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„Cool-Down nach dem Training – und wenn ja, wie?“ mit Michael Scholz

Ein Trainer mit physiotherapeutischer Ausbildung oder ein Physiotherapeut mit Trainerausbildung? Das ist wie die Frage nach Henne und Ei, denn der frühere Bundesligaspieler und zweimalige Deutsche Meister Michael Scholz ist eine doppelte Kapazität; besitzt er doch die Ausbildung auf beiden Gebieten. Passend zu dieser Qualifikation gibt Scholz, der aktuell bei Schwarz-Weiß Wehe und der JSG LIT trainiert, im Interview Gedankenanstöße für den unteren und mittleren Leistungsbereich zum Thema „Cool-Down nach dem Training – und wenn ja, wie?“

Michael, ein Cool Down nach dem Training: Was ist deine Meinung?

Das fängt mit einer grundsätzlichen Frage an: Wenn ich ein Cool Down möchte und mache, wann habe ich die nächste körperliche Belastung, die nächste Trainingseinheit bzw. den nächsten Wettkampf? Wenn ich ein Cool Down nach einem intensiven Training ansetze und habe drei Tage später ein Trainingsspiel, mag es daher zunächst sinnvoll erscheinen, aber was macht der Spieler, wenn es sich nicht um einen Profi handelt, in der Regel am nächsten Tag?

Er arbeitet? 

Genau! Er sitzt acht Stunden am Schreibtisch im Büro oder steht in seinem Betrieb. Selbst, wenn du ein noch so effektives Cool Down gemacht und eine Muskelrelaxation – eine Spannungssenkung im Muskel – herbeigeführt hast, was bezweckst du mit diesem Cool Down? Die tägliche Arbeit führt das Cool Down am Vorabend in der Regel ad absurdum. Daher sollte sich jeder Trainer zunächst die Frage nach dem gewünschten Effekt stellen, wenn er ein Cool Down etablieren möchte.

Magst du das etwas erläutern? 

Im Amateurbereich arbeitest du mit einem Cool Down in erster Linie für den Kopf. Der Spieler trinkt ein Bier direkt nach dem Training oder holt sich auf dem Heimweg einen Döner – das unterstützt die körperliche Regeneration nicht und am Arbeitstag spielt es auch keine Rolle mehr. Dennoch kann sich ein Cool Down lohnen, weil der Spieler das Gefühl hat, seinem Körper etwas Gutes getan zu haben und vielleicht nur leichten statt harten Muskelkater zu haben. Es gibt bestimmt Athletiktrainer oder lizenzierte und bestens ausgebildete Trainer in der Regionalliga, die mehr wissen als ich und mir jetzt widersprechen. Das ist auch okay; jeder muss wissen, was für seine Mannschaft am Besten ist und wie du sie abholen kannst. Ich schaue in erster Linie darauf, wie meine Mannschaft tickt. Du brauchst eine gute Teamchemie und eine gute Stimmung, damit kannst du mehr erreichen als mit jeden wissenschaftlichen Ansätzen.

Wie meinst du das? 

Ich hatte mit einem Team früher 90 Minuten Training und habe 15 Minuten vorher und 15 Minuten nachher angesetzt, um die Trainingszeit zu verlängern. Da kam von der Mannschaft die Frage: Warum werden wir bestraft? Die Spieler kannten so etwas einfach nicht und haben es daher zunächst nicht angenommen. Du musst deine Mannschaft als Trainer mitnehmen und den Spielern heute – noch mehr als vor zehn Jahren – erklären, warum du diese oder jene Übung mit ihnen machst und warum etwas für sie gut ist.

Warum kann ein Cool Down denn gut – oder sinnvoll – sein? 

Die Trainingszeit auf diese Art und Weise zu verlängern, kann durchaus sinnvoll sein. Am Spieltag kommt man mit der Erwärmung und dem Spiel plus Halbzeitpause auf 1:45 Stunde. Wenn du ein Training nach 90 Minuten beendest, bist du zeitlich unter der Belastung des Spieltags, obwohl du dich ja eigentlich genau auf das Spiel vorbereiten willst. Ich wiederholt mich, aber die Grundsatzfrage aus meiner Sicht bleibt immer folgende: Was willst du als Trainer mit dem Cool Down erreichen?

Was wären denn aus deiner Sicht mögliche Ansätze? 

