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Befreiung 1945: Als Hardheim friedlich "amerikanisch" wurde

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		Befreiung 1945:  Als Hardheim friedlich

Von Torsten Englert

Hardheim. An Karfreitag gedenken die Christen des Leidens und Sterbens Jesu Christi am Kreuz. Welche Stimmung mag wohl in Hardheim vor 75 Jahren an Karfreitag – es war der 30. März 1945 – geherrscht haben? Deutschland lag in Trümmern: Die Städte Dresden, Würzburg, Mannheim und Pforzheim waren total von Bomben zerstört. Die Amerikaner waren in der Nähe, ab und zu war noch Kanonendonner zu hören. Versprengte Einheiten der Deutschen Wehrmacht waren auf dem Rückzug und überquerten die Hauptdurchgangsstraße von Hardheim. Jagdflugzeuge der alliierten Streitkräfte und vereinzelt der Deutschen Luftwaffe überflogen Hardheim auf der Suche nach Kampfzielen.

In Hardheim glaubten manche Ende März 1945 noch an den "Endsieg" und wollten die Amerikaner, die von Aschaffenburg und Buchen anrückten, aufhalten. Der Volkssturm, der unter anderem aus einigen Veteranen des Ersten Weltkriegs bestand, errichtete an der Erftalstraße nach Miltenberg an der Abzweigung nach Dornberg noch Panzersperren, die aus einigen Fichten bestanden. Ebenso gab es eine Panzersperre an der fränkischen Nährmittelfabrik am Ortsausgang Richtung Höpfingen.

Der Volkssturm versammelte sich mit Rucksack und Wasserflasche auf dem Schlossplatz. Von dort aus marschierten die Männer im Tal Richtung Schweinberg, wo sich der Volkssturm auflöste. Über den Wald kehrten die einzelnen Männer zurück nach Hardheim.

Einer Überlieferung nach soll ein Wehrmachtsfahrzeug bei der Durchfahrt in Hardheim angehalten haben. Ein Offizier habe einen Angehörigen des Volkssturms gefragt, wohin er denn wolle. Auf die Antwort des Hardheimers entgegnete der Offizier: "Mann, hauen Sie ab nach Hause und ziehen Sie sich die Kleider aus!"

Dass es in Hardheim nicht zu Kampfhandlungen und großer Zerstörung wie zum Beispiel in Nassig bei Wertheim kam, ist engagierten Hardheimer Bürgern wie Oswald Knapp zu verdanken. Dieser hatte trotz Verbot und der Gefahr der standrechtlichen Erschießung an seinem Haus ein großes weißes Bettlaken auf die Fahnenstange gezogen. Die anrückenden Amerikaner deuteten die weißen Bettlaken als Zeichen der friedlichen Übergabe der Gemeinde. Knapp gehört damit zu den stillen Helden – wie der Bäckermeister Gustav Joseph Bödigheimer, der den Hausnamen "Diplomaten-Beck" hatte.

Kurz bevor die Amerikaner am 30. März 1945 in Hardheim einrückten, waren viele Wehrmachtssoldaten mit Kriegsgefangenen auf dem Rückzug und zogen durch Hardheim. Die Ehefrau des Kolonialwarenhändlers Zugelder bereitete im Keller des "Badischen Hofs" in einem Waschkessel Tee zu und gab diesen an die Durchreisenden aus. Die Wehrmachtssoldaten bekamen noch ein Stück Zucker dazu, wie Augenzeugen noch zu berichten wissen. Bäckermeister Bödigheimer verteilte zusätzlich Brot an die ausgehungerten durchziehenden Wehrmachtssoldaten und die Kriegsgefangenen. Ein hoher Wehrmachtssoldat betrat daraufhin den Bäckerladen und erkundigte sich nach dem Bäckermeister. Seine Ehefrau Else teilte dem Soldaten mit, dass ihr Mann in der Backstube beschäftigt sei. Daraufhin teilte der Soldat mit, dass er nochmals vorbeikäme. Als die Ehefrau ihrem Man von dem Vorfall berichtete und dieser sich genau nach dem Aussehen der Uniform erkundigte, verließ Bödigheimer sein Haus und verbrachte die nächsten Tage in seinem Wald im Gewann "Lichtberg". Da er Brot ohne Lebensmittelmarken verteilt hatte, wusste er, dass er abgeholt und erschossen werden könnte. Erst als sich die amerikanischen Panzer näherten, kehrte er nach Hardheim zurück.

