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Borussias Zwischenzeugnisse – Die Gewinner

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Das Leben ist eine Achterbahnfahrt. Kaum jemand wird diese Redewendung so gut nachvollziehen können wie die Fans von Borussia Mönchengladbach. Wer die vereinsimmanente Leidensfähigkeit ertragen lernt, wird dafür mit Erfahrungen belohnt, die einen fürs gesamte Leben widerstandsfähiger werden lassen. Sympathisanten von Bayern München werden aller Voraussicht nach niemals solche Emotionen erleben dürfen, die ein Borusse in jeder Saison durchleiden muss. Sie werden nie verstehen, dass es echte Freude nur für denjenigen geben kann, der zuvor auch den Schmerz kennengelernt hat.

Und Schmerz gab es bei Borussia 2025 mehr als genug. Ende März dieses Jahres befand sich die Fohlenelf sieben Spieltage vor Saisonende auf dem fünften Tabellenplatz. Europa schien in greifbarer Nähe und selbst das Erreichen der Champions League nicht mehr unmöglich. Es folgte ein beispielloser Saisonendspurt mit sieben sieglosen Partien und der Absturz auf Rang 10. Diese Form rettete Borussia über den Sommer und startete ähnlich „stark“ in die neue Spielzeit. Nach drei Punkten aus den ersten acht Spielen betrug der Rückstand auf den ersten Nicht-Abstiegsplatz bereits vier Punkte. Ein halbes Jahr nach den (geplatzten) Träumen von Europa schien der dritte Abstieg der Vereinsgeschichte bevorzustehen.

Unter Neu-Trainer Eugen Polanski gelang dann die zweite Wende des Jahres: 13 Punkte aus fünf Partien später hatte sich Borussia auf den 10. Tabellenplatz zurückgekämpft, ehe zwei Niederlagen zum Jahresende wieder den Turbo in die andere Richtung anschmissen.

Dieses stetige Auf und Ab prägt die Einschätzungen der bisherigen Saisonleistung, die auch bei den einzelnen Borussen-Spielern durch starke Inkonstanz geprägt war. Zur (bisherigen) Hinrunde gehören gleichermaßen die Enttäuschungen gegen Bremen, Frankfurt oder St. Pauli (Pokal) wie die starken Auftritte gegen Köln, Heidenheim oder St. Pauli (Liga). Im Durchschnitt ist die Saison bislang genau das: Durchschnitt.  Welche Borussen nach unserer Einschätzung zu den Gewinnern der letzten Jahreshälfte gehörten, klären wir in Teil 1 unserer Zwischenzeugnisse.

 

Der größte Gewinner

Als Haris Tabakovic (Note: 2,0) kurz vor Saisonbeginn verpflichtet wurde, kam er mit der Empfehlung von lediglich drei Bundesligatoren. In Hoffenheim gab es für ihn keine Verwendung mehr und man war froh, ihn immerhin von der Gehaltsliste zu streichen.  Die ersten Partien im Borussen-Dress verstärkten den Eindruck, dass der Bosnier eher ein gleichwertiger Ersatz für Tomas Cvancara als für Tim Kleindienst sein würde. Nach drei Spieltagen schien die Leihe bereits zum Scheitern verurteilt. Welch großer Irrtum!

Die Wende kam mit dem Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit von Leverkusen. Acht weitere Treffer folgten in den folgenden dreizehn Partien. Im Durchschnitt traf Tabakovic in jedem zweiten Spiel und übertraf mit seiner Quote sogar noch die Vorjahresbilanz von Kleindienst. Damit hat der in der Schweiz geborene Stürmer maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Borussia aus der noch im Oktober aussichtslos erscheinenden Situation befreien konnte. Anders ausgedrückt: Hätte Tabakovic in Gladbach an seine Hoffenheimer Form angeknüpft, würde die Mannschaft vermutlich noch immer auf einem der drei Abstiegsränge feststecken.

