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«Es wäre der perfekte Abschied»

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Titelträger in fünf Ländern, Champions-League-Sieger und seit zwei Jahrzehnten fester Bestandteil der spanischen Nationalmannschaft: Bevor Joan Cañellas an den Olympischen Spielen 2024 ein letztes Mal auf der internationalen Bühne aufläuft, will er sein Palmarès mit seinem dritten Schweizer Meistertitel bei den Kadetten krönen. Im Interview blickt der 37-Jährige auf seine beachtliche Karriere zurück und erzählt, weshalb er und seine Familie vorerst in Schaffhausen bleiben.

Ein ganz Grosser verabschiedet sich im Sommer von der Handballbühne: In fünf Ländern hat Joan Cañellas die Meisterschaft gewonnen, lief für Mannschaften wie den FC Barcelona, Ciudad Real, den THW Kiel, Vardar Skopje sowie Pick Szeged auf, bevor er in den vergangenen drei Jahren das hiesige Publikum begeisterte. Mit den Kadetten Schaffhausen will der aus Santa Maria de Palautordera stammende Katalane seine Karriere im Playoff-Final gegen den HC Kriens-Luzern nun mit seinem dritten persönlichen Schweizer Meistertitel krönen.

Du darfst auf eine beachtliche, 20-jährige Karriere (2004-2024) als Profi zurückblicken, die im Sommer ein Ende nimmt. Wie geht es dir dabei?

Joan Cañellas: Es geht mir gut, obwohl ich weiss, dass bald ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Mein Vertrag bei den Kadetten endet im Juni, aber im Kopf habe ich dann noch die Olympischen Spiele. Deshalb bleibe ich wohl noch so ruhig. Hingegen in der Halbfinalserie gegen Pfadi war ich sehr nervös – weil ich wegen meiner Verletzung der Mannschaft nicht helfen konnte.

Von der Verletzung hast du dich aber mittlerweile erholt?

Cañellas: In den letzten Wochen konnte ich mich sehr gut auskurieren und werde im Final sicher spielen. Ärgerlich ist, dass die Verletzung in einem sehr ungünstigen Moment kam – im Viertelfinal gegen Thun bei einer Bewegung, in der ich mich über eine rote Karte beschwerte. Für mich ist sehr wichtig, dass ich meine letzten Spiele auf dem Feld und nicht auf der Bank erlebe und jeden Moment geniessen kann.

Sind es die gesundheitlichen Gründe, die dich zum Beenden deiner Karriere zwingen, oder was liegt hinter deinem Entscheid?

Cañellas: Obwohl ich sehr viele Jahre gespielt habe und mein Körper altert, weiss ich, dass ich noch ein paar Jahre Handball spielen kann. Vielleicht nicht auf dem Niveau und mit der grossen Belastung, die ich in den letzten drei Jahren hatte. Wenn ich 100% Leistung bringen soll, vertrage ich nicht mehr so viel Spielzeit. Die Gründe sind aber andere: Einerseits vermisse ich meine Familie und will mehr Zeit mit ihr verbringen. Anderseits ist die Motivation ein Thema – ich habe hier in der Schweiz alles gewonnen.

Gehen wir ganz zu deinen Anfängen zurück: Wolltest du immer Profi werden?

Cañellas: Ich habe mit sieben Jahren mit dem Handballspielen begonnen. Meine Eltern und deren Freunde investierten sehr viel, um mir das zu ermöglichen – sie bauten die Strukturen des Vereins in unserem Dorf so um, dass es eine Mannschaft für meinen Jahrgang gab. Profi zu werden, ist nie mein Ziel gewesen – das hat sich auf natürliche Weise so ergeben, ich bin den Weg Schritt für Schritt gegangen.

Deinen ersten Vertrag hast du nahe deiner Heimat bei Granollers unterschrieben (2004). Danach führte dich dein Weg unter anderem nach Barcelona, Kiel und zu Pick Szeged, wo du viele Jahre Champions League gespielt hast. Kannst du uns ein bisschen auf deine «Karrierereise» mitnehmen?

