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Visum-Affäre: "Djokovic ist nicht schuldlos an der Eskalation. Doch mehr noch als ein Täter ist er ein Opfer"

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Visum-Affäre:

Die Australian Open laufen, Novak Djokovic ist nicht dabei. Die Visum-Affäre um den wohl besten Tennisspieler der Welt hat nur Verlierer produziert – inklusive Djokovic selbst. Internationale Pressestimmen im Überblick.

Wie auch immer man das Verhalten der Beteiligten an der Visum-Affäre um den serbischen Tennisstar Novak Djokovic beurteilt, in einem Punkt sind sich die Kommentatoren der internationalen Presse nahezu einig: es hat nur Verlierer gegeben. Den größten Schaden habe der aktuell wohl beste Tennisspieler der Welt selbst zu verkraften, heißt es. Der Imageschaden sei kaum zu korrigieren. Daran habe Djokovic aber einen gehörigen Anteil.

"La Repubblica" (Italien): "So endet die Telenovela zwischen dem serbischen Tennischampion und der australischen Regierung. Die Berufung hat der Regierung Recht gegeben, die ihn für eine öffentliche Gefahr wegen seiner Positionen als Impfgegner hält, für ein Risiko für die Allgemeinheit."

"Die Presse" (Österreich): "Er verlässt Down Under mit einem nie mehr zu korrigierenden Imageverlust und ohne Trophäe. Die skurril-peinliche Einreiseposse würde genügend Stoff für ein Hollywood-Drehbuch liefern. Und Novak Djokovic brilliert dabei, wieder einmal, in seiner Paraderolle als Bösewicht. Neben seinen makellos auftretenden Dauerrivalen Roger Federer und Rafael Nadal – mit ihnen teilt sich der Mann aus Belgrad den Rekord von 20 Grand-Slam-Titeln – spielt Djokovic seit jeher den aufmüpfigen Schurken. Gewiss wollten ihn Medien wohl auch als solchen inszenieren, weil drei Superhelden doch einer zu viel wäre. Der 34-Jährige trug freilich selbst am meisten zu seiner Außendarstellung bei. (...) Während der Coronapandemie hat sich Djokovic endgültig zur Bestbesetzung des Bösewichts aufgeschwungen."

Kommentar zu Djokovic-Ausweisung 18.00

"Kronen Zeitung" (Österreich): "Djokovic hat einen nervenaufreibenden Streit um Einreiseregeln hinter sich, der den eigentlichen Grund für seine Reise nach Australien überlagerte – nämlich seinen Titel beim Turnier Australian Open zu verteidigen sowie einen neuen Rekord mit dem 21. Grand-Slam-Titel überhaupt aufzustellen. Die Affäre um seine vermeintliche Sonderbehandlung schadete nicht nur dem Image des Tennisspielers, sondern auch der australischen Regierung."

"Kurier" (Österreich): "Für Ungeimpfte wird die Einreise in viele Länder schwer bis unmöglich. Nach gegenwärtigem Stand könnte Novak Djokovic Ende Mai in Paris spielen. Es ist aber durchaus möglich, dass auch in Frankreich die Regierung sukzessive schärfer gegen Ungeimpfte vorgeht. Sollte Djokovic ab Juli auch seinen Titel in Wimbledon verteidigen wollen, ist dies nur mit einer verpflichtenden, zehntägigen selbst überwachten Heimquarantäne möglich."

Novak Djokovic "wollte nach seinen eigenen Regeln spielen"

"La Vanguardia" (Spanien): "Der serbische Tennisspieler wollte ganz nach seinen eigenen Regeln spielen und hat verloren. Die Stärke einer souveränen Regierung, der australischen, hat sich am Ende gegen einen Sport-Mythos und gegen die mediale Macht durchgesetzt, die Novak Djokovic, die derzeitige Nummer eins der Tenniswelt, hat. Nach einer fast zweiwöchigen Seifenoper, in der es um weit mehr als um ein Tennisturnier ging, wurde der Sportler gestern endlich abgeschoben (...) Der Fall hat auch einen innenpolitischen Aspekt: Im Mai finden in Australien Wahlen statt, und die Bürger, die der von der Regierung von Scott Morrison verhängten strengen Beschränkungen überdrüssig sind – Melbourne hat mehr als 260 Tage im Lockdown verbracht –, konnten einfach nicht verstehen, warum einer Person, die nicht geimpft war und die die Einwanderungsbeamten belogen hatte, eine Sonderbehandlung gewährt werden sollte, um in das Land einzureisen. Die Regeln gelten für alle."

heute wichtig 191 7.45

"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): "Es war das lächerliche Ende einer unwürdigen Affäre, die vor allem Verlierer produzierte. Der erste Verlierer ist natürlich Djokovic, der sich in die Idee verrannt hatte, als Ungeimpfter am Australian Open teilzunehmen. Verlierer ist überdies die australische Regierung, welche mit der absurden Argumentation, der weltbeste Tennisspieler sei eine Gefahr für das Land, die Gewaltentrennung außer Kraft gesetzt und einen ersten Richterspruch missachtet hat.

