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Laskers allumfassender Spielstil

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Von Aaron Nimzowitsch

 

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Eine alte Formel mit neuem Leben zu füllen, dies ist der Sinn und die innere Berechtigung nachfolgender Zeilen. Den äußeren Anlaß hierzu gibt uns Laskers 60jähriger Geburtstag, den inneren – unsere Bewunderung und Verehrung des großen Meisters.

 

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Die alte Formel, von der hier die Rede sein soll, lautet so: „Laskers Spielführung ist von geradezu imponierender Vielseitigkeit“. Damit soll gesagt sein, daß Lasker „alle Teile der Partie“, wie etwa Mittelspiel und Endspiel, Angriff wie Verteidigung mit gleicher Virtuosität behandle. Aber für die Modernen besteht die Schachpartie nicht mehr aus „Angriff“ und „Verteidigung“ und noch weniger aus Mittelspiel und Endspiel. Um die Frage nach Laskers Vielseitigkeit bejahen zu können, wäre vielmehr zu untersuchen, ob er die schwierige Kunst der Prophylaxe

 

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und Überdeckung

 

voll beherrsche und ob er ferner das Spiel gegen Felderschwächen von bestimmter Farbe

 

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Z. Polgar – Denker
New York 1989

(Felderschwächen bei Schwarz)

meistere. Und schließlich wäre seine Lavierungstechnik

 

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zu bewerten.

Wir beginnen mit den Felderschwächen.

Die Lehre vom bestimmtfarbigen schwachen Felderkomplex ist ziemlich neuen Datums, Lasker hat aber schon vor 20 und 30 Jahren wunderbare Partien dieser Art geliefert, wir erinnern nur an seine Partie gegen Tartakower Petersburg 1909:

Kommentiert von NM Hebert Pérez García aus Holland

 

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SAVIELLI TARTAKOWER vs. EMANUEL LASKER

 

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San Petersburg 1909

Savielly Tartakower – Emanuel Lasker [A22]

Runde  (7), 23.02.1909

 

 

  1. c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.g3 Le7 4.Lg2 0–0 5.Sf3 d6 6.0–0 Sbd7

 

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7.d3?! [Zutreffend sagte Lasker, dass diese Variante Schwarz erlaubt, die Position ausgleichen zu können, in dem das Zentrum besetzt wird. Diese Meinung ist heute noch gültig und deswegen ist besser die Fortsetzung: 7.d4 c6 8.e4 etc.]

 

7…c6! 8.Se1 [8.Tb1!?]

 

8…Sb6 9.e4 d5= 10.cxd5 cxd5 11.exd5 Sfxd5

 

12. Sxd5 [Die folgende Option scheint genauer: 12.Sf3 Sxc3 13.bxc3 Dc7=]

 

12…Sxd5 13.d4 exd4 14.Dxd4 [14.Sf3!?]

 

14…Le6 15.Sc2 Lf6

 

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16. De4?! [Obwohl Lasker in seinen Kommentaren den Textzug nicht kritisierte, ist es vielleicht doch sinnvoller wie folgt zu spielen: 16.Dd1!? und wenn Dd7 (16…Db6 17.Lxd5 Tfd8 18.Se3 Dc5 19.Db3 Lxd5 20.Sxd5 Dxd5 21.Dxd5 Txd5 22.Le3 b6= etc. (22…Lxb2 23.Tab1 Lf6 24.Txb7 Ta5 25.Tc1 Txa2 26.Lxa7 Ta1=) ) 17.Se3= Tfd8 18.Sxd5 Lxd5 19.Dxd5 Dxd5 20.Axd5 Txd5 21.Le3= etc]

 

16…Da5?! [Interessant und stark ist 16…Db6!? mit Initiative. ]

 

17. Sd4 Lxd4 18.Dxd4 Tfd8 19.Lg5 [19.Ld2!?]

 

19…Td7 20.a3 [oder auch 20.Ld2 Db5 21.De5= etc.]

 

20…Sb6 21.Dh4 Sc4

 

22.b4 [Es sollte auch die Variante 22.Tfd1!? Txd1+ 23.Txd1 Sxb2 24.Td4 h6 25.Ld2= beachtet werden.]

 

22…Db6

 

23. Tfe1 [Eine andere wichtige Option sollte hier auch in Betracht gezogen werden 23.Tfd1 Txd1+ 24.Txd1 h6 25.Lc1=]

 

23…h6 24.Le7 Dc7 25.Lc5 Se5

 

26.Ae3?! [Man hätte hier einen Ausgleich erzielen können mittels dem taktischen Manöver 26.De4!? Sd3 27.Ted1 Tad8 28.Le7 Txe7 29.Txd3=, wobei der starke schwarze Springer beseitigt wird.]

 

26…Sd3 27.Ted1 Lb3 [27…Te8!? ist ein listiger und möglicher Zug.  ]

 

28. Tf1

 

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28.. Ld5!?³ [ Prophylaxe tritt in Aktion! Lasker wies darauf hin, wenn die beiden Läufer verschwinden, wird die Stabilität des schwarzen Springers auf  “d3” deutlich.]