Am 30. März 1945 wurde Hardheim "amerikanisch", schreibt Anna Henn in ihrem Tagebuch. Am Abend um 21 Uhr sind die Amerikaner in Hardheim eingefahren und über den Marktplatz in Richtung Würzburg weitergezogen. Die neueren Häuser und die größeren Villen wurden besetzt.

In der Gaststätte "Zum Deutschen Hof" in der Miltenberger Straße bekamen die Bewohner vier Stunden Zeit, um die Wohnung zu räumen. Dabei durfte sie nur das Nötigste mitnehmen. Die Familie Henn fand Unterkunft bei Familie Erbacher im Wohnzimmer. Die amerikanische Sanitätseinheit, die sich drei Tage lang im "Deutschen Hof" einquartierte, war freundlich – besonders zu den Kindern. Sie achteten zum Beispiel darauf, dass deren Spielzeug nicht zu Schaden kam. Als die Familie Henn nach einigen Tagen wieder in ihr Haus einziehen konnte, stellten sie fest, dass nichts entwendet worden war.

Auch andere Familien wurden zeitweise ausquartiert. Die Frauen mussten an Ostermontag die Wohlfahrtsmühle räumen, die Männer wurden weiterhin benötigt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Frauen zogen daraufhin für einige Tage im nahegelegenen Schießstand ein. Im Haus der Fabrikantenfamilie Willi Eirich war ein amerikanischer Offizier eingezogen, der seinen Wohnwagen mit sich hatte und der im Garten stand. Willi Eirich fand Unterkunft in der Orgelbauerwerkstatt Bader.

Das Bahnhofsgebäude und das -gelände wurden ebenfalls besetzt. Die Amerikaner brachten dort ihren Fahrzeugpark unter. Dort im Straßengraben fanden die Hardheimer Kinder so manches, was von den Amerikanern einfach weggeworfen wurde und womit die Kinder noch einiges anfangen konnten: unter anderem halbe Zigaretten. Auf der Wiese neben dem Maurergeschäft Leo Bernhard war ein großes Zelt der Amerikaner aufgebaut. Darin befand sich die Kantine, wo die Soldaten speisten. Im Zelt war auch die Küche integriert mit Edelstahlherden. Einige der Hardheimer versuchten, sich bei den Amerikanern anzudienen, um somit an Bohnenkaffee, Zigaretten, Kaugummi und Schokolade zu kommen. Für die Kinder hatten die Amerikaner oft Schokolade und Kaugummi übrig.

Obwohl die Amerikaner Hardheim friedlich besetzten, gab es zwei Tote zu beklagen. Als in der Nacht an Karfreitag amerikanische Soldaten ein bäuerliches Anwesen in der Walldürner Straße durchsuchten, hatte der polnische Fremdarbeiter Jan Jankowiak Angst und wollte durch das Küchenfenster über das Dach eines Nebengebäudes flüchten. Dabei erschossen ihn die Soldaten. Der Lärm schreckte die Geschwister Doris und Wieland Heiden auf. Während das vierjährige Mädchen ins Nachbarhaus lief, rannte der sechsjährige Junge zum Ort des Geschehens und wurde versehentlich ebenfalls tödlich getroffen.

Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich, als ein Hardheimer sich eine Pistole aus Holz fertigte und damit die Amerikaner aufschreckte und verängstigte.

Allmählich nahm das Leben im Ort wieder geordnete Abläufe ein. In der ersten Woche nach der Besatzung gab es noch ab und zu Fliegerangriffe der Deutschen Luftwaffe auf die Amerikaner, aber auch diese hörten bald auf. Am Tag der deutschen Kapitulation, am 8. Mai 1945, gab es bei den amerikanischen Soldaten eine große Feier.

Anfang Juni 1945 mussten sich die ehemaligen Parteileute, die Angehörigen der SS und SA, auf dem Schlossplatz in Hardheim versammeln, von wo sie ins Internierungslager nach Ludwigsburg gebracht wurden. Die meisten kamen nach einem Jahr wieder zurück. Andere mussten länger wegbleiben.

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