Verlierer sind aber auch die Organisatoren des Australian Open, die Djokovic mit einer Ausnahmebewilligung ins Land gelockt hatten, die sich später als wertlos und eigentlicher Ursprung der Posse erwies. (...) Unbeantwortet bleibt bis heute die Frage, wer und basierend auf welcher Faktenlage Novak Djokovic als Ungeimpftem eine Sondergenehmigung zur Einreise nach Australien in Aussicht gestellt hatte. Darauf hatte sich der Weltranglistenerste verlassen und war deshalb zum Spielball des politischen Populismus der Regierung von Premierminister Scott Morrison geworden. Djokovic ist nicht schuldlos an der Eskalation. Doch mehr noch als Täter ist er ein Opfer."

Tennisstar hat "Boden unter den Füßen verloren"

"Tages-Anzeiger" (Schweiz): "Für Djokovic ist die Ausweisung aus dem Land, in dem er schon neunmal triumphierte, ein Denkzettel; einer, der ihn aus seinen (nach eigenen Worten) hohen spirituellen Sphären zurück auf die Erde holen sollte. Er müsste einsehen, dass er den Boden unter den Füßen verloren hat. Die demütigende und einzigartige Episode könnte eine Zäsur für seine Karriere bedeuten. Immer mehr Turniere, wie im März Indian Wells und Miami, stehen nur Geimpften offen. Djokovic wird nun alles tun, um mehr Grand-Slam-Turniere zu gewinnen als seine Konkurrenten Roger Federer und Rafael Nadal (zurzeit stehen alle bei 20 Titeln). Beim nächsten Major des Jahres, dem French Open im Mai, sollte er antreten können: Nach Frankreich können unter gewissen Bedingungen auch ungeimpfte Personen einreisen. Der Serbe wird sich wohl kaum zu einer Impfung durchringen. Der Preis, den er dafür bezahlen muss, ist hoch. Mitleid ist aber nicht angebracht."

"Blick" (Schweiz): "In der Posse um Rivale Novak Djokovic gehört Rafael Nadal zu den Gewinnern. Der Mallorquiner kann nun den Angriff auf den Grand-Slam-Rekord starten. Doch er kommt aus einer schwierigen Phase."

"L'Équipe" (Frankreich): "Nach der Schmach von Melbourne sind die Ärgernisse für Novak Djokovic nicht vorbei. Er muss das jetzt "verdauen" und ganz ungewohnt dabei zuschauen, wie die Konkurrenz aufsteigt."

"The Guardian" (Großbritannien): "Es war eine unerfreuliche Woche für die Regierung, aber das Ergebnis zeigt einmal mehr, dass Australiens Einwanderungsgesetze so hart geschrieben sind wie sie auch angewendet werden."

"Ein Drama, das sich alle gern erspart hätten"

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Deutschland): Was die Weltöffentlichkeit (...) über elf Tage unterhielt, war ein Drama, das sich alle gern erspart hätten. Wer trägt die Schuld daran? Zu­nächst die australischen Politiker, Be­hörden und Institutionen, die ihre Einwanderungspolitik so schlecht ge­staltet haben, dass sie selbst nicht wussten, welche Regeln für wen wann gelten. (...) Ein Opfer ist der Serbe deshalb ganz und gar nicht. (...)

Als Beobachter der Affäre ist man entsetzt, wie schlecht ein Sport-Multimillionär beraten sein kann: eine Familie, die mit ihren geifernden Kommentaren jeden gegen sich aufbringt, statt um Sympathie zu werben. Ein Sportler, der seinen "Agenten" beschuldigt, das Visumformular, für das er haftet, falsch ausgefüllt zu haben. Ein Weltstar, der sich selbst in die Bredouille bringt, weil er auch noch die dümmsten Bemerkungen über die sozialen Netzwerke hinausbläst. Der sich nicht darum schert, ob er andere ansteckt. Und dann die Chuzpe besitzt, einem Volk, um dessen Gastfreundschaft er bat, in dessen dunkler Stunde zuzurufen, dass halt Fehler passierten, wenn Krisenstimmung herrsche. Djokovic wird noch lange und auf vielen Plätzen dieser Erde unter seinem Auftritt in Melbourne leiden."

"Süddeutsche Zeitung" (Deutschland): "Fest steht, dass sein Vermächtnis für immer die Episode dieser Tage wie ein Brandmal tragen wird. Seine kompromisslose Sturheit, an sich und seine Fähigkeiten zu glauben, hat Djokovic nach ganz oben befördert. Das Schicksalhafte ist, dass ihn diese Sturheit nun auch den Zutritt zu den Australian Open gekostet hat - und Unmengen an Sympathie, weltweit.

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