 

29. Lxd5 Txd5 30.De4 Dd7 31.Ta2 Te8 32.Dg2 b6 33.Tc2 Td8

 

34. De4 b5 [Vielleicht war es besser, wie folgt zu spielen: 34…Dh3!? 35.Dg2 Df5 etc.]

 

35. f4 Te8 36.Df3 De6

 

37.Lf2 Td7?! [Eine Ungenauigkeit. Richtig war: 37…Td6 =+]

 

38. Kg2?! [Tartakower versäumt die Gelegenheit: 38.Dc6!? zu ziehen]

 

38…Db3 39.Dc6 Ted8

 

 

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40. Dc3? [Ein intuitiver Fehler. Raffiniert war die einfallsreiche Verteidigung: 40.Te2!? Dxa3 41.Te8+ Txe8 42.Dxd7 mit Gegenchancen. ]

 

40…Dd5+ 41.Kg1 De4! 42.Db3 [Uns scheint 42.Ta2 vorsichtiger.]

 

42…g5! [oder auch 42…h5!?]

 

43. Da2 [Schrecklich wäre hier 43.fxg5? zu spielen wegen Se5–+]

 

43…gxf4–+ [Der positonelle Vorteil von Schwarz ist entscheidend.]

 

44. Te2 Dg6 45.Dc2

 

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45.. Kh7 [Der Gewinn von Schwarz ist schon eine Tatsache. Z. B. 45…f3 46.Td2 Dg4 47.Tfd1 Dh3 48.Lxa7 f2+ 49.Txf2 Sxf2 50.Txd7 Dxd7 51.Lxf2 Dd1+–+]

 

46.Dc3 Tg8 [Es gewann auch 46…f3 47.Ta2 Te8 48.Ld4 Sf4–+]

 

47.Kh1 Dh5 48.Td2 fxg3

 

49.Lxg3 [ Eine andere mögliche Definition war: 49.Le1 Sf2+ 50.Tdxf2 gxf2 51.Dc2+ Tg6 52.Dxf2 Dd5+ 53.Df3 Dxf3+ 54.Txf3 Td1 55.Txf7+ Tg7 56.Tf1 Te7–+]

 

49…Txg3 50.Dc6 Se5 51.De4+ Kg8 52.Tdf2 Tg5 53.Tc2 Td1

 

Und Weiss gab auf.[0–1]

 

Die Strategie „Vorgabestil“ von Lasker angewendet und in die Praxis umgesetzt, ist das, was Aaron Nimzowitsch predigt.

 

 

 

Endstellung

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Zum Nachspielen:

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Die virtuose Unauffälligkeit, mit der er seit jeher es verstanden hat, sich frühzeitig eine Basis für weiß- bzw. schwarzfeldrige Operationen zu verschaffen, darf heute noch, trotz Aljechin, der ja genanntes Stratagem zu seinem Spezialgebiet gemacht hat, als unübertroffen hingestellt werden.

Es gibt unter allen, jungen und alten Großmeistern keinen einzigen, der im Bezug auf Lavierungstechnik Lasker nur annähernd gleichkommt. Es gibt einen Probestein: die Paulsen-Variante der Sizilianischen Partie. Heute, da sie bereits ins Reich der Hauptturnierspieler gedrungen ist, ist sie natürlich bei weitem nicht so schwer zu spielen, wie vor 30 Jahren. Und doch erleben wir es noch heute, daß ein Meister wie Bogoljubow seinen Paulsen glatt überstürzt (siehe Partie gegen Reti, Kissingen) während Lasker hierin schon vor 10 Jahren Proben langsamster tiefschürfender Strategie lieferte.

Die vom Schreiber dieser Zeilen propagierte Überdeckung wird zwar von Lasker in gewissem Sinne abgelehnt (er erkennt nicht das strategisch Beglückende der Verbindung zwischen starkem Punkt einerseits und den überdeckenden Offizieren andererseits an). Aber, wenn wir die Überdeckung eigener starker Punkte als weitausschauende Konsolidierungsmaßnahme auffassen wollen, so hat Lasker mehr Überdeckung geübt als der Erfinder selbst.

Und erst gar die Prophylaxe! Noch vor 14 Jahren hatte Dr. Tarrasch den „mysteriösen Turmzug“

 

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Gemalt von Elke Rehder

zur Zielscheibe seines Spottes gemacht. Bedenkt man aber, daß genannter Turmzug gewissermaßen zu den Anfangsgründen der Prophylaxe gehört und zieht man ferner in Betracht, daß Tarrasch bis etwa 1911 die Spitze der Schachgelehrsamkeit bedeutete, so wird man ermessen können, um wieviel Jahre Lasker seiner Zeit voraus sein mußte, er, der schon vor 30 Jahren die weitverzweigtesten prophylaktischen Stratageme in Anwendung zu bringen wußte.

Anmerkung: Bezüglich des mysteriösen “Turmzuges”  von Lasker vermuten wir, dass Dr. Tarrasch einen Zug aus den Begegnungen zwischen Lasker und Janovsky hervorhob.

Es war damals bekannt, dass David Janovsky die Spielart von Lasker nicht verstand, und es deswegen viel Häme gab.

 

Und zum Schluß noch eins: zu den modernen Schlagworten gehören „Phantastik“

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(die von Tartakower Bogoljubow nachrühmt) und die „Präzision“ (die Aljechin in besonders hohem Maße zu besitzen… glaubt.) Was nun Lasker anbelangt, so besitzt er auch heute noch mehr Phantastik (sein vielgerühmter „Vorgabestil“!) als manche der in Betracht kommenden Meister zusammengenommen. Und seine Präzision ist bewundernswert. – Fürwahr, Laskers Spielführung ist von wunderbarer, schlechtweg genialer Vielseitigkeit ! Möge er uns noch recht, recht lange erhalten bleiben !

 

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**********************

(Quelle: Wiener Schachzeitung 1929, Nr. 1, Seite 8-9)

Sitges (Barcelona), im Mai 2014

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