Für 2026 stellen sich zwei spannende Fragen: Kann Polanski ein System finden, mit dem Tabakovic an der Seite von Kleindienst glänzt? Kann Schröder einen Weg finden, den Bosnier über die Saison hinaus im Borussia-Park zu halten? Bis dahin wird er 32 Jahre alt sein und später keinen Wiederverkaufswert erwarten lassen. Kostenlos wird Hoffenheim einen der derzeit besten Stürmer der Liga dennoch nicht ziehen lassen. 

 

Der Unverzichtbare

Der Ausfall des Offensivtrios Kleindienst, Hack und Honorat war einer der Gründe für Borussias Fehlstart. Zusammen mit den abgewanderten Plea und Itakura standen der Mannschaft ihre fünf besten Torschützen der Vorsaison nicht zur Verfügung, die insgesamt für 72 % der Treffer (41 von 57) und 69 % der Vorlagen (35 von 51) verantwortlich waren. Aufgefangen wurde dies zum Teil von Tabakovic. Der Bosnier benötigt allerdings Vorlagen, für die bei Borussia seit zweieinhalb Jahren besonders einer steht. 28mal legte Franck Honorat (Note 2,0) in dieser Zeit einen Treffer auf. Bei seinen 12 Einsätzen dieser Spielzeit waren es bereits sechs Assists. Vier davon verwandelte Tabakovic, sodass von diesem Gespann auch für die Rückrunde einiges zu erwarten sein wird. Bitter für Borussia, dass Honorat zweimal für drei Partien verletzungsbedingt ausgefallen ist. Mit ihm in der Startelf holte Borussia in dieser Saison durchschnittlich 1,38 Punkte. Ohne ihn waren es 0,71. Kein anderer Borusse mit mehr als 50 Minuten Spielzeit kann eine bessere Erfolgsbilanz vorweisen. Bleibt der Franzose im weiteren Saisonverlauf verletzungsfrei, wäre dies so etwas wie eine Lebensversicherung für Borussia, um dem Abstiegskampf fernzubleiben.

 

Der Comebacker

Spoiler: Dieser Abschnitt wird vermutlich der erste Medienbericht über Florian Neuhaus (Note 2,5) in dieser Saison sein, der ohne die Aufzählung einer bestimmten Nummernfolge auskommt. Nach seinem öffentlichkeitswirksamen Mallorca-Urlaub in der Sommerpause gab es nicht wenige, die vom Verein eine sofortige Entlassung erwartet haben. Borussia beließ es dabei, Florian Neuhaus eine Geldstrafe aufzuerlegen und ihn für einen Monat in die zweite Mannschaft zu degradieren. Eine Strafe, die sich letztendlich als Segen erweisen sollte. Dort bekam der Ex-Löwe Gelegenheit, sich Eugen Polanski zu präsentieren. Als dieser gegen Bayer Leverkusen sein Debüt als Profitrainer gab, wurde Neuhaus kurz nach dem 0:1-Rückstand eingewechselt. Eine Woche später lag Borussia bei seiner Einwechselung in Minute 38 bereits mit 0:3 gegen Eintracht Frankfurt zurück. In beiden Spielen trug der ehemalige Düsseldorfer zu einer spürbaren Verbesserung der Mannschaftsleistung bei, sodass er sich eine Woche später gegen den SC Freiburg erstmals in der Startelf wiederfand. Mit Ausnahme des Spiels bei Union Berlin, wo er mit der restlichen Mannschaft unterging, wurde Neuhaus in der Folge ein wichtiger Faktor für den Aufschwung. Da seine Konkurrenten, Kevin Stöger und Gio Reyna, kontant schwächelten, wurde er im zentralen Mittelfeld beinahe unersetzlich. Allerdings zeigt die Entwicklung von Neuhaus in dieser Saison, wie schnelllebig der Fußball sein kann. Genau wie es für ihn überraschend nach oben gegangen ist, kann es auch ganz schnell wieder bergab gehen.