Cañellas: Als 12-Jähriger wechselte ich nach Granollers, um mehr Möglichkeiten zu haben. Dort trainierte ich viel mit den Älteren, spielte schon als 16-Jähriger teils in der ersten Mannschaft. 2004 unterschrieb ich meinen ersten Profivertrag – und ein Jahr später hatte ich plötzlich ein Angebot von Barcelona. In den drei Jahren bei Barcelona erhielt ich zwar kaum Spielzeit, doch es war ein sehr wichtiges Kapitel in meiner Karriere. Insbesondere körperlich konnte ich mich stark verbessern. Und ich merkte, wie unbedingt ich Handball spielen wollte und wie sehr ich diesen Sport liebte.

«In den drei Jahren bei Barcelona erhielt ich zwar kaum Spielzeit, doch es war ein sehr wichtiges Kapitel in meiner Karriere.»

Anschliessend bist du aber nochmals zurück nach Granollers.

Cañellas: Das war für mich ein Schritt zurück, um Anlauf zu holen und nach vorne zu kommen. Ich erhielt von Beginn an viel Vertrauen, spielte eine überragende Saison und gehörte zu den Topscorern der Liga.

Und es war quasi der Türöffner für deine weiteren Stationen.

Cañellas: Es war definitiv eine entscheidende Phase in meiner Karriere. Denn schon nach einem Jahr erhielt ich einen Anruf von Ciudad Real – und damit die Möglichkeit, für den damals besten Verein aufzulaufen. Plötzlich spielte ich das Final4 der Champions League, nachdem ich zwei Jahre zuvor bei Barcelona nur auf der Bank gesessen hatte. Extrem viel gelernt habe ich von meinen damaligen Trainern Talant Dujshebaev und Raúl González. Ohne sie wäre ich nie der Spieler, der ich heute bin. In den vier Jahren bei Ciudad Real wurde ich von einem unbekannten zu einem bekannten Handballer.

Sodass dich dein Weg nach Deutschland, in die stärkste Liga der Welt, führte.

Cañellas: Es war eine Herausforderung, in eine neue Liga zu wechseln, zudem war die finanzielle Situation beim HSV Hamburg sehr unsicher. Doch zu dieser Zeit erhielt ich immer mehr Spielminuten in der Nationalmannschaft, wodurch 2014 das Angebot vom THW Kiel kam. Das war eine unglaubliche Zeit, in dieser riesigen und immer ausverkauften Arena zu spielen. Jedoch fühlte ich mich als einziger Spanier im Team und das in solch einer kalten deutschen Stadt nicht richtig wohl. Mit der Geburt meiner ersten Tochter entschied ich mich deshalb wieder für mehr Lebensqualität. Bei Vardar Skopje hatte ich sowohl einen spanischen Trainer als auch spanische Kollegen. Und es war auch sonst der absolut richtige Entscheid: 2017 errangen wir das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.

Trotzdem bist du weitergezogen – über Ungarn in die Schweiz.

Cañellas: Ich entschied grundsätzlich immer aus sportlichen und nie aus finanziellen Gründen, aber in Skopje wurden teils Löhne nicht bezahlt. Mit dem Wechsel zu Pick Szeged konnte ich drei weitere Jahre auf Top-Niveau in einer tollen Atmosphäre spielen, weiterhin unter einem spanischen Trainer. Ab Sommer 2021 galt es dann, einen Ort zu finden, an dem ich meine Karriere fortführen kann und der zugleich meiner Familie das bestmögliche Umfeld bietet, damit auch meine Frau weiter in ihre berufliche Karriere investierten kann. Zudem suchte ich einen Verein, der in einer starken Liga oder in einem europäischen Wettbewerb spielt.

Bei den Kadetten hast du mit deiner Erfahrung die Rolle des «Routiniers» eingenommen, von dem die Mannschaft in vielen Hinsichten profitieren konnte. Was nimmst du aus deiner Zeit in Schaffhausen mit?

Cañellas: Hier in Schaffhausen hatte ich von Anfang an eine Rolle, in der ich mich sehr wohlfühlte und die mir viel Spass machte. Ich arbeitete mit vielen jungen Spielern, mit denen ich meine Erfahrungen aus meinen Vereinen teilte –  in Bezug aufs Training, aber auch die gesamte Professionalität.

