Schwarz die Maßnahmen der Landesregierung mit einem Entschließungsantrag ab. Und so bleibt der Austausch von Argumenten. Die Regierung mache zu viel, schimpft die FDP. Fraktionschef Rülke hatte der Landesregierung zuletzt eine Jo-Jo-Politik zugeschrieben, nun steigert er sich zum Vorwurf einer Schrotflintenpolitik - damit nimmt er die pauschalen Maßnahmen gegen das Virus ins Visier. Man schieße ins Blaue und hoffe damit, irgendwie Infektionsherde zu treffen. Das erweise sich aber als Rohrkrepierer und schade etwa dem Handel.

Die Regierung mache zu wenig, schimpft die SPD. Grün-Schwarz habe die Dramatik der Lage nicht begriffen. Kretschmann führe eine Regierung des Stillstands, und Firmen wie Schulen müssten für die Bummelei büßen. Die Landesregierung laufe entweder dem Bund hinter, warte auf Gerichte oder gebe Entscheidungen nach unten ab, etwa zu der Frage, ob Kommunen Weihnachtsmärkte ausrichten sollen.

SPD und FDP sind sich einig, dass Grün-Schwarz den Sommer verschlafen habe - ohne Szenarien zu entwickeln, ohne Antigentests für vulnerable Gruppen oder FFP2-Masken zu beschaffen. Und die Opposition beklagt, dass es kein Konzept gebe, keine Strategie. Aber den einen Masterplan, den gebe es eben nicht, entgegnet CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Man müsse navigieren zwischen Freiheit und Gesundheit. "Nach wie vor bleiben wir Tastende, Lernende." Man sei auf dem richtigen Weg. "Das Wasser steht uns bis zum Hals, aber immerhin: Es steigt derzeit nicht mehr", sagte er.

Man fahre weiter auf Sicht, rechtfertigte sich auch Kretschmann. Ganz der Biologie-Lehrer, referiert aus dem virologischen Instrumentenkasten - und dreht zum Ende der Debatte richtig auf, als ein AfD-Abgeordneter ihm eine Frage stellen will. Die lässt der Regierungschef erst gar nicht zu. Eine Debatte mit der AfD mache keinen Sinn, weil sie das Virus als harmlos ansehe, ruft Kretschmann zum rechten Rand des Plenums. Wenn die Menschheit stets so auf Pandemien reagiert hätte wie die AfD, "dann hätten wir wahrscheinlich immer noch die Pest". Da erhält er auch mal Applaus aus den anderen Fraktionen.

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