Der Hoffnungsträger

Der gefährlichste Konkurrent für Neuhaus heißt aktuell weder Giovanni Reyna noch Kevin Stöger. Während diese etablierten Spieler im bisherigen Saisonverlauf kaum (positive) Impulse setzen konnten, sorgte ein 16jähriger bei seinen Einwechselungen regelmäßig für Belebung und deutete sein großes Talent an. Exemplarisch sei an den Jahresabschluss in Dortmund erinnert, wo Wael Mohya (ohne Note) 10 Sekunden benötigte, um mehr Gefahr auszustrahlen als Reyna im gesamten Spiel zuvor. Doch Vorsicht: Bislang hat der U18-Nationalspieler gerade einmal rund 60 Minuten im Profifußball mitwirken dürfen. Es gibt genügend Beispiele von Talenten, die mit ihrer Unbekümmertheit bei Kurzeinsätzen einen starken Eindruck hinterließen und sich dennoch später nicht durchsetzen konnten. Bisher ist Mohya nicht mehr als eine große Hoffnung auf die Zukunft. Zu hohe und schnelle Erwartungen könnten seiner Entwicklung sogar schaden. Von daher tut Polanski gut daran, ihn nicht zu verheizen, sondern mit kürzeren Einsätzen aufzubauen, die aber im Laufe der Rückrunde gerne zunehmend an Länge gewinnen dürfen.

 

Die Verstärkungen

Bewertet man Ex-Sportchef Roland Virkus einzig an seinen vollzogenen Transfers, so fällt die Bilanz gar nicht so negativ aus. Verheerend wurde sein Wirken erst durch die Transfers, die er unterlassen hat und durch die daraus folgende Kaderzusammenstellung. Von den sechs Transfers in diesem Sommer können vier bislang als gelungen betrachtet werden.

Zu Beginn der Saison stellte sich noch die Frage, wie sich Jens Castrop (Note 3,5) im defensiven Mittelfeld gegen die dort starke Konkurrenz würde durchsetzen sollen. Diese Frage beantwortete Eugen Polanski, indem er ihn zunächst auf die linke und später auf die rechte Außenbahn beorderte. Damit verdiente sich Castrop nicht nur einen Platz in der Stammelf von Borussia, sondern auch seine ersten Berufungen für die südkoreanische Nationalelf. Seine insgesamt ordentliche Saisonleistung wurde allerdings geschmälert durch seine frühe Rote Karte gegen Bayern München.

Noch wichtiger als Castrop wurde im Saisonverlauf Kevin Diks (Note 3,0). Ein solider Verteidiger, der treffsicher seine Elfmeter verwandelt. Nostalgiker werden versucht sein, den indonesischen Neuzugang in Kevin Daems umzutaufen. Seit dem zweiten Spieltag hat dieser seinen Stammplatz sicher. Dank der Umstellungen von Polanski wurde er später Teil der deutlich verbesserten Defensive. Eine bessere Note wird nur dadurch verhindert, dass Diks auch Bestandteil der Defensive war, die in einigen Partien vogelwild agierte.

Gleiches gilt für Yannik Engelhardt (Note 3,0). Der Ex-Düsseldorfer nimmt die Rolle eines „echten“, primär defensiv denkenden Sechsers ein, die Borussia zuvor sehr gefehlt hat. Er ergänzt sich ordentlich mit dem offensiv stärkeren Rocco Reitz. Da auch Sander, Castrop oder evtl. gar Neuhaus auf dieser Position eingesetzt werden können, muss sich Borussia auf der 6 derzeit die geringsten Sorgen machen. Bis auf eine: Engelhardts Leihvertrag läuft zum Saisonende aus. Mit Blick auf die bisherigen Saisonleistungen wäre es sehr zu begrüßen, wenn ihn Rouven Schröder für einen überschaubaren Betrag aus Como loseisen könnte.

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