Aus meiner Sicht geht es immer darum, ein gutes Gefühl zu schaffen. Als Sportler brauchen wir ein gutes Gefühl und tun alles dafür – wir essen vor dem Spiel genug, wir essen immer das Gleiche vor dem Spiel oder wir hören immer ein bestimmtes Lied. Viele Spieler dehnen sich vor dem Spiel, obwohl das vom muskulären Standpunkt aus eine große Katastrophe ist. Ich ziehe den Muskel lang und sage ihm damit, dass er sich entspannen soll – und eine Minuten später gehe ich in den Sprint? Warum machen es viele Spieler dennoch? Weil sie es immer so gemacht haben und es ihnen ein gutes Gefühl gibt. Und das gute Gefühl können wir, wenn wir die Mannschaft mitnehmen, auch mit einem Cool Down erreichen.

Inwiefern? 

Wenn ich mich beispielsweise nach dem Training dehne, führt das einer Spannungssenkung. Um eine strukturelle Verlängerung im Muskel zu erzielen, müsste ich mich jedoch acht Stunden dehnen – das haben Studien herausgefunden. Das macht natürlich niemand. Messbar lässt sich eine erste strukturelle Veränderung erzielen, wenn man acht Minuten dehnt, aber selbst das macht niemand. Dennoch: Wenn es dem Spieler hilft, sich gut zu fühlen, weil er das Gefühl hat, etwas für seinen Körper zu tun und mit guter Laune ins Bett geht, kann man es dennoch einführen. Und vielleicht führt das Dehnen in einem kleinen prozentualen Umfang sogar zu einer Bewegungsverbesserung, weil dein Spieler sonst eben nur acht Stunden am Schreibtisch sitzt.

Was wären abseits des klassischen Dehnen mögliche Ideen für ein Cool Down? 

Ich habe in meinen Mannschaften gute Erfahrung damit gemacht, wenn man eine, nennen wir es mal „soziale halbe Stunde“ einführt. Es haut keiner direkt nach dem Training ab, sondern man setzt sich zusammen, trinkt und quatscht. Das ist vielleicht kein sportliches Cool Down, aber es sorgt für eine gute Gemeinschaft und eine gute Stimmung.

Die meisten Spiele gewinnst du im Amateurbereich nämlich nicht, weil du nur durchtrainierte Spieler hast, sondern weil du ein Team bist und der Geist in der Mannschaft stimmt. Daher lohnt sich das, auch wenn die zuckerhaltigen Getränke, die wahrscheinlich konsumiert werden, dem Körper muskulär natürlich nicht helfen. Aber wir reden hier immer noch von Amateursport und nicht von 1. bis 3. Liga. Daher überwiegt der positive Effekt aus meiner Sicht.

Was hältst du von Stabi- oder Athletiktraining als Abschluss? 

Ich halte das für sehr sinnvoll, wenn es einem gelingt, das so zu kommunizieren, dass eben nicht das Gefühl der Bestrafung aufkommt. Ich habe das selbst auch gemacht, weil es für mich super wichtig ist, dass eine Stabilität da ist, gerade im Rumpf. Wir machen daher kein Krafttraining mit Langhantel oder Gewichten, sondern ein „Gesundheitstraining“, bei dem wir maximal mit Eigengewicht arbeiten.

Und das klassische Austraben ohne Schuhe? 

Auch das halte ich für eine sehr sinnvolle Sache. Ich bin grundsätzlich bei ganz vielen Dingen dafür, das zu machen, wenn es das richtige für das jeweilige Team ist. Gute Trainer kennen und lesen ihre Mannschaft – und können daher genau sehen, was sie braucht. Wenn ich bei meiner jetzigen Mannschaft sagen würde, dass wir eine Stunde Fußball spielen, würden zwei nicht kommen, weil sie keinen Bock haben, zwei finden es richtig geil und der Rest will schon kicken, aber nicht so lange. Im vorherigen Verein hat das richtig gefetzt, für die Mannschaft war es das Richtige. Es gibt daher kein Non-Plus-Ultra, sondern Trainer müssen ihre Mannschaft kennen und lesen.

Sprich: Die ultimative Wahrheit oder das ultimative Rezept gibt es aus deiner Sicht nicht – auch nicht in Sachen Cool Down? 

Nein, aus meiner Sicht nicht. Jede Maßnahme muss der richtige Schritt für die Mannschaft sein; es muss zur Mannschaft passen. Bei der Jugend-Nationalmannschaft im Beachhandball gehören ein Cool Down und Austraben natürlich dazu, aber da bewegen wir uns im Hochleistungssport. Es gibt aber auch schon C-Jugendliche, die richtig Bock haben – und wenn du die mit einem zusätzlichen Cool Down nach der Trainingszeit abholen kannst, weil sie das Gefühl haben, dass es eben auch die Profis so machen und es dazugehört, hast du dein Ziel erreicht.

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