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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier: Ich denke oft ans Wellenreiten

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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier: Ich denke oft ans Wellenreiten

Vier Jahre Corona – schon oder erst? Unser Kolumnist blickt zurück auf eine Zeit, die nicht vergehen will.

Es ist ein Donnerstag im März. Die Sonne scheint. Keiner fährt Bahn. Die Flieger gehen nicht. Alle fürchten die nächste Welle. Ist es schon wieder Zeit, Klopapier zu horten? Werden im Rhein-Herne-Kanal schon Delphine gesichtet?

Vier Jahre ist das nun her, diese Zeit, die noch so nah und andererseits so unfassbar fern erscheint. Erst gestern saßen wir morgens bei einer ersten Tasse im Café zusammen und sprachen fasziniert-amüsiert über diesen Irrsinn, der uns damals in Atem – sofern wir ihn noch hatten – hielt und recht schnell damit begann, dass wir plötzlich morgens eben nicht mehr vor der Arbeit im Café saßen, weil keiner mehr zur Arbeit gehen durfte – und das Café ebenfalls geschlossen wurde. Lockdown. Weil irgendwo in Wuhan einer gesagt hatte: "Ich nehm die Fledermaussuppe – was soll schon schiefgehen?"

kurzbio beisenherz

Immerhin, es war herrliches Frühlingswetter im März 2020: Leute gehen spazieren. Wenn auch nur in Kleinstgruppen. Spielplätze, mit Flatterband umwickelt, weil gesperrt. Das Studiopublikum aus Fernsehsendungen gekärchert. Es sollte teilweise nie mehr wiederkommen. Schmierinfektion. Abstand. Maskendeals. Knuffelkontakte. Ostern mit Uromma und der ganzen Familie. Statt Merci-Reklamen-Romantik plötzlich ein Superspreading-Event.

Die Ordnungsämter schließen Restaurants und Herbergen, sodass ich mich mit Ausnahmegenehmigung allein wie Jack Nicholson in "Shining" in Düsseldorf in einem zwanzigstöckigen Hotel wiederfinde. Aus den Talkshows verschwinden die Ross Antonys und Carpendales von der Gästeliste – Aufstieg der Experten. Drosten vs. Streeck. Lauterbach gegen Kekulé. Ja, was macht eigentlich Alexander S. Kekulé?

Pflegekräfte werden noch immer beschissen bezahlt

Die Pflegekräfte werden noch heute beschissen bezahlt, aber immerhin wurde mal schön geklatscht. Kult-Pfleger Ricardo Lange, der auf der Bundespressekonferenz Jens Spahn langmachte. Alexander Jorde und Doc Caro. Die ersten Irren fangen an, Leute als Abstands-Brecher auf Picknickdecken zu fotografieren und ins Netz zu stellen. In München darf wer nicht auf der Parkbank sitzen und lesen. Draußen gehen bitte nur zweckgebunden. Und alle backen Brot. Bei Maischberger fürchten sie, die ganze Bundesrepublik könnte nach Tübingen strömen, weil Boris Palmer dort zwei Außengastronomien testhalber offen lässt. Hach, Dr. Federle.

Lockdown 2. Der nicht enden wollende Winter 2021. Homeschooling macht die Albträume aller Erwachsenen, wieder zurück in die Schule zu müssen, wahr. Die Inzidenzen, die Öffnungsdiskussionssorgien, die MPK, Merkel und Söder. Atmende Öffnungsmatrix, Osterruhe, Merkel sagt sorry. Michael Müller und der groteske Inzidenz-Faltplan. Team Freiheit. Team Vorsicht. Und umgekehrt. Je nach Stimmungslage. Faxrepublik Deutschland, gefangen in analoger Struktursklerose. Das Comeback der Autokinos. Attila Hildmann. Der Wendler knallt durch. So wie Hamburger Polizisten, die mit ihrem Einsatzwagen mit 50 Sachen quer durch den Park Jugendlichen hinterher ballern, die sich – Achtung, Abstand! – zu dritt abgeklatscht hatten.

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Lauterbach pennt aufm Feldbett hinterm Lanz-Studio. Wir kennen plötzlich den Ethikrat, Hildburghausen und alle (!) MinisterpräsidentInnen. Sogar Tobias Hans. Wir sind MÜTEND. Die Impfung verheißt den Weg aus der Pandemie. Die sogenannten "Querdenker" wollen das nicht mittragen. Die anderen glauben, sie mit Beschimpfung vom Gegenteil überzeugen zu können. Impfpflichtdebatten. Wir gegen die. Lanz, der den Oberbürgermeister von Halle 45 Minuten grillt, weil der sich am Feierabend schnell ne übergebliebene Impfdosis verpassen ließ, anstatt vorher alle 562 anderen abzutelefonieren, die in der Impfreihenfolge vor ihm dran gewesen wären. "Kimmich soll sich impfen lassen!" Und jetzt auch noch Omikron.

Und dann, nicht plötzlich, aber irgendwie schon, ist es vorbei. Schrittweise Öffnungen. Es ist April 2022. Wir singen Karaoke in der Thai Oase und kehren ins Leben zurück. Nicht alle. Und beileibe nicht alle blicken so amüsiert auf diese Zeit zurück. Häusliche Gewalt ging durch die Decke, Depressionen, ganze Schulklassen gingen verloren, Integration wurde infektionsschützend ausgesetzt, Zehntausende starben allein. Mein Onkel Heiner und seine entsetzlich triste Beerdigung an einem infektionsgeschützten Novembertag.

Güterabwägung. Kassensturz. Hat sich das alles gelohnt? War es das wert? Haben wir das je richtig aufgearbeitet? Sind wir in der Lage, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, um künftig anders miteinander umzugehen? Ich hab meine Zweifel. Die Erkenntnis kommt in Wellen. Und bleibt in etwa auch so lange.

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