Schon mit «Adli» (Aðalsteinn Eyjólfsson) verstand ich mich sehr gut, wir tauschten uns viel über Technik und Taktik aus. Es tat mir gut, dass er mir diese Möglichkeit gab und auf meine Meinung zählte. Kleinigkeiten wie diese haben mir von Anfang an gezeigt, dass mir ein grosser Respekt entgegengebracht wird. Hier in Schaffhausen lebt man im Verein wie in einer grossen Familie – und in diese Familie wurde ich vom ersten Tag an aufgenommen. Auch das Leben ausserhalb der Halle ist für mich und meine Familie perfekt – es fiel uns leicht, uns zu integrieren, weshalb wir letztes Jahr auch eine Wohnung gekauft haben.

«Auch das Leben ausserhalb der Halle ist für mich und meine Familie perfekt.»

2008 liefst du erstmals für die Nationalmannschaft auf und durftest unter anderem zwei Europa- und einen Weltmeistertitel feiern. Du sagst es immer wieder: Im Nationaldress aufzulaufen ist etwas ganz Besonderes.

Cañellas: Während ich den Verein meist nach etwa drei Jahren gewechselt habe, spielte ich meine ganze Karriere in der Nationalmannschaft. Mit vielen meiner Kollegen spiele ich seit zehn Jahren zusammen. Das ist etwas Besonderes – und hat mich bis heute motiviert, mein Top-Niveau zu halten.

Dein Wunsch ist es nun, dich in Paris 2024 von der internationalen Bühne zu verabschieden. Welche Bedeutung hat dieses Turnier für dich?

Cañellas: In den letzten drei Jahren wurde mir immer mehr bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, an einer EM oder WM zu spielen – auch wenn es für mich zwischenzeitlich zur Routine wurde. Ich wusste nie, wann mein letzter Einsatz im Nationaldress vor der Tür steht, und habe über 16 Jahre unter höchster Belastung mit Liga und Champions League stets dafür gekämpft, mein Niveau zu halten. Die Olympischen Spiele wären für mich der perfekte Abschied. Zudem sind sie das einzige Turnier, an dem ich noch keine Medaille gewonnen habe.

Kannst du uns schon etwas zu deinen Plänen nach deiner Spielerkarriere verraten?

Cañellas: Mein Plan ist es, hier in der Schweiz zu bleiben. Meine Frau hat einen sehr guten Job gefunden, sie soll ihre Karriere verfolgen und unsere Töchter fühlen sich wohl. Ich hoffe ich finde einen guten Job, der nichts mit Handball zu tun hat. Ich habe neben meiner Sportkarriere ein Pharmazie-Studium begonnen, einen Bachelor in Marketing gemacht und mache in dieser Richtung noch einen MBA. Zwar bringe ich null Erfahrung für das Arbeiten in einer Firma mit, jedoch habe ich die Erfahrung als Handballer und Sportsmann. Ich bin sehr motiviert, etwas zu finden, das ich liebe. Und irgendwann werden wir sicher nach Spanien zurückgehen.

Nun liegt der Fokus auf der Playoff-Finalserie gegen den HC Kriens-Luzern. Wie blickst du der Begegnung entgegen?

Cañellas: Ich erwarte eine schwierige und umkämpfte Finalserie. Die Pause nach dem Halbfinal hat uns gutgetan, um uns auf den Gegner vorzubereiten. Kriens hat eine Mannschaft mit einem guten Mix aus erfahrenen und jungen Leuten. Im Angriff läuft bei ihnen viel über den Kreis.

Was braucht es von euch als Mannschaft, um den Titel zu verteidigen?

Cañellas: Im Finale stehen zwei Teams, die Meister werden wollen – Kriens will sich für letzte Saison revanchieren. Es wird eine Serie sein, in der Kleinigkeiten entscheiden. Wie gegen Pfadi müssen wir zuhause gut sein und mit einem ersten Sieg am Montag vorlegen. Ich bin überzeugt davon, dass wir in entscheidenden Momenten besser agieren werden als im Viertel- oder Halbfinal. Die Abwehr ist unser Schlüssel zum Erfolg.

Quelle: Kadetten Medienstelle, Lara Gansser

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