Bundesliga-Check 2025/26: Bayern, Leipzig & St. Pauli
FC St. Pauli:
Ohne Frage, der FC St. Pauli war die positive Überraschung der Vorsaison. Ohnehin einer der beliebtesten Klubs in Deutschland (Fans von Hansa Rostock und des HSV werden widersprechen), schlug sich der Aufsteiger mehr als beachtlich. Trainer Alexander Blessin hat der Mannschaft das Verteidigen beigebracht, denn obwohl bis zum Schluss im Abstiegskampf verwickelt, stellte Pauli die zweitbeste (!) Abwehr der Liga. Und das auf Rang 14. Bemerkenswert. Vielleicht sollte Gerardo Seoane mal ein Praktikum am Millerntor anfragen. Auf der Gegenseite wurde, natürlich, diese Defensivstärke mit der schwächsten Offensive erkauft, lediglich 28 Tore standen zu Buche, so wenig wie kein anderes Team der Vorsaison. Lediglich zehn eigene Tore in 17 Heimspielen klingen wie die Bilanz eines Absteigers, wenn, ja wenn nicht diese überragende Abwehrarbeit geleistet worden wäre.
Die Hamburger, die sich natürlich diese Saison auf die beiden Derbys gegen den HSV freuen, konnten im Sommer keine namhaften, aber gleichwohl viele Transfers tätigen – sowohl bei den Zu- als auch bei den Abgängen: Mittelstürmer Andreas Hountondji (22) kommt für ein Jahr auf Leihbasis vom Premier-League-Klub FC Burnley, Joel Chima Fujita (23) wurde aus Belgien von VV St. Truiden. Mathias Pereira Lage (28) wechselt von Stade Brest in die Hansestadt und wird somit auf seinen ehemaligen Brest-Mannschaftskollegen Franck Honorat im Gladbacher Trikot treffen. Vom Pokalfinalisten aus Bielefeld kommt Louis Oppie (22), Ricky-Jade Jones (22) wurde gar vom englischen Drittligisten Peterborough United verpflichtet. Ein Klub, der so klingt wie einer dieser random Vereine, mit denen man seine Karriere im Fußball-Manager auf dem PC gerne startet.
Auf der Abgangsseite steht in Johannes Eggestein ein auch in Gladbach bekannter Name. Der 27-Jährige wechselt nach Wien zur dortigen Austria. Elias Saad (FC Augsburg), Philipp Treu (SC Freiburg) sowie Carlo Boukhalfa (FC St. Gallen) werden ebenso nicht mehr das bekannte braune Trikot des FC St. Pauli tragen. Schwerwiegend dürfte der Abgang von Morgan Guilavogui sein, der Stürmer erzielte sechs Tore und war damit der beste Schütze in der Vorsaison. Im Sommer 2024 auf Leihbasis vom RC Lens geholt, zog Pauli diesen Sommer die vereinbarte Kaufoption. Dummerweise sah der Vertrag aber ebenso eine Rückkaufoption für Lens vor, so dass Guilavogui nun wieder in Frankreich auf Torejagd gehen wird. Mit Saad, Boukhalfa, Eggestein und eben diesem Guilavogui verliert Pauli 50% seiner Tore aus der Saison 2024/25. Bitter.
Prognose: Die überragende Abwehrarbeit gepaart mit der so bekannten Unbekümmertheit eines Aufsteigers haben dem FC St. Pauli ein weiteres Jahr in der Bundesliga beschert. Das zweite Jahr ist wie üblich das deutlich schwierige und ob Trainer Blessin noch einmal so einen Kraftakt in der Defensivqualität hinbekommt, ist fraglich. Die Liga ist zudem durch die Aufstiege vom Lokalrivalen Hamburger SV sowie des 1. FC Köln schwieriger geworden. Es gilt, viele neue Spieler einzubauen, ein größerer Umbau steht an. Am Ende wird es für Pauli daher nicht mehr reichen, der Abstieg ist das realistischste Szenario.
RB Leipzig:
Es fällt mir nach wie vor schwer, die Marketingtruppe des Red-Bull-Konzerns seriös und sachlich zu bewerten wie andere Klubs in der Liga. Denn RB ist weiterhin kein Klub, sondern eine Werbemaßnahme, vollgepumpt mit Konzerngeldern und damit außerhalb jeder sachlichen Bewertung. Man kann, nein, muss es immer wieder betonen (ja, das gilt auch für Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim).
