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Weinheim: Den Hutplatz schützen und beleben

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		Weinheim:  Den Hutplatz schützen und beleben

Von Günther Grosch

Weinheim. Aus einer Vision des damaligen für die Altstadtsanierung und Stadterneuerung zuständigen Stadtplaners Manfred Müller-Jehle, aber auch dank der tatkräftigen Mithilfe vieler Anwohner entstand Ende der 1980er Jahre aus einem schmucklosen, asphaltierten Parkplatz eines der Kleinode der Zweiburgenstadt: der Hutplatz. Als Kerwe-Örtlichkeit ist er seitdem aus der Altstadt ebenso wenig wegzudenken wie als Bürgertreff unter den zehn hier angepflanzten Platanen sowie dem von der Volksbank Weinheim – jetzt Volksbank Kurpfalz – gestifteten Brunnen nach einem Entwurf des Ladenburger Kinetik-Künstlers Hans-Michael Kissel.

Seit einiger Zeit aber verursachen die Aktivitäten rücksichtloser Zeitgenossen Ärgern unter den Anwohnern. "Aus der Notwendigkeit heraus, den Hutplatz sauber, frei von Glasscherben und Hundekot zu halten sowie urinierenden Betrunkenen Einhalt zu gebieten", hat sich vor gut zwei Wochen aus der Mitte engagierter Nachbarn die Interessengemeinschaft (IG) "Hutplatz-Anwohner" gegründet.

"Ziel der Interessengemeinschaft ist es, den Charakter und die Funktion des einem südfranzösischen Dorfplatz nachempfundenen Areals zu bewahren und auszubauen", sagt René Neumann als einer der IG-Sprecher. Die Anwohner wollten den Platz zum "Austausch von Nachbarn und Familien", als "Ruheplatz, der zum Verweilen und Lesen einlädt" genauso wie als Spielplatz für Kleinkinder oder Boule-Gruppen und nicht zuletzt zum Fördern und Stärken der Gemeinschaft rekultivieren.

Durch generationenübergreifende Aktivitäten wolle die Interessengemeinschaft die lebendige Nachbarschaft voranbringen, so Neumann. Dies beginne bei aktiver Nachbarschaftshilfe und gehe über den Hutplatz betreffende Nachhaltigkeits- und Umweltthemen weit hinaus, "um den Platz vor weiteren Beeinträchtigungen zu schützen". Auf die Historie des Hutplatzes macht Stadtführer Franz Piva, der hier ebenfalls wohnt, aufmerksam. Bis zum Jahr 1887 hatte es in Weinheim offiziell keine Straßennamen gegeben: "Man orientierte sich nach der mittelalterlichen Stadtviertel-Einteilung, nach der es acht Viertel gab."

Die Gebäude vom Gebiet "Müll" bis zum angrenzenden Marktplatz lagen im "Mittelviertel", das wiederum der "Mittelgasse" den Namen gab. Das zwischen Mittelgasse und Hauptstraße gelegene Dreieck des heutigen Hutplatzes war seinerzeit dicht bebaut. An der Spitze des Dreiecks stand das Haus von Wilhelm Winteroll "Kolonialwaren und Mehlhandlung" mit seiner grauen Schieferfassade. "Nach Aussagen von Zeitgenossen gab es hier den besten Handkäse von Weinheim", verweist Piva auf Details. So beherbergte ein anderes Haus eine Bürsten- und Besen-Fabrikation.

In den 1950er Jahren mussten die Häuser um das heutige Areal einer Reihe von Parkplätzen weichen. Zwei Jahrzehnte später bedurfte das schmucklos gewordene Areal einer "dringenden Aufmöblierung". Schon damals habe es eine "aktive demokratische Bürgerbeteiligung" gegeben, erinnert sich Müller-Jehle. Wobei Gegensätze aufeinanderprallten: "Die einen wollten den Parkplatz erhalten, so wie er war; die anderen machten sich für eine reine Grünfläche stark."

Am Ende stand als Kompromiss die jetzige wassergebundene Multifunktionsfläche mit einer Reihe von Parkplätzen davor. Der Nachbarschaft gefiel das Ganze. Zunächst. Als im Fertigstellungsjahr 1988 die Kerwe nahte, kam aus ihren Reihen die Anregung, auch hier einen "kleinen, aber feinen" Kerwestandort einzurichten. Der nicht nur bis heute Bestand hat, sondern zugleich als erste Anlaufstelle des traditionellen Kerwemontagrundgangs der Bürgermeister aus der Region dient.

Aber woher hat der "Hutplatz" seinen Namen? Auch hierzu weiß Stadtführer Piva Interessantes beizusteuern. So wie das Weinheimer Gerberbachviertel an die ehemaligen Rot- und Weißgerber erinnert, die hier über Jahrhunderte hinweg ihre Felle herstellten und in "der" Grundel- und Gerberbach wuschen, waren am Hutplatz zahlreiche Hutmacher ansässig.

Dass der Hut seine gesellschaftliche Anerkennung erst im 12. bis 13. Jahrhundert fand, als die männlichen Handwerker begannen, ihn mit Stolz als Zunftzeichen zu tragen, sei kaum zu glauben, so Piva. Bietet der Hut doch nicht nur einen zuverlässigen Schutz gegen Kälte und Nässe, sondern ist nebenbei ein modisches Accessoire: "Nicht nur deshalb gilt der Hut als die älteste und klassischste Art der Kopfbedeckung."

Und auch noch auf ein weiteres bauliches Zeitzeugnis an dieser Stelle macht Piva aufmerksam: "Direkt am Hutplatz, in der Hauptstraße 143, steht die im Jahr 1690 errichtete und einzige, vom Gebäu-de her noch erhaltene Synagoge in Weinheim." In der Zeit des Nationalsozialismus wurde sie nur deshalb nicht zerstört, weil sich in ihren Räumen ab 1906 eine Bäckerei befand.

Info: Kontakt zu der neuen Interessengemeinschaft gibt es im Netz unter IG-Hutplatz-Anwohner@web.de.

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