Der romantische oder trügerische Prinz 0 6 12.01.2013 14:47 Menchik, Vera (Francevna) (Bild entfernt) Andria Dadiani * 24. Oktober 1850 in Sugdidi; † 12. Juni 1910 in Kiew Public domain *************************** von Javier Cordero Fernández Das Schachspiel ist voll von interessanten Geschichten und unglaublichen Legenden. Seine Jahrtausend alte Geschichte wurde bereichert durch das Vermächtnis dieses Spieles, das unübertroffen in Reichtum und Schönheit ist. Heute erzählen wir eine jener kuriosen Geschichten, halb Mythos, halb Wirklichkeit, dessen Protagonist ein Mitglied des georgischen Königshauses war: Prinz Andrey Dadian von Mingrelien Davidovich. (Bild entfernt) **************************************************** In der Welt des Schachs als Mingrelia bekannt, aber der Name ist einfach die Benennung der Heimatregion, einer Provinz in der Nähe des Schwarzen Meeres. Andrey stammte aus einer Familie der High Society, wohlhabend und von altem Adel. Sein älterer Bruder war der Herrscher der Provinz Mingrelia. Der Großvater des Prinzen spielte regelmässig Schach, was in der oberen Gesellschaftsschicht üblich war, und man bat ihn, seine Begeisterung für das Spiel auf den Enkel Andrey zu übertragen. Für den jungen Prinzen wurde das Schach eine ebenso reiche wie freudige Freizeitbeschäftigung. Im Laufe der Jahre wurde er zum anerkannten Talent. (Bild entfernt) ********************************************************* Gemalt von Elke Rehder ********************************************************* In seiner Eigenschaft als Prinz war es ihm allerdings nicht erlaubt, an Turnieren teilzunehmen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als Spieler in seine Villa einzuladen. Unter ihnen befanden sich angeblich die „besten“ russischen Spieler, obwohl die meisten Amateure waren, die nicht über ein hohes Spielniveau verfügten. Wie erklärt sich dann der Ruhm von Mingrelia? Nun, es ist einfach, denn seine Partien waren brillant, immer voll von elektrisierenden Kombinationen und wilden Angriffen auf die gegnerische Rochade. (Bild entfernt) Gemalt von Elke Rehder Lassen wir jetzt die Worte einmal beiseite und betrachten seine Partie gegen einen Oberst der georgischen Armee: Mingrelia: weiß vs. Boutourlin: schwarz 1 – 0 St. Petersburg 1883 1. e4 / e5 2. f4 / exf4 3. Sf3 / g5 4. Lc4 / g4 5. Sc3 / gxf3 6. 0-0 / Lc5 + 7. d4 / Lb6 8. Lxf4 / fxg2 9. Lxf7 + / Kf8 10. Tf2 / Sf6 (Bild entfernt) 11. Dh5 / Sxh5 12. Lh6 + / Ke7 13. Sd5 + / Kd6 14. e5 + / Kc6 15. Sb4 + / Kb5 16. a4 + / Ka5 17. Sd3 / Lxd4 18. b4 + / Kb6 19. a5 + / Ka6 20. b5 + / Kxb5 21. c4 + / Ka6 22. Sb4 + +. Zum Nachspielen: (Bild entfernt) Mingrelia schickte seine besten Partien an das französische Schachmagazin „La Stratégie“, (Bild entfernt) die sofort wegen ihrer Qualität veröffentlicht wurden. Aber bald kamen Zweifel von mehreren Spielern auf bezüglich der Authenzität der Partien des Prinzen, weil sie für einen Schachamateur zu genial waren. In der Tat begann man zu spekulieren, dass einige seiner Partien nur eine Farce darstellten und die Züge von Mingrelia vorgegeben, bevor sie dann von seinen Gegnern nach Erhalt einer ziemlichen Geldsumme als gespielt notiert wurden. Nichts davon konnte nachgewiesen werden, aber wir müssen anerkennen, dass einige der