Die spannendste Personalie dürfte der neue Trainer sein. Ole Werner, vorher als das beständige wie sympathische Gesicht des SV Werder Bremen bekannt, erliegt dem Geld und wirft seine Prinzipien ebenso über Bord wie viele vor ihm. Noch bevor Leipzig das internationale Geschäft wider eigenen Erwartungen und zur Freude vieler auch offiziell verpasst hatte, musste Marco Rose gehen, auch Interimstrainer Zsolt Löw konnte das Ruder nicht mehr herumreißen. Es wird interessant zu sehen sein, wie der bodenständige Werner den Wechsel vom familiären (und Borussia damit nicht unüblichen) Bremen in den globalen RB-Kosmos bewältigt. Vor allem, da jetzt die deutsche Werbeikone und der als ehemaliger Fußballtrainer bekannte Jürgen Klopp als Head of irgendwas die Geschicke im weltweit vernetzten Red-Bull-Universum lenken soll.
Der Wechsel von Klopp zu Red Bull hat vergangene Saison viele sogenannte Fußball-Romantiker schwer getroffen, aber warum eigentlich? Es gibt sehr wenige Menschen im deutschen Fußball, die so konsequent und ohne Unterlass die eigene Marke (sic!) aufgebaut haben wie Klopp. Es ist mir ein absolutes Rätsel, warum man ihm immer diese bodenständige und vermeintlich „authentische“ Art abgekauft hat. Gibt es noch Marken in Deutschland, die Klopp mit seinen gemachten Zähnen und künstlich erneuertem Haupthaar noch nicht beworben hat? Da scheint ein Wechsel zu RB nur als der logischste aller Schritte. Match made in Fuschl.
Wir schweifen ab, bleiben allerdings beim Geld: Für unfassbare (bis zu) 90 Millionen Euro wechselt Stürmer Benjamin Sesko zu Manchester United und bringt dem Verein viel frisches Geld, das er faktisch sowieso nahezu grenzenlos hat. Man fragt sich, was ein Tim Kleindienst wohl gebracht hätte, wäre er in England auf den Markt geworfen worden. Sesko war ein solider Bundesligastürmer, aber 90 Millionen? Verlassen hat Leipzig nach zwölf Jahren zudem der ewige Yussuf Poulsen, den Gladbacher Fans am 1. Spieltag im HSV-Trikot sehen werden.
Auf der Zugangsseite stehen typische RB-Transfers: Talente aus ganz Europa nach Leipzig holen, die vorher wahrscheinlich nur Insider oder Scouts kannten, um sie dann fürs Drei- oder Vierfache weiterzuverkaufen. Ezechiel Banzuzi (20) wurde vom belgischen Klub OH Leuven geholt, Johan Bakayoko (22) kommt von der PSV Eindhoven, Andrija Maksimovic (18) von Roter Stern Belgrad und Yan Diomande (18) vom spanischen Erstligisten CD Leganes. Vom 1.FC Köln wechselt Max Finkgräfe (21). Zurück ist auch Timo Werner, der mehr schlecht als recht bei Tottenham auf Leihbasis spielte. Der ehemalige Nationalspieler wird derzeit aber wie warmes Red Bull auf dem Markt angeboten und soll gehen. Komm‘ bloß nicht auf dumme Ideen, Rollo!
Prognose: Der Kader wird Leipzig irgendwo zwischen Platz 5 – 9 spülen. Der gesamten Liga soll jedoch einmal mehr der Auftrag mitgegeben werden, Leipzig erneut aus den internationalen Wettbewerben zu halten und auch keinen DFB-Pokalerfolg zu ermöglichen. Jedes Jahr ohne Erfolg nährt die Hoffnung, dass man in Österreich irgendwann den Stecker zieht, wenn sich die Werbemaßnahme Fußball nicht mehr lohnt.
