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RNZ-Sommertour: Sommertour durch die Geisterstadt Patrick-Henry-Village

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		RNZ-Sommertour:  Sommertour durch die Geisterstadt Patrick-Henry-Village

Von Denis Schnur

Wie eine Insel liegt das Patrick-Henry-Village (PHV) seit den 1950er-Jahren im Südwesten Heidelbergs. Spätestens seit 2001 hatten sich dort die US-Amerikaner vom Rest der Stadt abgeschirmt. 2013 verließen sie das Areal zwar, doch für die Stadtbevölkerung ist es seitdem kaum geöffnet. Eine der seltenen Gelegenheiten, sich die verlassene Kleinstadt aus der Nähe anzusehen, bot deshalb die RNZ 20 Leserinnen und Lesern im Rahmen der Sommertour. Landschaftsarchitekt Moritz Bellers und Stadtplaner Prof. Michael Braum von der Internationalen Bauausstellung (IBA) führten sie durch den Südteil der Geisterstadt, erklärten, wie sie entstand und was dort entstehen soll.

Die Vergangenheit

Als sich die US-Army nach dem Zweiten Weltkrieg in Heidelberg ansiedelte, bezogen die Soldaten Privatwohnungen. Erst 1953 wurde begonnen, eine eigene Siedlung zu bauen – auch damit die Heidelberger zurück in ihre Häuser konnten. Bis 1958 entstand dann mit PHV im Südwesten Heidelbergs eine "sehr spezifische funktionale Einrichtung", wie Moritz Bellers den Sommertouristen erklärte. "Das war keine klassische Kaserne, sondern eine reine Wohnsiedlung mit etwas sozialer Infrastruktur." In der Regel lebten dort 7000 bis 8000 Soldaten – vor allem höhere Dienstgrade und überdurchschnittlich viele Generäle – mit Angehörigen. Die Gebäude sahen hier aus wie in Army-Siedlungen auf der ganzen Welt: "In jedem Büro stand der gleiche Schreibtisch mit der gleichen Lampe am gleichen Platz", so Bellers. Wenn die Soldaten versetzt wurden, sollten sie sich überall gleich zurecht finden. War PHV zu Beginn noch offen für die Zivilbevölkerung, änderte sich das in den 90ern. Und nach dem 11. September 2001 wurde das Areal komplett abgeriegelt. "Seitdem war es wie ein Ufo", so Bellers. Gäste hatten keinen Zutritt. Das änderte sich auch nicht, als die Amerikaner 2013 abzogen. Seitdem ist das Gelände im Eigentum des Bundes – und weiter eingezäunt. Lediglich im Ankunftszentrum für Geflüchtete, das ein Drittel der 97 Hektar beansprucht, herrscht Leben.

Die Gegenwart

Sieben Jahre ohne Bewohner gingen natürlich nicht spurlos an den Gebäuden, Straßen und Plätzen vorüber: Mannshohe Pflanzen wachsen zum Teil auf der Straße und auch wenn die Sommertouristen zwar keine Hasen sahen, so doch eine Menge Hasenköttel – denn für die Nager ist die ehemalige Wohnsiedlung ein Paradies. Bellers und Braum führten die RNZ-Leser aber auch in Gebäude, die zum Teil noch so aussehen, als wären sie erst letzte Woche verlassen worden: "Das sieht genauso aus wie in amerikanischen Filmen", sagte etwa eine Teilnehmerin beim Rundgang durch die ehemalige Middle School, wo in den Gängen noch die Spindtüren in die Gänge ragen, alle Uhren um 9.14 Uhr stehen geblieben sind und die Sporthalle aussieht, als könnte man sofort Basketball spielen. Ähnlich war es bei der Besichtigung eines der Wohnhäuser: Der Boden ist zwar zum Teil aufgeplatzt, doch an den Wänden ist immer noch die Bemalung einer amerikanischen Familie zu sehen. "Als hätte hier bis vor Kurzem noch jemand gelebt", zeigte sich ein RNZ-Leser erstaunt.

Die Zukunft

Die Wohnhäuser im Süden des Areals und die ehemalige Schule gehören zu den Häusern, die auch noch in zehn Jahren stehen sollen – weil sie in gutem Zustand sind und Teil des neuen Stadtteils werden sollen, der hier entsteht. Das gilt jedoch nicht für alle Bauten: Um die 80 Prozent werden abgerissen. Das sei nötig, um in PHV einen komplett neuartigen Stadtteil zu errichten, betonte Prof. Braum, Chef der IBA, die genau das plant. "Wir denken die Stadt anders, als man das früher gemacht hat." Deshalb brauche man auch andere Gebäudetypen. Gemeinsam mit Bellers ließ er die RNZ-Leser an der IBA-Vision teilhaben: Das Quartier, das hier gebaut wird, soll autoarm sein, sich weitgehend selbst mit Energie versorgen, die Digitalisierung bestmöglich nutzen – und trotzdem viele Freiflächen bieten. Außerdem soll sie architektonisch vielfältig werden: "Das wird hier ein bisschen aussehen wie die Villa Kunterbunt", kündigte Braum an. Die ersten Bewohner des neuen Stadtteils dürften jedoch in Bestandsgebäude ziehen: Der Bund hat großes Interesse daran, einige der Bauten selbst zu behalten, zu sanieren und zu vermieten. Aktuell wird darüber mit der Stadt verhandelt, aber danach könnte es ganz schnell gehen – und die Pioniere könnten schon im nächsten Jahr nach PHV ziehen.

Das Fazit

Nach dem gut zweistündigen Rundgang durch den Südteil der verlassenen Siedlung waren die Teilnehmer beeindruckt. "Das sind Einblicke, die man sonst nie bekommt", lobte eine Leserin, die mit Mann und Kindern angereist war. Besonders begeistert war die Kirchheimerin Adelheid Kumler: "Das Gebiet war lange tabu, und mich als Heidelbergerin interessiert das natürlich." Gerade in diesem Jahr, in dem sie ihren Urlaub habe absagen müssen, sei die Sommertour mehr als ein Ersatz: "Das ist so toll, das könnte ich den ganzen Tag machen, ach was: die ganze Woche."

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