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Gute Arbeit, später Lohn

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Erlösung. Das ist wohl das treffende Wort für das, was die Mehrzahl der Borussen-Fans in der 92. Minute des Spiels in Leverkusen empfanden. Im vierten Spiel das erste Tor der Saison, der sehr späte Ausgleich und gleichzeitig der verdiente Lohn für ein aufopferungsvoll kämpfendes Team.

Das 1:1 in Leverkusen bringt nur einen Punkt, aber er nimmt Borussia das Gefühl, dass gar nichts geht. Bis dahin hatte es so ausgesehen, als ende dieser Septemberabend „borussisch“. Ein sehr ordentliches Spiel gegen eine auf dem Papier deutlich stärkere Mannschaft, in dem die Gladbacher sich einige Chancen erarbeiten oder erspielen, aber erneut glücklos bleiben. Ein einziger Moment der Verwirrung in der Defensive wird sofort bestraft und so geht es dann aus. Aber dann trifft Tabakovic und Mannschaft und Fans feiern dieses Tor, diesen Punkt, wie den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Erlösung halt.

Angesichts der Kraftverhältnisse und des letzten Auftritts der Borussia im letzten Spiel unter Gerardo Seoane ist der Punkt in Leverkusen unabhängig von Spielverlauf und -gestaltung ein Erfolg. Borussia zeigte ein bislang eher ungewohntes Gesicht. Eine Einheit, engagiert, mutig und bis zum Schluss an seine Chance glaubend. Versagen wir uns aber an dieser Stelle aller küchenpsychologischen Orakelei und schauen wir, was der amtierende Cheftrainer Eugen Polanski verändert hat.

Zunächst: Polanski hat recht genau angekündigt, was er vorhat – und das hat die Mannschaft exakt umgesetzt. Mehr Leidenschaft und Aggressivität, frühes Anlaufen, konzentriertes Verteidigen. Kein Hexenwerk, keine revolutionäre Fußballidee, aber – viel wichtiger – eine Mannschaft, die schlicht und einfach umsetzt, was der Trainer ihr sagt. Der das der Mannschaft offenbar in Inhalt und Form verständlich rübergebracht hat. Polanskis Analyse, wonach er im Team kein grundsätzliches Problem sieht, ist zunächst einmal bestätigt.

Um sein Ziel zu erreichen, hat der Vielleichtnurinterimscoach taktisch ein paar entscheidende Dinge verändert: Umstellung auf eine Dreier-/Fünferabwehr und auch im defensiven Mittelfeld die Entscheidung für die defensive Variante mit Yannik Engelhardt neben Rocco Reitz anstelle des eher kreativen, gegen Bremen aber neben sich stehenden Philipp Sander. Letzteres erwies sich als Glücksgriff. Das Zentrum war dicht. Engelhardt scheint genau der Sechser zu sein, der Borussia so lange gefehlt hat. Zumindest war er das in Leverkusen: Er räumt auf, läuft Wege zu und erobert Bälle wie Christoph Kramer in seinen besten Zeiten (also vor 2015).

Ob Joe Scally aus der Not heraus die rechte Position in der Fünferkette spielte oder ob er nur wegen der Verletzung von Franck Honorat ins Team rutschte, wissen wir nicht. Was wir wissen: Diese Position passt sehr gut zu Scally. Häufiger als sonst sah man ihn vorne, er hatte die zwei wohl besten Chancen, bei denen er im Prinzip alles richtig machte und man ihm allenfalls fehlende Abgezocktheit vor dem Tor attestieren muss.

Definitiv aus der Not heraus geboren war das Startelfdebut von Jens Castrop. Der angeblich als Rechtsverteidiger-Backup denkbare Neuzugang agierte anstelle des verletzten Robin Hack offensiv und eher über links kommend. Und das machte er sehr ordentlich, war oft anspielbar, versuchte zu kombinieren und schickte Scally einmal sehenswert mit einem Steilpass, wie wir ihn in dieser Saison noch nicht gesehen haben. Höhepunkt das vermeintliche 1:0 für Borussia, als Castrop einen Steilpass von Reitz annahm und ohne zu fackeln ins Tor drosch. Der Ex-Nürnberger stand vor der Ballannahme allerdings ein paar Zentimeter im Abseits, dennoch: Diese Zielstrebigkeit fehlte und fehlt dem Borussen-Spiel ansonsten.

Ein Beispiel für weiterhin fehlende Zielstrebigkeit: Kevin Stöger. Im Mittelfeld mit allen Freiheiten ausgestattet, rackerte der Österreicher unermüdlich, versuchte das Spiel anzukurbeln und Dinge zu initiieren. Aber Stöger bleibt Stöger: Er will augenscheinlich immer mehr, als er kann. Das einfache Spiel ist seine Sache nicht und seine Abschlüsse sind harmlos. Unter dem Strich lohnt der Ertrag den immensen Aufwand nicht, den er treibt.

Von den geschilderten Personalien abgesehen war es ganz offensichtlich die Einstellung, die völlig anders war, als wir das unter Gerardo Seoane jemals gesehen haben. Und hier hört dann auch der Lobpreis auf und wir haben Fragen. Nicht die nach dem „warum“, die können die Spieler nur selbst beantworten. Vielmehr stellt sich die Frage, ob diese Veränderung nachhaltig ist, ob sie nachhaltig sein kann. Dass sich plötzlich jeder am Riemen reißt, sich bis zur Selbstaufgabe in den Dienst der Sache stellt, über die eigenen Grenzen geht, das ist der typische Neue-Besen-Effekt. Eugen Polanski hat es geschafft, für diesen einen Abend einen neuen Mannschaftsgeist zu wecken. Aber wie schnell schläft der wieder ein? Das Phänomen, das sich bei Borussia im Prinzip seit dem Tag, an dem Marco Rose sein Bekenntnis zum Verein kassierte, durchzieht, ist eine gewisse Lethargie, Bequemlichkeit, Selbstzufriedenheit. Egal, wer spielt, am Ende herrscht ein Geist der Nivellierung auf mäßigstem Niveau. Erst wenn ein Trainer es schafft, diesen Geist dauerhaft zu vertreiben, können wir von einem Aufbruch sprechen. Nach einem Spiel ist es unmöglich, zu prognostizieren, ob und wie das funktionieren kann. Die Intensität, Aggressivität, den Willen und den Glauben lebendig zu halten, das wird die entscheidende Aufgabe von Eugen Polanski oder seinem Nachfolger sein.

Umso wichtiger, dass die gute Arbeit, die die Mannschaft in Leverkusen 95 Minuten lang geleistet hat, belohnt wurde. Der Glaube an sich selbst, die erfreuliche Reaktion auf den Rückstand, mündete in einem Moment der Erlösung. Womöglich hilft dieses später Tor dabei, die von Polanski geweckten Tugenden zumindest eine Zeitlang auch wach zu halten.

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