FC Bayern München:
Womit wir beim Unweigerlichen wären, dem aktuellen und wie immer als Favorit geltenden kommenden Deutschen Meister aus München. Nach dem Ausrutscher in der Vor-Vor-Saison und der Fabelsaison von Bayer Leverkusen rückten die Münchner vergangene Saison wieder alles zurecht. Aber nur mal zur Einordnung: Die 72 Punkte, die die Bayern selbst in Leverkusens Meistersaison geholt haben, hätten in zehn (!) der vergangenen 13 Spielzeiten zum Titel gereicht. Es braucht also eine nahezu fehlerfreie Saison einer der restlichen 17 Mannschaften, um dem Land und der Liga eine weitere gelangweilte Weißbier-Dusche-und-müder-Applaus-auf-dem-Rathausbalkon-Saison zu ersparen.
Die nationale Liga ist für den FCB ohnehin nur lästiges Beiwerk. Im internationalen Geldadel zählt einzig die Champions League bei der Jagd nach dem letzten noch nicht vermarkteten Euro irgendwo auf der Welt. Oder die jüngste groteske Absurdität der FIFA, der sogenannten Klub-WM. Sportlich eine Katastrophe, aber sie hat zumindest weitere 58 Millionen Euro in die Vereinskassen gespült. Gut, Jamal Musiala hat sich schwer verletzt, aber was zählt schon die Gesundheit eines wichtigen Spielers, wenn es weiteres Geld zu verdienen gibt? Julian Nagelsmann has left the chat.
Trainer Vincent Kompany, vor Beginn der Vorsaison noch als D-Lösung präsentiert, schlägt sich wacker. Die Meisterschaft wird als gegeben hingenommen, also wird der Belgier spätestens zum Ende dieser Saison nur dann im Amt bleiben, wenn mindestens ein Halbfinale in der Champions League dabei herausspringt. Kompany ist ein sympathischer Kerl, aber ihm fehlt das Charisma oder gar die Aura eines Pep Guardiola, Carlo Ancelotti oder Jupp Heynckes.
Der Münchner Transfersommer war vor allem von Abgängen geprägt: Vereinsikone Thomas Müller verdient sich nun noch ein paar US-Dollar in der Kirmesliga MLS (Vancouver), Leroy Sané verdient ein paar mehr Dollar oder Lira in der Türkei (Galatasary), Matthys Tel & Joao Palhinha ein paar Pfund in England (Tottenham). Kingsley Coman sowie Abwehrspieler Kim dürfen bei entsprechenden Angeboten wohl auch noch gehen, Matthijs de Ligt wurde schon Ende der Saison Richtung Manchester United verabschiedet. Es ist bemerkenswert, wie freiwillig sich der Klub von vielen gestandenen Abwehrspielern verabschiedet. Einzig auf Tah und Upamecano in der Innenverteidigung zu setzen, erscheint vor dem Hintergrund der Dreifachbelastung riskant. Zumal im Tor der inzwischen 39-jährige Manuel Neuer steht (ja, immer noch), der a) ziemlich sicher wieder verletzt ausfallen und b) sowieso seit Jahren nur noch Bundesliga-Mittelmaß ist.
Auf der Zugangsseite gibt es neben dem Talent Tom Bishof (Hoffenheim) nur Luis Diaz (FC Liverpool) zu bestaunen. Nachdem Liverpool mit wiederum seinem Fantasiegeld aus amerikanischem Investor und Fantastilliarden aus TV-Vermarktung und Champions League halb Europa leergekauft hatte, mussten wohl auch ein paar Einnahmen generiert werden. Also wechselte der Flügelstürmer gen München. Am VfB Stuttgart beißen sich die Münchner wohl die Zähne aus, so dass Nationalspieler Nick Woltemade weiter am Neckar und nicht an der Isar spielen wird. Immerhin haben die Münchner zwei Talente hochgezogen: Lennard Karl (17) und Wisdom Mike (16), Gladbach-Fans vielleicht noch aus dem Halbfinale der U17-Meisterschaftsrunde bekannt, rücken in den Profikader auf.
Prognose: Wenn Musiala zurückkehrt, ist die Offensive mit eben diesem Musiala, Harry Kane, Diaz und Michael Olise schon internationale Spitzenklasse. Für den erneuten Gewinn der Deutschen Meisteschaft wird der Kader einmal mehr irgendwie reichen, für den Triumph in der Champions League ist die Mannschaft jedoch weiterhin nicht stark genug. Same procedure as last year.