Partien zumindest überraschend sind. Es genügt, das nachstehende Beispiel einer Partie gegen Ignatz von Kolisch, (Bild entfernt) ******************************************************** Public domain einer der stärksten Spieler seiner Zeit, zu zeigen, wobei dieser seinen Gegner praktisch „vernichtete“, wenn nicht dieser Verdacht gewesen wäre …….und das bei der bekannten Spielstärke des Österreichers. Mingrelia: weiss vs. von Kolisch: schwarz 1 – 0 Wenman 1885 1. e4 / e5 2. Sf3 / Sf6 3. Lc4 / Sxe4 4. Sc3 / Sxc3 5. dxc3 / f6 6. Sh4 / g6 7. 0-0 / d6 8. f4 / De7 9. fxe5 / dxe5 10. e3 / Sc6 11. De2 / Ld7 12. b4 / 0-0-0 13. a4 / Lg7 14. b5 / Sb8 15. b6 / axb6 16. a5 / bxa5 17. Tfb1 / Sc6 (Bild entfernt) ****************************************************** 18. Txb7 / Kxb7 19. La6 + / Ka8 (Bild entfernt) ***************************************************** 20. Lb7 + / Kxb7 21. Db5 + / Kc8 22. Da6 + / Kb8 (Bild entfernt) ******************************************************* 23. Txa5 / Sxa5 24. Da7 + / Kc8 25. Da8 + +. Zum Nachspielen: (Bild entfernt) Der sowjetische Spieler, Dus Chotimirsky, (Bild entfernt) Public domain warf weitere Zweifel auf den Ruf des Prinzen, als er bekannt gab, dass er gegen ihn ein Match mit 9-3 gewann. Da der Prinz nicht außergewöhnlich stark war, kann man seine blendenden Siege gegen Von Kolisch und andere Meister kaum verstehen. Ein weiterer Spieler, der die Partien von Mingrelia beanstandete, war Mikhail Chigorin, (Bild entfernt) ************************************************** Public domain der durch harte Kritiken versuchte, den Ruhm der brillanten Partien bei einigen Kombinationen zu widerlegen beziehungsweise Zweifel an ihrer Echtheit zu hegen. Dadian bemühte sich stets, mit dem Schach in Verbindung zu kommen, indem er auch mehrere Turniere sponserte. Eines der wichtigsten fand in Monte Carlo (1903) statt. (Bild entfernt) Monte Carlo 1903 – Bild: edochess.ca Hier hatte er die Gelegenheit, sich für die Beleidigung von Chigorin zu rächen. Der Russe wurde zunächst zum Turnier eingeladen, doch Mingrelia drohte, seine finanzielle Unterstützung zurückziehen, wenn dieser teilnähme. So kam es schliesslich, dass Chigorin ohne Erklärung des Turnieres verwiesen und mit einer Entschädigung von 1500 Franken abgefunden wurde. Eine andere Version besagt, dass Mingrelia dessen Ausschluss wegen einer alten Geschichte erzwungen hätte, bei der Chigorin eine Einladung des Prinzen zu einer Partie auf seinem Landsitz abgelehnt habe, was für die georgische Tradition ein schwerer Affront darstellte. (Bild entfernt) ******************************************************* gemalt von Nicolás Sphicas Viele seiner Partien sind in Fachzeitschriften veröffentlicht worden und haben bis heute überlebt; somit ist es nicht verwunderlich, dass einige von ihnen in Büchern gesammelter brillanten Partien wiederzufinden sind. Aber wir können nicht absolut sicher sein, ob die Mehrzahl dieser Partien eine Farce oder echt waren: doch zumindest haben wir einen gewissen Trost, indem wir in der Lage sind, sie nachzuspielen und die Schönheit ihrer Kombinationen zu geniessen, etwas, das unsere Ansicht stärkt, dass Schach eine Kunst ist. (Bild entfernt) ********* Quelle: ajedrezdeataque.com Sitges (Barcelona), im Januar 2013